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Empörung nach Eiskunstlauf-Geschenk - Witt fassungslos

21.02.2014, 09:25

Sotschi - Katarina Witt verstand ihre Sportart nicht mehr. Das überraschende Eiskunstlauf-Gold für die 17 Jahre junge Russin Adelina Sotnikowa wurde von empörten Experten und internationalen Medien als Skandal gewertet.

"Ich war komplett fassungslos und sauer auf unseren Sport, da muss man sich nicht wundern, wenn sich die Leute abdrehen", sagte die viermalige Weltmeisterin der Nachrichtenagentur dpa in Sotschi. Witt sah die Olympia-Zweite Kim Yu-Na aus Südkorea vorn. Auch die Dritte Carolina Kostner aus Italien sei zu schlecht weggekommen.

Der ehemalige Eiskunstläufer und ZDF-Moderator Rudi Cerne sprach von einem Fehlurteil: "Das hat für mich ein Geschmäckle." Die französische Sportzeitung "L\'Équipe" titelte "Skandal - die Punktrichter haben Russland das erste Einzelgold geschenkt, aber Adelina Sotnikowa hat es nicht verdient." Das südkoreanische Blatt "Korea Times" fragte in der Freitagsausgabe polemisch "Skandal oder Eislauf?", der italienische "Corriere dello Sport" wertete das Urteil als "Unrecht".

Die stolze Kim war nach ihrer flüssigen Kür verdutzt, gab sich aber ganz diplomatisch: "Ich denke, ist habe alles gezeigt, was ich konnte." Der Eislauf-Krimi in Sotschi sei ihr letzter Wettbewerb gewesen. Für ihre Landsleute ist die 23 Jahre alte Olympiasiegerin von Vancouver die Gewinnerin der Herzen. Das Urteil von Witt war auch eindeutig: "Ich will nicht die Leistung von Adelina schmälern, aber was Yu-Na gezeigt hat, war Eiskunstlauf in Perfektion."

Und dennoch bekam die kleine Russin nicht nur in den technischen Noten, sondern auch in der künstlerischen Bewertung insgesamt einen Vorsprung von mehr als fünf Punkten. Viel zu viel und unerklärlich, fanden die Fachleute. Auch Kostner verzückte mit dem "Bolero" das Publikum. Die Athleten aus allen Ländern sprangen in ihrer Ecke im "Eisring" geschlossen auf und jubelten der 27 Jahre alten Südtirolerin mit Wohnsitz in Oberstdorf zu. Viele hätten auch mit ihr als Siegerin leben können.

Ziemlich trotzig reagierte Sotnikowa auf die Fragen, wie sie sich denn die hohen Noten für ihre Choreographie erklären könne. "Ich habe sehr viel gearbeitet und möchte auch bei den Weltmeisterschaften im März gewinnen", sagte die EM-Zweite selbstbewusst. Wladimir Putin gratulierte ihr überschwänglich: "Ganz Russland ist stolz auf dich." Sie habe bewiesen, welche Qualität das russische Eiskunstlauf-Team in den vergangen Jahren erreicht habe, meinte der Präsident des Gastgeberlandes der Winterspiele. Viele Kritiker mutmaßen, dieser Triumph soll die Enttäuschung nach dem Aus der Eishockey-Spieler übertünchen.

Ein offizieller Einspruch gegen das Urteil der Jury ist nicht mehr möglich. "Die Wertung ist unantastbar, sie ist wie eine Tatsachenentscheidung nicht anfechtbar", sagte Peter Krick, Eventmanager der Internationalen Eislauf-Union (ISU), der dpa. Intern würden zwei Preisrichter die Wertung der Jury analysieren und einen Bericht abliefern.

Trotzdem wird sich der Weltverband den Diskussionen stellen und bei seinem Kongress im Juni in Irland dem Thema Anonymität der Jury erneut annehmen müssen. Wie von Witt gefordert und vom deutschen Verband befürwortet, stellte der amerikanische Eiskunstlauf-Verband schon vor vier Wochen den Antrag, wieder die Nationalitäten und Bewertungen der Juroren offenzulegen. "Das wäre eine Katastrophe für unsere Sportart. Wir wollen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen", sagte dagegen Krick.

Im nach dem Paarlauf-Skandal von Salt Lake City 2002 veränderten Benotungssystem wollte man die Preisrichter auch vor dem Druck der eigenen Länder schützen. Verbände können derzeit nicht einsehen, wie der Abgesandte aus ihrem Land gewertet hat. Eine mögliche Veränderung könnte der Verzicht auf Verbandsfunktionäre und deren Verwandte im Preisgericht sein. "Funktionäre sind immer befangen", meinte Krick.

Bei Sotnikowas Sieg saß zum Beispiel die Ehefrau des Generaldirektors des russischen Eiskunstlauf-Verbandes, Alla Schechowtsewa, in der Jury. Auch der Ukrainer Juri Balkow war wieder dabei - wegen versuchter Absprachen bei den Winterspielen 1998 in Nagano war er für ein Jahr gesperrt worden.