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Sturm vs. Stieglitz Ein berauschendes Remis

Von Janette Beck 10.11.2014, 01:17

Stuttgart l Es war 1.47 Uhr, da hatte Robert Stieglitz auch die letzte Pflicht erfüllt. Der Magdeburger kam aus dem WC in seiner Kabine. Um eine Urinprobe erleichtert, hatte der 33-Jährige ein breites Grinsen auf dem zerschundenen Gesicht, um das sich wenig später Cutman "Enno" mit seinen heilenden Händen und einer Wundersalbe kümmerte. "Kein Problem, ich habe zwei Bier intus, da lief es wie geschmiert", ließ Stieglitz wissen.

Während der Dopingkontrolleur seine Siebensachen packte ("Die Probe kommt jetzt zu Hause erstmal in den Kühlschrank und geht danach mit dem Kurier ins Labor."), holte sich Stieglitz von Freundin Tatjana Genrich erst einmal ein Küsschen ab. Die Ex-Miss Sachsen-Anhalt sorgte sich allerdings vielmehr um sein Gesicht und die schmerzende Hand: "Mach da mal lieber gleich Eis drauf."

Es war nicht auszumachen, ob Stieglitz von den beiden Flaschen Sudenburger seines "nebenbei" auch Bier brauenden Promoters Ulf Steinforth so berauscht war oder doch eher vom Duell im Ring. Jedenfalls schwärmte der Ex-Champion redselig vom spektakulären Kampf. Der war über volle zwölf Runden gegangen. Sturm hatte den besseren Anfang und die Halle hinter sich und der Magdeburger ein "Auswärtsspiel" und dennoch das bessere Ende gehabt: "Das war ein geiler Kampf, auch wenn ich anfangs schwer reingekommen bin und Fehler gemacht habe. Dass es bis zum Ende so richtig zur Sache ging, hat mir selbst Spaß gemacht: Kämpfen bis zum Schluss, so mag ich das. Und ich freue mich schon auf den Rückkampf. Aber jetzt bin ich erst mal froh, dass es vorbei ist und ich wieder normal leben und essen kann. Nie wieder 75,5 Kilo!. Das war echt hart."

Respektvoll und sportlich fair war es nicht nur im Ring, sondern auch bei der abschließenden Pressekonferenz zugegangen. Dabei waren im Vorfeld die Fetzen geflogen, und beide Lager hatten sich bis zuletzt am Thema Dopingkontrolle gerieben. Allen voran zollte der mit einem blauen Auge davongekommene Sturm (Cut am rechten Auge) seinem Gegner Anerkennung: "Auch wenn ich mich vorn gesehen habe, ich akzeptiere das Urteil. Es ist wie es ist. Robert ist weiter Pflichtherausforderer von Arthur Abraham, und er hat es sich verdient. Er ist ein toller Kämpfer, hat ausgeteilt, aber auch viel weggesteckt - dazu muss man ein Champion sein."

Der 35-Jährige war zudem der Ansicht, dass beide Ex-Champions mit dem 6500 Zuschauer von den Sitzen reißenden Duell, erstklassige Werbung für den zukünftigen Boxsender Nummer 1, Sat.1, betrieben haben: "Es war ein toller Kampf, beide haben alles gegeben. Das sind die Kämpfe, die Deutschland braucht. Da ist es egal, dass es um keinen Titel geht. Es geht um den sportlichen Kampf, und darum, dass solche Duelle möglich gemacht werden. Ich denke, ein Rematch ist das, was alle sehen wollen. Und ich hoffe, da knallt es noch mehr."

Dass es diesen Rückkampf geben sollte, darin waren sich in Stuttgart alle einig. Auch Sat.1-Sportchef Alexander Rösner. "Wir haben nicht zu viel versprochen, und ich freue mich schon aufs Rematch. Das Duell ist eine Super-Vorlage für unsere Planungen. Abraham, Sturm, Stieglitz, Golovkin - das sind vier Champions und viele Konstellationen sind jetzt möglich."

Während Sturm aber erst einmal eine "Babypause" einlegen will, geht es für Stieglitz spätestens im Mai wieder zur Sache. 90 Tage, nachdem WBO-Champion Abraham im Februar 2015 freiwillig seinen Titel verteidigt, wäre er offizieller Herausforderer von "King Arthur". Der hatte sich offensichtlich einen anderen Ausgang des Duells gewünscht: "Ich habe schon dreimal gegen Robert geboxt, deswegen hätte ich es interessanter gefunden, gegen Sturm zu boxen." Aufgeschoben ist aber ganz gewiss nicht aufgehoben.