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Fußball Förderstedts Lebensversicherung

Michal Zawada ist der Goalgetter beim SV Förderstedt in der Fußball-Landesliga. Zehn Tore hat er in acht Spielen bisher erzielt.

Von Enrico Joo 18.11.2016, 23:01

Köthen/Staßfurt l Ist er schüchtern? Hat er Angst? Will er nichts Falsches sagen? Nein, reden mag Michal Zawada nicht so gern. Wer da aber menschliche Zurückhaltung vermutet, liegt falsch. Es sind sprachliche Barrieren, die im Weg stehen. Der Stürmer vom SV Förderstedt aus der Landesliga ist Pole. Und er ist erst seit dem Sommer 2015 in Deutschland. Also bearbeitet er die medialen Anfragen lieber per Mail, das ist sicherer für ihn. Das dann aber ausführlich und auf deutsch. Was ihm hoch anzurechnen ist.

Er weiß ja, dass das Interesse an seiner Person groß ist. Schließlich ist der 25-Jährige mit seinen zehn Treffern der mit Abstand gefährlichste Spieler beim SVF. Im Sommer kam der pfeilschnelle Stürmer mit der Empfehlung von 45 Toren vom Kreisoberligisten SV Gölzau nach Förderstedt.

Trainer Enrico Tietzel erinnert sich: „Ich habe ihn in Gölzau zweimal beobachtet und vom ersten Momen angewusst: Der ist es. Viele haben mich damals belächelt, aber es zeigt sich, dass er für uns wie ein Lottogewinn ist. Er hat diesen verdammten Willen, diese Geilheit, das Tor unbedingt machen zu wollen. Er ist ein Instinktfußballer, der gedanklich immer zwei bis drei Schritte voraus ist.“ Dazu ist er natürlich schnell. Tietzel hievt ihn vom Leistungsniveau her auf die gleiche Ebene mit Marcus Bolze und Necirvan Isa.

Woher hat Zawada die Fähigkeiten? Geboren wurde er 1991 in Inowrocław, einer Stadt mit 75 000 Einwohnern, 200 Kilometer westlich von Warschau. Bei Cuiavia Inowrocław durchlief er die Jugendabteilungen. „Zur besten Zeit spielte der Verein in der dritten Liga, derzeit aber in der vierten“, erklärt Zawada. Für ein Jahr spielte der 25-Jährige noch bei Piast Złotniki Kujawskie, kehrte aber danach zum Heimatverein zurück. Zawada hatte große Fähigkeiten, er wollte mehr. „Ich habe darüber nachgedacht, ob ich den Sprung in die erste oder zweite Liga in Polen wage. Dann bekam ich einen Anruf von einem guten Freund, der mir vorschlug, nach Deutschland zu gehen. Da war es Zeit nachzudenken.“

Alles Weitere ist schnell erzählt. Er entschied sich für Gölzau in der neunten Liga und war da schlichtweg unterfordert. In Gölzau freundete er sich mit Przemyslaw Kucybala an, gemeinsam entschied das Duo, dass es höhere Ziele angehen will. Also gingen die beiden Polen im Sommer nach Förderstedt.

Kucybala wohnt mit seiner Freundin in Schönebeck, Zawada in Köthen, wo er in einer Textilfirma arbeitet. Im März 2017 wird Zawada Papa. Mittlerweile fühlt er sich angekommen in Deutschland. „Am Anfang war die Sprache das größte Problem. Jetzt sind die Kenntnisse der Sprache gut genug, um zu kommunizieren. Ich denke, dass ich mich in Deutschland sehr schnell eingewöhnt habe.“

Das sieht Tietzel genauso. „Er versteht sehr gut deutsch. Nur das Fluchen auf dem Platz, das ist auf polnisch.“ Tietzel lacht. Denn der sonst zurückhaltende und stille Zawada kann auf dem Platz auch schon mal fast platzen. „Wenn lapidare Fehler im Mittelfeld passieren, könnte er wahnsinnig werden“, erzählt Tietzel. „Da kann er sehr impulsiv und emotional werden. Er lebt 90 Minuten lang den Fußball.“ Zawada pflichtet den Beobachtungen seines Coaches durchaus bei. „Neben dem Sportplatz bin ich ruhig“, sagt er. Das passt auch zu seinem Verhalten in und außerhalb der Kabine. Er raucht nicht, er mag keinen Alkohol. Er ist durch und durch Sportler. „Auf dem Spielfeld versuche ich immer 100 Prozent zu geben. Und wenn es etwas schief läuft, dann kann es sein, dass die Bombe explodiert.“ Die Bombe ist natürlich er. Aber das beschränkt sich auf den Rasen. „Das ist alles ihm Rahmen“, sagt Tietzel.

Im Sommer hat Zawada einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Zehn Tore in acht Spielen werfen natürlich die Frage auf: Was wird aus dem Stürmer und Förderstedt im Sommer? „Der Antritt mit dem Ball gehört in eine andere Liga. Er ist definitiv eine Nummer zu groß für den SV Förderstedt“, sagt Tietzel vielsagend. Bleibt er trotzdem? Oder hat Tietzel Angst, dass er dann schon wieder weg ist? „Angst habe ich nur vor Krankheiten“, meint der Coach trocken. Er sagt aber auch: „Was sind schon Verträge?“ Der Gedanke ist natürlich präsent.

Erst einmal soll Zawada dafür sorgen, dass der SV Förderstedt die Liga hält. Und es ist ja nun auch nicht so, dass Zawada der perfekte Spieler ist. Er hat auch seine Schwächen. „Er arbeitet ganz schlecht nach hinten“, meckert Tietzel. „Er könnte dann ja vorne fehlen.“ Aber Zawada ist eben ein Vollblutstürmer vom alten Schlag. Und solange er seine Tore macht, wird ihm das auch ein bisschen verziehen.

Der Sommer ist noch eine Weile hin. Dann muss man sehen, ob Zawada bleibt. „Er ist ein bodenständiger Typ. Ich gehe fest davon aus, dass er auch nächste Saison noch bei uns ist“, so Tietzel. Zawada selbst hält sich alles offen. „Die Saison ist noch lang. Es gibt noch viele Spiele. Wenn es aber ein Interesse von einer höherklassigen Mannschaft geben würde, wüsste ich jetzt noch nicht, wie meine Entscheidung aussehen wird. Ich werde darüber nachdenken. Ich bin noch jung.“ Sein Selbstbewusstsein jedenfalls ist groß. „Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass ich in einer höheren Liga bestehen kann. Jeder sollte Ziele im Leben haben. Wenn es eine Chance gibt, die Fähigkeiten weiter zu verbessern, denke ich, dass es einen Versuch wert ist.“

Im Sommer gab es bereits lose Kontakte zum Oberligisten Askania Bernburg. „Vielleicht ist noch nichts verloren.“ Zawada hat auf dem rechten Arm ein Tattoo. „Never lose hope“, steht da. Zu deutsch: „Verliere nie die Hoffnung.“ Das ist sein Motto. Im Sport und im Leben. Zawada hat noch viel vor, auch mit Förderstedt.