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Handball Spieler mit Stallgeruch gesucht

Wie der HV Rot-Weiss Staßfurt die Zusammenarbeit mit der Jugend intensiviert.

Von Enrico Joo 23.11.2016, 23:01

Staßfurt l Das war irgendwie verkehrte Welt. Zumindest für die Handball-Fans, die seit Jahren die Werdegänge der Vereine in der Region beobachten. Beim Derby in der Handball-Oberliga am vergangenen Wochenende zwischen der HG 85 Köthen und dem HV Rot-Weiss Staßfurt gab es nicht nur ein deutliches Ergebnis (Köthen gewann 32:23, Anm. d. Red.), sondern auch Unwuchten im Altersschnitt.

Auf Köthener Seite standen mit Tom Groll, Julian Schilling und Tom Lüders gleich drei Jungspunde aus dem eigenen Nachwuchs im Kader. Keiner älter als 20 Jahre. Alle drei nehmen schon wichtige Rollen in der Mannschaft ein. Und bei Staßfurt? Da gab es nur Toni Fanselow. Der Jungspund kam im Sommer aus der A-Jugend. Er braucht aber noch Zeit. „Eigentlich waren wir immer die Mannschaft, die regelmäßig Jugendspieler nach oben gebracht hat“, sagt Rot-Weiss Präsident Patrick Schliwa. Er zählt Tobias Ortmann, Robert Mennecke oder Patrick Tuchen auf. Im aktuellen Kader gibt es gebürtige Staßfurter mit Nils Hähnel, Oliver Jacobi und Sebastian Schliwa. Das ist aber schon ein paar Jahre her, dass diese Spieler in die Männermannschaft aufrückten. Erst Fanselow unterbrach im Sommer die Durststrecke.

Ist ewas schief gelaufen in der Nachwuchsarbeit? So richtig zu erklären ist nicht. Es gibt gute und schlechte Jahre. Nicht immer liegt es an den Strukturen, manchmal gibt es einfach schwächere Jahrgänge. Trotzdem wollen die Staßfurter nichts dem Zufall überlassen. „Wir haben es uns auf die Fahnen geschrieben, wieder enger mit dem Nachwuchs zusammenzuarbeiten“, erklärt Schliwa. „Wir sind ja immer bemüht, die Jugend nach oben zu bringen.“ Junge Spieler sollen nicht von außen geholt werden, sie sollen Stallgeruch haben.

Für dieses Ziel wurden konkrete Maßnahmen eingeleitet. Ex-Spieler Tobias Rindert arbeitet als Jugendkoordinator seit dem Sommer an vielen Stellen im Verein. Schliwa bezeichnet das als „Meilenstein.“ Besonderes Augenmerk gilt dabei natürlich der A-Jugend. Mit Fanselow, Paul Hoffmann, Moritz Wilke, Hannes Linke und Christopher Sieland rückten gleich fünf Eigengewächse im Sommer in die Männer-Teams. Fanselow steht im Oberliga-Kader. Hoffmann, Linke, Wilke und Sieland spielen bei der Verbandsliga-Reserve.

David Ilgenstein freut sich darüber. Zusammen mit Uwe Illig trainiert er die A-Jugend vom HV Rot-Weiss in der Sachsen-Anhalt-Liga, Staffel II. Die kassierte mit dem 26:33 (12:19) am Wochenende zwar eine deutliche Niederlage gegen Spitzenreiter JSpG Wittenberg/Apollensdorf. Aber er ist zufrieden. „Wir haben gut gekämpft“, sagt er. „Ich mache der Mannschaft keinen Vorwurf.“ Immerhin ging die zweite Hälfte remis aus.

Und ganz generell lobt er den Fortschritt. „In den letzten Jahren wurde die Nachwuchsarbeit ein bisschen vernachlässigt. Jetzt erkennen wir eine positive Entwicklung.“ Was auch darin liegt, dass Stefan Secara beim Training in der A-Jugend aushilft. Der 26-jährige Rumäne, der 2014 nach Staßfurt kam, ist zum kleinen Symbol für Integration geworden. „Das ist sehr lehrreich“, meint Ilgenstein. Das schürt den Zusammenhalt. Idol oder Vorbild wären wohl etwas zu große Wörter dafür. Aber klar: „Das stiftet Identifikation“, sagt Schliwa. „So etwas wünschen wir uns mehr.“ Secara legt im Training den Schwerpunkt auf den Angriff.

Der Halblinke Janik Starosta ist wohl der nächste, der den Sprung zu den Männern schaffen könnte. „Er hat das Zeug dazu“, sagt Ilgenstein. „Er ist bei einer der Führungsspieler.“ Er trainierte schon öfter bei den Männern mit. Auch, weil er Uwe Werkmeister auffiel.

Für den Trainer der Oberliga-Truppe ist die Nachwuchs-Arbeit nicht nur ein Lippenbekenntnis. „Wenn wir vor den Männern trainieren, kommt er eher und schaut bei uns zu“, erzählt Ilgenstein. Dann pickt er sich ab und zu Spieler heraus, die probeweise mittrainieren bei den Männern. „Er legt da viel Wert drauf“, sagt auch Schliwa. „Man kann schon sagen, dass es da eine deutliche Verbesserung zu den zwei Jahren davor gibt.“

Klar ist aber auch: „Der Sprung in die Erste ist heftig“, erklärt Schliwa. Das sieht Ilgenstein genauso. Starosta hat zum Beispiel die komplette Vorbereitung mitgemacht in der Oberliga-Truppe, durfte sogar mit auf das Mannschaftsfoto im Sommer. Aber körperlich, technisch und taktisch ist das ein „extrem großer Sprung“, wie Ilgenstein sagt.

Abwarten ist Schliwas Motto: „Wir müssen Geduld haben. Zwar hat in den letzten beiden Jahren keiner den Sprung geschafft. Aber wir schlagen niemanden die Türe zu.“

Der Wille ist da. Die Maßnahmen sind es auch. Vielleicht muss in zwei oder drei Jahren dann niemand mehr neidisch nach Köthen schauen.

Der Grundstein ist gelegt.