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Box-Promoter Steinforth Weitermachen, wenns am schönsten ist

Promoter Ulf Steinforth feiert Kristallhochzeit mit dem Profiboxsport. In 15 Jahren wurden Millionen von Euro umgesetzt, etliche WM- und EM-Gürtel eingeheimst und Tiefschläge weggesteckt. Am Sonnabend wird die 100. SES-Gala über die Bühne gehen. Nach dem Jubiläum sollte Schluss sein. Doch warum aufhören, wenn´s am schönsten ist?

Von Janette Beck 04.03.2015, 01:20

Magdeburg l Wenn einer einen Boxstall gründet, dann kann er was erzählen. Oder nach 15 Jahren vielleicht sogar ein Buch schreiben? "Ja, das wäre eine Idee. Da käme ganz schön was zusammen. Ich hätte jede Menge Storys á la ,Gute Zeiten, schlechte Zeiten` auf Lager", grinst Ulf Steinforth, der im März 2000 den ersten und nach wie vor einzigen Profiboxstall im Osten aus der Taufe hob.

Er denkt dabei unter anderem an seine allererste Boxgala von Sport Events Steinforth (SES) in Dessau zurück. Damals sei Schwergewichtler Rene Monse Hauptkämpfer gewesen: "Ich hatte keine Ahnung von nichts, aber große Flausen im Kopf. Irgendwann kurz vor dem Kampf hieß es, Monse braucht noch einen Mantel, mit dem er in den Ring geht", erinnert sich der Promoter und prustet spontan los: "Also bin ich in ein naheliegendes Wäschegeschäft gestürmt und habe fix einen blauen Frottee-Bademantel gekauft. Wenn ich mir das heute vorstelle, unfassbar was man alles so erlebt hat ..."

"Ich hatte keine Ahnung von nichts."

Trotz einiger Patzer, Misserfolge oder Fehlentscheidungen, die das Haifischbecken Profiboxen neben Glanz, Glamour und Geldsegen natürlich mit sich bringt, blickt Steinforth mit großer Freude zurück. "Das war Boxen mit allen Höhen und Tiefen. Intensiver, als ich es erlebt habe, geht es nicht", gibt der Unternehmer zu. Und mit Pathos in der Stimme stellt er fest: "Magdeburg ist heute wieder eine Boxhauptstadt, und wir haben mit SES in den 15 Jahren einige Spuren hinterlassen."

Derjenige, der nach wie vor vorneweg geht, ist Ulf Steinforth. Der Unterschied zu den beschwerlichen Anfängen ist, dass der 46-Jährige nicht mehr als Alleinkämpfer die kostspielige, ja anfangs sogar finanziell selbstmörderische Show am Laufen hält. Inzwischen kann der Promoter nämlich dank zahlreicher, vorwiegend regionaler Sponsoren nicht nur aus einem stattlichen Budget schöpfen. Auch ein eingeschworenes Team stärkt ihm den Rücken: Über 20 Mitarbeite wuseln hinter den Kulissen, davon ist alleine eine Handvoll Trainer im Magdeburger Profiboxstall am Werk. Die wiederum bringen inzwischen 15 Stars und Sternchen des deutschen Boxsports auf Zack.

"Unser Boxstall ist wie eine große Familie."

"SES ist eine große Familie. Das ist nicht nur ein plakativer Werbeslogan, sondern wird gelebt", schwärmt Ex-Weltmeister und Aushängeschild Robert Stieglitz von seinem sportlichen Zuhause. Seit 13 Jahren geht er bei SES ein und aus und ist im übertragenen Sinne so etwas wie Steinforths "Kind". Schließlich hat er den heute 33-Jährigen behutsam aufgebaut und zu einem der aktuell besten Supermittelgewichtler der Welt profiliert. Auch Boxexperte Jean-Marcel Nartz gehört seit Anbeginn zur SES-Familie. Der langjährige Matchmaker, der auch Steinforths Trauzeuge ist, erklärt das Erfolgsgeheimnis des Magdeburger Profistalls so: "Ulf Steinforth ist der Vater des Erfolges. Sein Name steht für Ehrlichkeit, Menschlichkeit und Charakter. Und ich weiß, wovon ich rede - das ist selten im Boxgeschäft."

Nichtsdestotrotz schienen aber die Tage der Boxhochburg Magdeburg gezählt. Steinforth verriet jüngst, dass er vorhatte, noch eine allerletzte Runde im Ring drehen und danach Schluss machen zu wollen: "Es gab wirklich den festen Entschluss, das können engste Vertraute von mir bezeugen, dass ich die 100. eigene Veranstaltung vollmachen und danach zurückzutreten wollte." Diese magische Zahl habe als Fernziel lange Zeit über allem gestanden. "Ich hatte mir gesagt: Wenn du das schaffst, das ist eine echte Nummer, dann kannst du ruhigen Gewissens einen Strich drunter ziehen und was anderes machen", so der Selfmademan, dessen Unternehmens-Philosophie stets war: "Boxen für die Region, für die Menschen von hier und die Athleten von hier."

Doch wenn Steinforth jetzt in den Sack gehauen hätte, hätte das kaum jemand nachvollziehen können. Gerade jetzt, da es im 15. Jahr seit Bestehen am schönsten ist und SES zusammen mit dem Berliner Sauerland-Team das führende Box-Unternehmen Deutschlands darstellt. Jetzt, da er mit seinen Schützlingen dick im Geschäft ist. Jetzt, da Stieglitz und Robin Krasniqi bei Sat.1 unter Vertrag sind und nach WM-Kronen greifen und seine beiden Weltmeisterinnen Christina Hammer und Ramona Kühne das Maß der Dinge im Land sind. Jetzt, da mit dem MDR erstmals ein Großer in der Fernsehbranche als eigener TV-Partner mit im SES-Boot sitzt und der "Heimatsender" die Box-Ladys sowie den Nachwuchs im "Team-Deutschland" regional pusht.

"Bei SES hat die Zukunft des Boxens ihr Zuhause."

Und so gesteht Steinforth offenherzig, "noch lange nicht genug" zu haben. "Wir haben schon viel erreicht, aber wir haben noch genauso viel vor." Ihm gehe das Herz auf, wenn er die jungen Burschen aus dem Team Deutschland sehe. Wie sie sich im Training reinhängen und ihren Vorbildern Stieglitz, Pianeta oder Krasniqi nacheifern. "Wer sagt, das deutsche Profiboxen geht den Bach runter und es gibt keine Talente mehr, der braucht nur mal bei uns im Gym in Magdeburg vorbeischauen. Hier hat die Zukunft des deutschen Profiboxens ihr Zuhause." Wie also kann ein Visionär wie Ulf Steinforth aufhören, wenn er die schönste Zeit noch vor sich sieht?