1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Integration bei Ringern vorbildlich

Integration Integration bei Ringern vorbildlich

Ein Musterbeispiel in puncto Integration liefern die Ringer des Wernige­röder SV Rot-Weiß.

Von Ingolf Geßler 27.12.2016, 03:19

Wernigerode l Seit Beginn des Schuljahres wird Flüchtlingskindern zweimal die Woche die Möglichkeit geboten, am Kindertraining teilzunehmen. Auslöser dieser Aktion war eine Anfrage aus der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) im benachbarten Halberstadt. Auf Vermittlung eines Sozialarbeiters fanden anfänglich drei aktive Sportler aus dem russischen Nordkaukasus im Alter zwischen zehn und 16 Jahren ihren Weg in den Wernige­röder Sportverein. Inzwischen variiert die Zahl der Teilnehmer zwischen vier und sieben Kindern, die jeden Montag und Mittwoch in Begleitung eines Elternteils mit dem HEX aus Halberstadt kommend motiviert zum Ringertraining erscheinen. Trotz anfänglicher Bedenken mit Blick auf eventuell zu erwartende Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern, konnten die Sportler innerhalb kürzester Zeit hervorragend im Verein integriert werden.

Ein großes Lob gilt hierbei Trainer Rolf Leutelt, der sich von Beginn an offen und interessiert für die Neuankömmlinge einsetzte und im Verein auf der Grundlage eines sportlich-kameradschaftlichen Klimas eine super Integrationsarbeit leistet. Nach Aussage Leutelts hat die Aufnahme der Flüchtlingskinder durch die bereits im Verein trainierenden Sportler und deren Eltern problemlos funktioniert.

Der Verein hat hiervon nur profitiert. So helfen die älteren aus Tschtschenien stammenden Brüder Isa, Mokhmad und Akhmed Dadaev abwechselnd aktiv bei der Trainingsgestaltung mit. Die genannten Brüder haben zuvor in ihrer Heimat auf hohem Wettkampfniveau gerungen und teilen nun ihren Erfahrungsschatz während der Trainingseinheiten gern mit anderen Wernigeröder Sportlern. Der jüngste Bruder, Mokhmad-Salakh Dadaev, war mit dem Gewinn einer Goldmedaille maßgeblich am erfolgreichen Abschneiden der Wernigeröder Mannschaft beim Kyffhäuser-Pokal-Turnier in Artern beteiligt.

„Sorge bereitet allein der Umstand, dass die Dadaev-Brüder am europäischen Asylverfahren scheitern könnten und über kurz oder lang Deutschland wieder verlassen müssen. Seit fünf Monaten sind die Brüder zusammen mit ihrer Mutter nun schon in der Erstaufnahme Halberstadt untergebracht und geben die Hoffnung nicht auf, eventuell doch noch einen Aufenthaltsstatus für Deutschland zu bekommen, der es ihnen erlaubt, eine Wohnung zu beziehen, eine bezahlte Arbeit aufzunehmen beziehungsweise erst einmal zu lernen und zu studieren“, berichtet Rolf Leutelt.

„Das monatelange Warten in der Erstaufnahme Halberstadt bedeutet besonders für Kinder und Jugendliche eine große Herausforderung, da während dieser Zeit von einer Umsetzung des Schulrechts abgesehen wird. Mit anderen Worten, die Flüchtlingskinder in der Erstaufnahme Halberstadt gehen bis zu mehrere Monate lang nicht zur Schule. Unter solchen Umständen kann wenigstens eine erfolgreiche Integrationsarbeit im Sportverein nicht hoch genug gelobt werden, wenn es darum geht, Kinder in eine sinnvolle Beschäftigung zu bringen“, ergänzte das Urgestein des Wenrigeröder Ringervereins.

Rolf Leutelt zufolge bietet insbesondere der Ringkampfsport hervorragende Voraussetzungen für eine Integrationsarbeit mit Kindern, bei der nach fairen Regeln unterschiedliche Menschen auf Tuchfühlung miteinander gehen und sich über Sprachbarrieren hinweg im sportlichen Miteinander kennenlernen können.

„Natürlich stellt die Integrationsarbeit mit Flüchtlingskindern den Verein auch vor eine finanzielle Herausforderung. So müssen zum Beispiel Mitgliedsbeiträge und Wettkampflizenzen bezahlt und zusätzliche Ausstattung angeschafft werden. Von den Flüchtlingen selbst kann hierbei kein großer finanzieller Beitrag erwartet werden, solange sie unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Allein der finanzielle Aufwand für die wöchentliche Anreise zum Training mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wird von den beteiligten Flüchtlingsfamilien gern, aber nur mit großer Mühe bewältigt“, so Leutelt. Darum sei es wichtig, lokale Vereine in der schwierigen Integrationsarbeit so gut es geht zu unterstützen.

Dass es bei den Wernige­röder Ringern nicht nur um die sportlichen Belange geht, bewies einmal mehr die gemütliche Jahresabschlussfeier. Die Kinder trafen sich bei Kaffee und Kuchen in die Ringerhalle, organisiert wurde die Veranstaltung von Eltern und Sponsoren. Für die aufgenommenen Sportler aus dem Nordkaukasus war es eine gute Gelegenheit, das deutsche Weihnachtsfest ein wenig kennenzulernen.