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Leichtathletik Eine Ohrfeige für Kugelstoß-Ass Kleinert

Kugelstoß-Europameisterin Nadine Kleinert ist nicht mehr im "Geschäft",
aber diese Nachricht ließ alten Ärger neu aufflammen: Ihre einstige
Konkurrentin Nadeschda Ostaptschuk wurde wegen Dopings vier Jahre
gesperrt. Kleinert hatte "lebenslang" für die Wiederholungstäterin
erwartet.

Von Janette Beck 08.04.2014, 01:18

Magdeburg l Nadine Kleinert hat 2013, ein Jahr nach ihrem Triumph bei der EM in Helsinki und dem enttäuschenden 13. Rang bei den Olympischen Spielen in London, ihre Karriere beendet. Obwohl die 38-Jährige inzwischen als Übungsleiterin an der Basis arbeitet und derzeit ein Praktikum in der zentralen Sportausbildung bei der Bereitschaftspolizei Magdeburg absolviert, weiß sie, "was in der Szene so abgeht". Sie pflegt "regen Kontakt" mit ehemaligen und aktuellen Vertreterinnen ihrer Zunft.

Vor einigen Tagen erreichte Kleinert die Nachricht, dass ihre langjährige Rivalin Nadeschda Ostaptschuk seit Ende März auf der Liste des Weltverbandes IAAF auftaucht, auf der alle gedopten Sportlerinnen und Sportler und deren Sperren vermerkt sind. Demnach ist die Weißrussin nachträglich für vier Jahre gesperrt worden - als Wiederholungstäterin wäre normalerweise eine lebenslange Sperre fällig gewesen.

"Nachdem ich das mit der Vier-Jahres-Sperre gelesen habe, musste ich erstmal schlucken und tief durchatmen", so Kleinert, für die das Urteil der IAAF nicht nachvollziehbar ist. "Das ist eine Schande für den Sport, eine Schande fürs Kugelstoßen und eine Schande für den Anti-Doping-Kampf, denn Ostaptschuk ist nachweislich eine Wiederholungstäterin - und die gehört nun mal lebenslang gesperrt."

Rückblick: Die 33-jährige Weißrussin hatte den olympischen Wettkampf in London mit 21,36 Meter gewonnen. Nachdem Ostaptschuks Urinprobe während der Spiele positiv war, wurde ihr die Goldmedaille aberkannt. Der nationale Verband sperrte die Athletin, die behauptete, ihr Trainer Alexander Jefimow hätte ihr ohne ihr Wissen Dopingmittel verabreicht, für ein Jahr. Im März 2013 dann der zweite Fall: Bei einem Nachtest von "eingefrorenen" Proben aus dem WM-Jahr 2005, als Ostaptschuk den Titel gewann, wurde ebenfalls ein Dopingmittel nachgewiesen.

"Das Einzige, was abschrecken würde, sind lebenslange Sperren schon beim ersten Dopingvergehen."
Nadine Kleinert

"Mir ist schleierhaft, warum der Name Ostaptschuk erst jetzt auf der Doper-Liste auftaucht. Ich kann dahinter nur System vermuten", so Kleinert, die in ihrer 25-jährigen Karriere mehrfach Medaillen nachgereicht bekommen hat, weil vor ihr platzierte Konkurrentinnen des Dopings überführt wurden. 2005 war sie bereits von Platz fünf auf vier gerückt, weil die vor ihr Platzierte des Dopings überführt wurde. Nunmehr bekäme sie sogar Bronze. Kleinert glaubt, dass die Verbände wegen etwaiger Schadensersatzklagen von "Doping-Opfern", wie sie sich selbst bezeichnet, "sehr wohl die Verjährungsfristen im Auge haben".

Die Berufssoldatin wundert sich, warum die Meldung "bis heute noch nicht öffentlich gemacht wurde, weder von der IAAF noch vom deutschen Verband oder der nationalen Doping-Agentur Nada". Und "Kleini" hat auch keine Erklärung dafür, warum die Weltdopingagentur Wada "von den betroffenen Athleten nicht gleich auch noch die eingefrorenen Proben aus den nachfolgenden Jahren untersucht werden. Ich bin mir sicher, bei der Ostaptschuk würden sie jedes Jahr etwas finden".

Ihr ginge es "zu allererst ums Prinzip", und erst dann um die vier Medaillen, die sie ihrer Rechnung nach allein von Ostaptschuk nachgereicht bekommen müsste. Etwas anders sieht es bei einer zweiten Rechnung aus, die die Ex-Kugelstoßerin aufmacht: "Ich habe es in einer ruhigen Stunde mal über den Daumen gepeilt: Ich komme auf über 200 000 Euro an Preisgeldern, Prämien und Antrittsgeldern, um die ich betrogen wurde." Aber ein Anwalt habe ihr klargemacht, dass die Aussichten auf eine erfolgreiche Klage nicht nur wegen der Verjährungsfristen gegen Null tendieren würden.

Das "lasche Urteil" gegen Ostaptschuk sei "ein Signal in die falsche Richtung", für die Vizeweltmeisterin von 2009, bei der zu Hochzeiten ihrer Karriere die Dopingkontrolleure dreimal in der Woche vor der Tür standen. "Ich trainiere beim SCM neun Nachwuchs-Athleten, die fragen mich natürlich, ob es gerade in den Wurfdisziplinen überhaupt Sinn macht, sich im Training zu quälen und sauber Top-Leistungen erbringen zu wollen, wenn der Kampf gegen Doping nur halbherzig geführt wird."

Auch die Frage, ob Doping nicht freigegeben werden sollte, wurde der Olympia-Zweiten von Athen 2004 gestellt: "Da habe ich nur gesagt: Wenn sie das zu meinen Zeiten gemacht hätten, hätte ich sofort aufgehört. Das hat in meinen Augen nichts mehr mit Sport zu tun." Sie bleibe bei ihrer stringenten Linie: "Das Einzige, was abschrecken würde, sind lebenslange Sperren schon beim ersten Dopingvergehen."