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Fußball Förderstedt und das klassische Drama

Von den Mitstreitern totgesagt. Teilweise selbst die Hoffnung aufgegeben. Und dennoch hat der SV Förderstedt die Klasse gehalten.

Von Dennis Uhlemann 29.06.2017, 23:01

Förderstedt l Überraschung, Wunder, Sensation. Nachdem der SV Förderstedt in der Landesliga Nord den Klassenerhalt gesichert hatte, kursierten im kleinen Dorf im Salzlandkreis einige Wörter, die zu beschreiben versuchten, was die Förderstedter da geschafft hatten. Mit einem winzigen Kader, der in der Winterpause zudem um seinen besten Spieler gebracht wurde, ist der SVF am Ende auf Platz 13 gelandet. Erst zwei Spieltage vor dem Ende erreichten die Förderstedter das rettende Ufer.

Einen entscheidenden Anteil am Ligaverbleib hatte auch Trainer Enrico Tietzel, der den Fußball lebt und stets voller Herzblut dabei war. Auch nach der turbulenten Saison kann der Übungsleiter zu jedem Saisonspiel eine ausführliche Zusammenfassung geben. Tietzel erinnert sich an das 1:1 gegen den späteren Aufsteiger Union Schönebeck zum Auftakt der Saison, als wäre es gestern gewesen: „Da haben wir ein tolles Spiel gemacht, hatten kurz vor dem Ende sogar das 2:1-Siegtor auf dem Fuß. Dann wären wir wahrscheinlich ganz anders in die Saison gegangen.“

Stattdessen kassierten die Förderstedter im Anschluss vier Niederlagen in Serie und gerieten in einen Abstiegssumpf, aus dem sie über die komplette Spielzeit nicht mehr rauskommen sollten. „Es hat einiges nicht hingehauen in der Hinrunde“, so Tietzel. Aber die Ursachen dafür waren auch nicht von der Hand zu weisen. Sieben Spieler und auch Trainer Jens Liensdorf haben den Verein vor der Saison verlassen. „Mit Michael Buschke, Philipp Früchtel und Christian Conrad sind Leute Stammspieler geworden, die bei Liensdorf nur auf der Bank saßen“, berichtet Tietzel.

Lichtblicke gab es in dieser Zeit nur vereinzelt, bis zur Winterpause holte der SVF nur drei Siege. Im letzten Spiel im Jahr 2016 fuhr die Tietzel-Elf jedoch nochmal einen Dreier gegen Ilsenburg ein. Michal Zawada erzielte das 3:1 kurz vor dem Schlusspfiff. Der polnische Stürmer kam erst vor der Saison vom SV Gölzau aus der Kreisoberliga und entwickelte sich sofort zum Leistungsträger. Mit elf Toren in elf Spielen war er der gefährlichste Förderstedter Angreifer. Umso bitterer für den Club, das solche Leistungen auch andere Vereine auf den Schirm rufen. So zog der Pole nach nur einem halben Jahr weiter zum Oberligist Askania Bernburg. „Das war ein herber Verlust“, so Tietzel. „Aber wir konnten ihn nicht halten und wollten ihm keine Steine in den Weg legen.“

Doch auch davon ließen sich die Förderstedter nicht unterkriegen, im Gegenteil: Sie spielten eine starke Wintervorbereitung, besiegten Heide Letzlingen im Nachholspiel im Februar in einem starken Spiel mit 4:0. Doch es kamen die Gegner Schönebeck, Westerhausen und Wernigerode, damit verbunden drei Niederlagen, und der SV Förderstedt war wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Negativserie hielt auch in der Rückserie über weite Strecken an. Es gab nur vereinzelte Ausreißer nach oben wie den 3:1-Sieg bei Germania Halberstadt II.

Wie also konnte ein Team, das so nah am Abgrund stand, es dennoch schaffen, die Klasse zu halten? „Wenn du unten stehst und nur Prügel bekommst, ist die Moral im Keller“, sagt Tietzel treffend.Und deshalb appelierte der Trainer an die Ehre seiner Spieler, er nahm die schützende Hand von seinem Team, griff härter durch. Es fielen Sätze wie: „Wer nicht zum Training kommt, spielt nicht.“ Auch die Führungsspieler motivierten ihre Mitstreiter nochmal. „Es ging ein Ruck durch die Mannschaft“, sagt Tietzel. Und nach dem 2:1-Sieg gegen Absteiger Krevese am 25. Spieltag folgte eine Woche später der Wendepunkt der Saison.

Völlig überraschend siegte der SVF im Derby in Calbe mit 3:2. „Das war der Hallo-Wach-Effekt in unserer Saison“, ist sich Tietzel sicher. Förderstedt erwischte die TSG auf dem falschen Fuß und sendete mit diesem Sieg ein Lebenszeichen an die Konkurrenz. Auch wenn Uchtspringe und damit das rettende Ufer nach diesem Spiel immer noch sechs Punkte weg waren, der Klassenerhalt war wieder greifbar. Es war der erste Akt des klassischen Dramas „Saisonendspurt“. Ein Akt des Willens. Und das Drama sollte wenig später seinen Höhepunkt erreichen. Nach zwei Siegen gegen die direkte Konkurrenz aus Letzlingen und Uchtspringe erreichte der SVF am 29. Spieltag erstmals seit dem 10. Spieltag wieder einen Nichtabstiegsplatz.

Aber kein klassisches Drama ohne Retardation, ohne fallende Handlung: Am letzten Spieltag musste Förderstedt im Zittern um Platz 13 nochmal eine 1:2-Niederlage in Ilsenburg einstecken. Weil aber auch Uchtspringe unterlag, rettete die Tietzel-Elf den begehrten Platz über dem Strich. Das Drama war beendet, die Lösung des Konflikts hieß Klassenerhalt.

Und mit welchem Wort dieser Erfolg am Ende beschrieben wird, das dürfte den Fans und Veantwortlichen des Vereins fast egal sein. Trotz großer Unruhen haben die Förderstedter ihr Saisonziel erreicht. Und nun gilt es, Ruhe in den Verein zu bekommen. Und vor allem den Kader zu verbreitern. Die Planungen für die neue Saison laufen. Auch der neue Trainer Marko Ulbrich wird sein Amt bald aufnehmen, Trainingsauftakt ist am 13. Juli.

Tietzel räumt seinen Posten nach einer turbulenten Saison und wird Co-Trainer: „Mein Nachfolger soll die gleiche Chance erhalten wie ich.“ In der kommenden Saison darf Ulbrich das Projekt Klassenerhalt angehen.