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Fußball Ein Karpfen im Haifischbecken

Die Fußballer vom SV Förderstedt starten über Facebook einen Spieleraufruf. Warum die Suche nach neuen Kickern so schwierig ist.

Von Enrico Joo 09.11.2016, 23:01

Förderstedt l Thomas Conrad ist ein sportlicher Leiter voller Herzblut. Der 47-Jährige ist gerade auf Lanzarote im Urlaub. Erreichbar ist er trotzdem immer. Gerade, wenn es um seinen SV Förderstedt in der Fußball-Landesliga geht.

Über das soziale Netzwerk Facebook startete der Verein am Dienstag Abend einen Aufruf (siehe Screenshot). Spieler werden gesucht. Und zwar händeringend. Die Information ist nicht neu, die Form aber schon. Der Gang in die Öffentlichkeit zeigt aber, wie dringend es tatsächlich ist. Hauptsächlich Defensivspieler werden gesucht, vor allem Innenverteidiger. „Wir haben ein bis zwei Spieler im Blick“, erklärt Conrad. „Einen in der Landesklasse und einen in der Salzlandliga.“ Beides Verteidiger. Die Spieler wurden kontaktiert, die nächsten Wochen soll es konkreter werden. „Auch ein Torhüter wurde uns angeboten“, ergänzt Trainer Enrico Tietzel. Gestern Vormittag bestätigte er zudem, dass sich auf den Aufruf ein 23-jähriger Spieler aus der Kreisoberliga gemeldet hat. „Die Resonanz ist gut“, sagt Tietzel.

Ob die Spieler kommen, ist natürlich noch unklar. „Ich bin zuversichtlich“, meint Conrad. Aber das hängt von vielen Faktoren ab. Der eine ist oft der entscheidende: Das Geld.

Der schnöde Mammon sorgt dafür, dass es für Vereine wie den SV Förderstedt immer schwerer wird, in der Landesliga mitzuhalten. Denn beim SVF läuft es so: Die Spieler bekommen Geld für die Fahrten zum Training oder zum Spiel. Dazu werden zweimal im Jahr Prämien für Siege ausgeschüttet. Gehälter werden in Förderstedt nicht gezahlt. Damit ist der Verein aber wohl die Ausnahme in der Landesliga. „Teilweise werden da horrende Summen gezahlt“, weiß Conrad. „Wir sind der Karpfen im Haifischbecken“, ergänzt Tietzel. Mit einem geschätzten Jahresetat von 20000 Euro lässt sich für Förderstedt kein Spieler finanziell gesehen locken. Das wird bei dem kleinen Verein auch so bleiben. Viel zu verdienen gibt es in dem Vorort von Staßfurt auch in Zukunft nicht.

Das wissen natürlich auch die Spieler anderer Vereine. So wird es für die Förderstedter immer schwieriger, Kicker zu verpflichten. Die gehen oft lieber zu finanzstärkeren Clubs. „Ich mache den Spielern da aber keinen Vorwurf“, erklärt Conrad. „Das würde jeder so machen, da sagt keiner nein. Schuld sind die Vereine selbst.“

Das sieht Tietzel ähnlich. „So ist die Marktwirtschaft. Es sollte eine Ehre sein, in der Landesliga spielen zu dürfen. Aber es gestaltet sich immens schwierig, Spieler zu bekommen. Auf zehn Kontakte bekommt man am Ende vielleicht zwei Zusagen.“ Daher also der Aufruf. So kann der Verein im Winter vielleicht auf den Innenverteidiger-Positionen nachrüsten. Dort spielen Hogir Isa, eigentlich Mittelfeldspieler, und Michael Buschke, der nur aus Liebe zum Verein noch ein Jahr drangehangen hat und im Sommer aufhören wollte.

Doch nach dem Winter kommt erst der Frühling und dann der Sommer. Und dann stecken die wichtigen Herren beim SV Förderstedt wieder die Köpfe zusammen und tauschen sich aus. Schon jetzt ahnt Conrad, dass es bei manchen Spielern schwierig werden könnte, sie zu halten.

Michal Zawada ist mit seinen zehn Toren zweitbester Torjäger der Liga. Auch die konstant guten Leistungen eines Devis Drici sind sicher nicht unbemerkt geblieben. Spieler solches Formats „können wir auf lange Sicht nicht halten“, so Conrad. Nun hat keiner der Spieler Wechselabsichten geäußert. Dafür ist es viel zu früh, aber er meint das ganz generell. „Sicher werden die Angebote nicht ausbleiben“, meint auch Tietzel.

Was es auf lange Sicht für Auswege aus diesem Dilemma gibt? „Es gibt zwei Optionen“, sagt Conrad. „In die Tasche fassen und Geld in die Hand nehmen oder sich zurückziehen. Aber wir werden uns nicht verschulden. Das ist so klar wie das Amen in der Kirche.“ Weil mehr Geld nicht zu akquirieren ist, bliebe im schlimmsten Fall also nur Option B.

Schon im Sommer war der Gedanke ernsthaft im Spiel, sich in die Landesklasse zurückzuziehen. Dann entschied sich der Vorstand doch, das „Himmelfahrtskommando“, wie es Conrad nennt, anzugehen. Auch in diesem Sommer könnte es wieder Rückzugsgedanken geben. „Wenn es nicht reicht, dann spielen wir eine Klasse tiefer“, erklärt Tietzel. Er würde den Weg mitgehen.

Aber der Sommer ist noch lange hin. Und sportlich gesehen läuft es gut. Im Moment steht der SVF über dem Strich. „Ich bin sicher, dass wir einen unteren Mittelfeldplatz erreichen können“, sagt Conrad. Aber dazu braucht es eben auch Spieler. Und vor allem Alternativen auf der Bank. Die hat Förderstedt nicht. Beim 4:1-Sieg am Wochenende in Krevese gab es keine Auswechseloption. Das ist das große Problem.