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Handball-Bundesliga: "Kollektiver Blackout" wird aufgearbeitet Der SCM hat nicht nur ein Kopfproblem

Ob treuer Anhänger, Trainer, Spieler oder Führungsriege des Vereins -
sie alle hatten nach der 26:32-Niederlage des SCM bei den Rhein-Neckar
Löwen wohl eines gemeinsam: Eine schlaflose Nacht. Für den "30-minütigen
kollektiven Blackout" gab es zunächst nur eine plausible Erklärung: Der
SCM hat ein Kopfproblem.

Von Janette Beck 25.02.2014, 01:19

Magdeburg l Geteiltes Leid, getrennte Aufarbeitung war am Montag beim SCM angesagt. Interimscoach Uwe Jungandreas, der seinem Spielern statt Trainings eine "Denkpause" verordnet hatte, ließ sich bei der Rückfahrt aus Mannheim in Halle absetzen. Von dort aus fuhr er durch die Nacht ins heimatliche Sausedlitz. Als sich der Coach "weit nach fünf Uhr" ins Bett begab, war an Schlaf nicht zu denken. Schon im Mannschaftsbus hatte der 51-Jährige versucht, das Puzzle zusammenzusetzen. Vergeblich: "Der Rückraum, die Abwehr, die Zeitstrafen, die Wechsel, die vielen technischen Fehler - es gibt hunderte Details. Aber ich kann sie zusammensetzen wie ich will, eine Erklärung, warum es zu diesem kollektiven Blackout über 30 Minuten gekommen ist, habe ich trotzdem nicht."

Die Crux an der ganzen Misere war: Die ersten 20 Minuten habe der gemeinsame Plan, der unter der Woche ausgetüftelt worden war, super funktioniert. "Wir hatten das Spiel im Griff, haben richtig guten Handball gespielt. Und dann reichen zwei, drei Fehler aus, um komplett die Kontrolle zu verlieren, und alle lassen sich davon runterziehen. Und das nicht zum ersten Mal", so Jungandraes, der "18 Gegentore fast am Stück noch nirgendwo erlebt" hat.

Um aus den Teufelskreis auszubrechen, sieht er "keine andere Möglichkeit, als dass wir uns trotz allem auf das nächste Spiel in Lemgo konzentrieren. Anders als die deutschen Bobfahrer, die erst in vier Jahren die Chance haben, sich bei Olympia zu rehabilitieren, können wir dies schon in einer Woche tun." Eine Garantie, ob das gelingt, gäbe es zwar nicht, "aber wir müssen es doch zumindest versuchen."

Vom Schönreden war auch Manager Marc Schmedt weit entfernt: "Da gibt es keine zwei Meinungen: Das war ein ganz bitterer Abend für den Magdeburger Handball. In einer halben Stunde haben wir das in Potenz erlebt, was uns schon seit anderthalb Jahren beschäftigt: Extreme Leistungsschwankungen", so Schmedt, der bei seiner Kritik, "Uwe Jungandreas ausdrücklich außen vor" wissen wollte: "Da, wo er in der Kürze der Zeit Einfluss nehmen konnte, sind eindeutig Fortschritte zu erkennen." Die Mannschaft sei komplett, allen hätten wieder mehr Spaß am Training und die Spieler würden auch einen wesentlich fitteren Eindruck machen, urteilt der Manager. "Nur fehlt es uns bei bestimmten Aufgabenstellungen an mentaler Stärke, an den Ansätzen und der flexiblen Umsetzung auf dem Feld. Was für mich nichts anderes heißt, als dass die Leistungsschwankungen ganz klar ein Kopfproblem sind. Vielleicht muss da ja auch ein Psychologe ran", so Schmedt.

Drastische Maßnahmen wie Gehaltskürzungen oder Abmahnungen wegen vereinsschädigenden Verhaltens lehnt der Manager indes ab: "Ganz abgesehen davon, dass vieles aus rein rechtlicher Sicht nicht durchsetzbar wäre, so etwas zu fordern ist populistischer Blödsinn." Aber dennoch könne sich jeder sicher sein, dass für 100 Prozent Gehalt auch 100 Prozent Leistung einfordert werde. "Jeder Spieler weiß, was wir von jemandem erwarten, der das Trikot des SCM trägt."

Steffen Stiebler, der Sportliche Leiter, sieht ebenfalls kein Motivations- oder Einstellungsproblem bei den Spielern: "Ich habe nicht den Eindruck, dass sie die Saison schon abgeschenkt haben. Im Gegenteil: Ich sehe, dass sie wollen, aber eben nicht können." Und der Ex-Kapitän sieht noch etwas: "Ein Problem ist auch die zu flache Hierarchie. Doch diese zu ändern, ist ein zeitintensiver und oftmals auch schmerzhafter Lernprozess. Denn es bedeutet, aus Komfortzone herauszukommen, aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen."