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Handball Anja Althaus - Jeden Tag in einer anderen Welt

Anja Althaus spielt und lebt in einer anderen Welt. Die Magdeburgerin
ist im Sommer 2014 nach Mazedonien ausgezogen, um Vardar Skopje zum
Champions-League-Titel zu verhelfen. Für drei Jahre opfert sie die
ständige Nähe zu ihrem Lebensgefährten. Trotzdem sagt sie: "Ich habe den
Schritt nicht bereut."

Von Daniel Hübner 05.01.2015, 02:10

Skopje/Magdeburg l Wenn Anja Althaus vom Training gekommen ist, vom Shoppen oder Bummeln in der "kleinen süßen Altstadt", wenn sie ihren silberen VW Polo in der Tiefgarage des Hauses an der Vasil-Chakalarov-Straße abgestellt hat und in den Fahrstuhl gestiegen ist, dann wippt sie sich rhythmisch bis in die fünfte Etage. Die Backstreet Boys dudeln aus der Box oder Britney Spears oder andere internationale Stars, die eine Fahrt im fast voll verspiegelten Lift angenehm gestalten können. "Manchmal tanze ich auch", sagt die Magdeburgerin und lacht, als würde das ganz gut ins Bild der sympathischen und selbstbewussten jungen Frau passen, die lauter verrückte Sachen macht. Nach Skopje für drei Jahre auszuwandern, in die Hauptstadt eines der ärmsten Länder Europas, klingt jedenfalls ziemlich verrückt.

Anja Althaus ist nämlich die erste deutsche Spielerin, die nach Mazedonien ausgezogen ist, um einem Verein zu Champions-League-Titeln zu verhelfen. "Darauf ist in der Mannschaft alles ausgelegt", bestätigt die 32-Jährige den Plan von Vardar Skopje, der zugleich der Plan von Sergej Samsonenko, einem russischen Geschäftsmann, ist. "Er ist total sportbegeistert und sehr sympathisch", sagt Althaus über den Mäzen des Frauen- und Männerhandballs bei Vardar.

Dieser Plan lässt sich allein mit dem ausgeprägten mazedonischen Nationalstolz und den Talenten des Landes nicht umsetzen. Deshalb klingt es in der kleinen Vereinswelt Vardars sehr international: Dobar den! Bonne journée! Buenos dias! Dobryy den! Good afternoon! Guten Tag! 18 Frauen aus neun Nationen zählt der Kader. Alle haben den gleichen Vertrag, der ein Auto, eine Wohnung und täglich zwei Verpflegungen vorsieht im Restaurant neben der heimischen Jane-Sandanski-Halle.

Alle pflegen "ein harmonisches Klima", berichtet Althaus. Und alle werden pro Heimspiel von fast 4000 Fans bejubelt, auf der Straße erkannt und um ein Foto gebeten. "Das ist unglaublich", sagt die 1,77 Meter große Kreisläuferin, "die Menschen sind sehr herzlich. Aber sie wissen auch, dass wir Geld haben. Und wir vergessen nicht, dass wir in einem armen Land leben und spielen."

Viele Akteurinnen wohnen in jenem neunstöckigen Neubau an der Chakalarov-Straße, in drei Zimmern, Küche, Bad und mit Ausblick auf das Wahrzeichen Skopjes, das Millenniumskreuz auf dem 1066 Meter hohen Berg namens Vodno. "Ich habe eine sehr schöne Wohnung mit riesiger Küche", sagt Althaus, "aber die Küche ist eigentlich nur eine Dekoration. Es ist billiger, essen zu gehen als Essen zu kaufen."

Am Anfang war es nicht nur die Herausforderung, ein neues Land, eine neue Sprache, viele neue Menschen kennenzulernen. Am Anfang war es eine große Sorge, die sie nach Skopje begleitet hatte. Nicolai Hansen, ihr Lebensgefährte, aktiv für Zweitligist ThSV Eisenach, und Althaus suchten bis zu ihrem Wechsel im Sommer 2014 fünf Jahre lang die ständige Nähe, die nächsten zweieinhalb Jahre noch bleibt es nun eine beständige Ferne, die sie zumeist mit den Mitteln der modernen Kommunikation überbrücken. Bis zum 30. Juni 2017 hat sich Althaus an Vardar gebunden. "Er war einmal hier, um sich selbst ein Bild davon zu machen, dass es mir gut geht", erklärt sie. "Und wenn ich drei oder mehr Tage frei habe, dann komme ich zurück."

Als Handballerin kehrte Anja Althaus im November zurück. Zum Gruppenspiel in der Champions League beim Thüringer HC. An jenen Ort also, wo sie zwei deutsche Meisterschaften feierte. Diesmal verlor sie mit 20:21. Und in diesem Ergebnis steckt das eigentliche Problem Vardars. Im nationalen Spielbetrieb gewinnt das Team im Schnitt jede Partie mit 39:19. "Die mazedonische Liga ist nicht interessant, da zähle ich auch meine Tore nicht. Wir mussten also die Gruppenspiele in der Königsklasse nutzen, um uns einzuspielen", berichtet Althaus. Skopje hat sich inzwischen für die Hauptrunde qualifiziert. Der erste Schritt zum Titel ist damit getan.

Dennoch ist nicht alles rosarot, sagt Althaus, "aus meiner Zeit bei Viborg HK weiß ich, dass das erste Jahr das schwierigste ist". Beim Training "stehe ich manchmal wie der Ochse vorm Berg, weil alles auf Mazedonisch angesagt wird. Und ich bin handballerisch noch nicht bei dem angekommen, was ich wirklich kann."

Das Leben in Skopje ist für sie tatsächlich eine einzige Herausforderung, jeder Tag ist ein Tag in einer "anderen Welt", in der sie aber Erfahrungen gewinnt, die sie später mal als Trainerin nutzen will. Deshalb sagt Anja Althaus: "Ich habe es so gewollt, und ich habe den Schritt nicht bereut."