1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Steffen Stiebler: "Falsche Signale aus der Liga-Zentrale"

Handball Steffen Stiebler: "Falsche Signale aus der Liga-Zentrale"

Steffen Stiebler vertritt bei der Tagung der Handball Bundesliga (HBL)
in Düsseldorf als Sportlicher Leiter die Interessen des SC Magdeburg.
Mit dem 42-jährigen Ex-Kapitän sprach Volksstimme-Redakteurin Janette
Beck.

03.07.2014, 01:21

Bei welchen Punkt auf der Tagesordnung erwarten Sie die heißesten Diskussionen?
Steffen Stiebler: Neben protokollarischen Dingen wie Jahresbericht, Haushaltsplanung, Wahlprozedere usw. stehen der Spielplan der HBL in Verbindung mit den internationalen Spielen der EHF für 2015/16 und die Modifizierung des Jugendzertifikats zur Diskussion. So weit ich weiß, wird es auch einige Anträge geben, wo es darum geht, die Statuten der HBL zu verändern. So sollen künftig nicht mehr die Vereine - wie in unserem Fall der SCM - die Lizenzanträge stellen, sondern der wirtschaftliche Träger - konkret die HMD. Das kann ich nach dem ganzen Theater in letzter Zeit nur befürworten, denn es vereinfacht das Verfahren und die Kontrolle und macht die ganze Sache noch transparenter. Womit wir bei dem wohl größten Streitthema wären, die Lizenzvergabe an den HSV.

Das angesichts der großen Reibungsfläche sicher zu Recht?
Das sehe ich ähnlich - unabhängig davon, dass es von uns erst einmal zu akzeptieren ist, dass nach dem ganzen Hin und Her gestern eine endgültige Entscheidung getroffen wurde, wonach Hamburg definitiv in der kommenden Saison am Spielbetrieb der 1. Liga teilnimmt und Balingen als 19. Team dazukommt. Doch damit hat die HBL jetzt ein großes Problem bezüglich des Spielplans. Es ist wichtig, jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen, um das Ansehen des Handballs zu schützen. Das Pro für Hamburg sehe ich als falsches Signal für die Zukunft. Die HBL und die Vereine müssen einfach schauen, dass sie das nach dem Sturm in Seenot geratene Schiffchen wieder in ruhiges Fahrwasser bekommt.

Sehen Sie es ähnlich, dass dem Handball in Deutschland die Fälle wegschwimmen und damit auch die Liga in Mitleidenschaft gezogen wird?
Der deutsche Handball steht nicht erst jetzt am Scheideweg. Schon seit zwei Jahren geht es stetig bergab, und es kracht vielerorts im Gebälk. Anfangen muss man da ganz vorne mit der Nationalmannschaft, die natürlich die größte Strahlkraft auf unseren Sport hat. Nach nunmehr drei verpassten großen Turnieren findet der Handball im öffentlich-rechtlichen TV-Bereich gar nicht mehr statt. Das ist eine absolute Katastrophe und schlägt natürlich auch auf die Liga, die Vereine und das Sponsoring durch. Das werden vor allem die Top-Teams spüren, die sich über Großsponsoren finanzieren, und möglicherweise wird es in Zukunft noch viel schwieriger, einen Liga-Sponsor zu finden.

Muss man sich auch um die Finanzierbarkeit des Profi-Handballs in Magdeburg Sorgen machen?
Für uns ist das wie für viele kleinere Vereine ein regionales Geschäft, da sehe ich wirtschaftlich keine so massiven Einbrüche. Und unser Etat, der sich in der neuen Saison im gleichen Rahmen wie im Vorjahr bewegt (5 Millionen Euro/d. Red.), steht auf gesunden Füßen.

An welchen Stellschrauben würden Sie zuerst drehen, wenn es ums große Ganze geht?
Was die HBL betrifft, sehe ich den Handlungsbedarf im Lizenzierungsverfahren. Da müssen Lehren aus der Hamburg-Geschichte gezogen werden und neue Richtlinien her. Solche, die vor allen Gerichten Bestand haben, damit nicht mehr die Vereine bestraft werden, die solide wirtschaften. Aber auch was die Lobbyarbeit auf internationaler Ebene betrifft, sehe ich noch viel Luft nach oben.

Sie meinen damit die fehlende Einbindung der HBL in Entscheidungsprozesse im internationalen Handball-Verband IHF?
Ja, das fängt schon bei den Rahmenplänen an, die durch IHF und die EHF erstellt werden. Da wird regelmäßig über die Köpfe der Vereine bestimmt, wo es langgeht. Der DHB ist der Verband mit der größten Mitgliederzahl, und Deutschland hat angeblich die beste Liga der Welt, aber Mitspracherecht haben wir keines. Das kann doch nicht sein. Wir müssen uns stark machen und selbstbewusst um mehr Einfluss kämpfen. Dazu fehlt an vorderster Front momentan noch der richtige Mann.

Lobbyarbeit fällt zuallererst in den Arbeitsbereich eines Präsidenten. Der wird am Donnerstag neu gewählt. Aber auch hier droht Ungemach, es soll einen anonymen Brief einer Opposition an alle Vereine geben, die den einzigen Kandidaten für das Amt, Uwe Schwenker, diskreditieren?
Ich habe zwar davon gehört, aber ich wüsste nicht, dass bei uns so ein Brief in der Post lag.

Wer könnte denn dahinter stecken?
Keine Ahnung. Aber dass es Gegenströme gibt, ist doch nichts Ungewöhnliches, denn auch in der Sportpolitik haben wir Demokratie. Zuletzt bei der Wahl von Reiner Witte gab es auch Gegenstimmen und sogar einen Gegenkandidaten. Und ich kann mir auch vorstellen, dass der eine oder andere Vorbehalte gegen Uwe Schwenker hat.

Der SCM ist, was ähnliche Vorwürfe wie Betrug oder Untreue betrifft, kein unbeschriebenes Blatt. Wäre es da nicht klüger gewesen, sich im Hintergrund zu halten, statt in die Offensive zu gehen und die Unterstützung Schwenkers öffentlich zu proklamieren?
Marc Schmedt hat in der Liga etliche Gespräche dazu geführt und sich ein Feedback verschafft. Der Grundtenor war oft der Gleiche: Die HBL und der deutsche Handball brauchen international eine größere Lobby. Wir glauben, dass Uwe Schwenker die Voraussetzungen mitbringt, die man für diese Aufgabe braucht: Er hat einen Namen, verfügt über Hintergrundwissen und die entsprechenden Netzwerke. Und was die Vergangenheit betrifft, gilt es zu akzeptieren, dass er juristisch von allen Vorwürfen freigesprochen wurde.