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Rückblick 2014 Die DFB-Kicker und das WM-Märchen in Brasilien

24.12.2014, 10:57

Berlin - Als der Siegerflieger mit den Helden von Rio an jenem 15. Juli über die Berliner Fanmeile schwebte, war das ganze Land längst außer Rand und Band.

Zwei Tage zuvor hatte Joker Mario Götze vor 74 738 Zuschauern im brasilianischen Fußball-Tempel Maracanã und Millionen vor den Bildschirmen in der 113. Final-Minute gegen Argentinien den Triumph perfekt gemacht. "Es ist es ein besonderes Glücksgefühl", erklärte Weltmeistermacher Joachim Löw nach dem ersten WM-Sieg eines europäischen Teams in Südamerika. "Das macht uns alle besonders stolz. Das kann uns niemand mehr nehmen."

Dieser vierte WM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft nach dem "Wunder von Bern" 1954, dem Heim-Erfolg 1974 und der Krönung von 1990 geht als Titel urdeutscher Tugenden wie Willenskraft und Beharrlichkeit in die Fußballhistorie ein. "Wir haben wirklich hart dafür gearbeitet. Wenn es überhaupt irgendjemand verdient hat, dann diese Mannschaft mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker, Lukas Podolski, Miroslav Klose. Sie waren zu meiner Zeit die ganzen zehn Jahre dabei", sagte Bundestrainer Löw.

"Die Mannschaft", wie später der vom Verband selbst produzierte Kinofilm über die ganz besonderen Tage vor und in Brasilien betitelt wurde, steht aber auch für weitere Eigenschaften. "Die Mannschaft hat in diesen Wochen einen unglaublichen Teamgeist entwickelt mit einem großartigen Können und einer unglaublichen Willenskraft. Deswegen haben wir es auch geschafft", resümierte Löw. Genau deshalb sprach Bundespräsident Joachim Gauck von dem vierten Titel-Stern, der besonders leuchtet: "Die ganze Wahrheit ist doch, dass wir uns in Deutschland gefühlt haben, als wären wir alle Weltmeister geworden."

Vielleicht auch deshalb, weil die Skepsis bei den Fußball-Fans und den anderen Deutschen, die sich nur aller zwei Jahre besonders für das Nationalteam begeistern, durch die Turniere zuvor etwas vergrößert hatte. Platz drei bei der Heim-WM 2006, EM-Zweiter 2008, wieder Dritter bei der WM 2010 in Südafrika, erneut bitter an Italien gescheitert im EM-Halbfinale 2012.

Was Jürgen Klinsmann gemeinsam mit seinem damaligen Assistenten Löw vor und beim WM-Sommermärchen ausgelöst hatte, wurde acht Jahre später mit einem 4:0 gegen Portugal, dem schon jetzt legendären 7:1 gegen Brasilien und letztlich mit dem Finalsieg gegen Argentinien endlich gekrönt. "Für unsere Generation ist das etwas ganz Besonderes", sagte Philipp Lahm, der ebenso wie DFB- und WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose sowie Abwehrmann Per Mertesacker seine Länderspiel-Karriere nach der WM beendet hat.

Löws WM-Konzept, durchaus mit einigen Risiken behaftet, ging voll auf. "Wir haben dem Bundestrainer vom ersten Tag an vertraut. Wir wissen, dass er ein sehr gutes Auge hat, ein sehr gutes Gespür hat für die Mannschaft, wie er wann spielen muss", berichtete Toni Kroos. "Er hat es wirklich geschafft, die Mannschaft total hinter sich zu bekommen. Er ist vorweggegangen und hat unglaubliche Worte gefunden", ergänzte Bastian Schweinsteiger. Der Münchner, beim 1:0 im Finale körperlich schwer gezeichnet, aber nie aufgebend, wird für immer das Symbol des vierten deutschen WM-Triumphs sein.

Die Mannschaft überwand auch im Endspiel alle Widerstände, mit denen sie vom Beginn der Vorbereitung in Südtirol an zu kämpfen hatte: Mit den schon vergessenen Verletzungen von Lahm und des als bester Torwart ausgezeichneten Manuel Neuer, auch Schweinsteiger mit dem lädierten Knie. Dazu kamen harte Ausfälle wie der von Marco Reus am Tag vor der Abreise nach Brasilien. "Dass er es hinbekommen hat, dass alle Spieler zufrieden sind, das ist unglaublich, das ist eine große Leistung", sagte Vizekapitän Schweinsteiger zu Löw, der 24 Jahre deutsche WM-Titelabstinenz beendete. Der Freiburger steht nun auf einer Stufe mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer.

Löw hat seine vierte Titel-Mission noch fokussierter und geradliniger verfolgt. "Joachim Löw hat gelernt, er hat sich schon entwickelt", beschrieb Mertesacker die Entwicklung. Vor allem das Achtelfinale gegen Algerien wurde zum Knackpunkt des Turniers. Torwart-Coach Andreas Köpke berichtete von "kontroversen Diskussionen" auch im Trainerstab. Löw beorderte Lahm zurück nach rechts hinten. Sami Khedira und Schweinsteiger kamen immer besser in Tritt, und Keeper Neuer wurde vom Schulter-Patienten zum wichtigsten Mann.

"Irgendwie haben wir es uns erarbeitet, dass wir immer drangeblieben sind, dass wir eine gute Vorbereitung hatten, dass wir viel investiert haben. Und dass wir natürlich auch sehr gute Spieler haben", sagte der zehnte Bundestrainer der DFB-Historie. Für Verbands-Präsident Wolfgang Niersbach ist der Triumph eine Bestätigung dafür, dass "es nicht stimmt", dass Deutschland mit Löw "der Sprung auf das oberste Podest nicht möglich" sei. Gerade nach dem schwierigen Achtelfinale habe Löw auf alle Kritik professionell, entspannt und souverän reagiert. Die Bedenkzeit, ob er weitermachen wolle, war nur kurz beim Bundestrainer.

Auch nach dem "etwas schleppenden" Start in die EM-Quali (0:2 in Polen und 1:1 gegen Irland) blieb Löw cool. Auf dem Weg zur EM 2016 in Frankreich, wo Deutschland wieder "eine entscheidende Rolle spielen" möchte, will der 54-Jährige ein paar Veränderungen vornehmen. "Wir haben Götze, Özil, Reus, der nicht dabei war, Gündogan, Khedira, Schürrle, Kroos, das sind alles junge Spieler. Die können in ihrer Karriere noch Einiges bewegen", sagte Löw.