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Querelen im Handball-Verband DHB-Vize sieht sich als Streitschlichter gescheitert

01.04.2015, 01:16

Der Rücktritt von Präsident Bernhard Bauer hat den Deutschen Handballbund (DHB) in Zugzwang gebracht. Über die Probleme des Verbandes, mögliche Wege aus der Sackgasse und Kandidaten für das vakante Amt sprach Volksstimme-Redakteurin Janette Beck mit Landesverbandschef und DHB-Vizepräsident Andreas Michelmann (54).

Volksstimme: Herr Michelmann, haben Sie nach einer Woche den Schock nach dem Rücktritt von Bernhard Bauer bereits verdaut, oder kam der radikale Schnitt für Sie als Mitglied des DHB-Präsidiums möglicherweise gar nicht so überraschend?
Andreas Michelmann: Für uns alle, auch für mich persönlich, war der Rücktritt von Bernhard Bauer ein Schock. Als er mich am Sonntag vor Bekanntwerden seines Rücktritts telefonisch über seinen Entschluss informiert hat, kam das überraschend. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Schritt zu respektieren.

Gab es für Sie keinerlei Anzeichen, dass Bernhard Bauer sich mit dem Gedanken trägt, aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit dem DHB-Vize-Präsident Bob Hanning alles hinzuschmeißen?
Im Nachhinein ist man immer schlauer. Das ist wie mit den Leuten, die am Montag wissen, wie die Lottozahlen vom Samstag ausgesehen haben. Ich hatte den Eindruck, dass es am 6. Februar - dem Tag der Präsidiumssitzung in Nürnberg - eine ziemlich kritische Situation gegeben hat. Damals hat sich das Präsidium zum Ziel gesetzt, beide, das heißt Bernhard Bauer und Bob Hanning, zu halten. Daraufhin wurden Uwe Schwenker, Rolf Reincke und ich beauftragt, ein Regelwerk zur künftigen Zusammenarbeit zu erstellen - eines, mit dem alle leben können. Vereinbart worden ist auch ein Gesprächstermin zu fünft, der aber leider nicht mehr stattfand.

Was war nach Ihrem Kenntnisstand der Tropfen, der das Fass vorzeitig zum Überlaufen gebracht hat? Es ist von Differenzen die Rede, die zwischen dem Berliner Handballverband und Bauer entbrannt sind. Die Berliner sollen verärgert darüber gewesen sein, dass sich der DHB-Präsident für Hamburg als Bewerberstadt für Olympia 2024 starkgemacht hat?
Den Vorwurf halte ich für völlig ungerechtfertigt. Ich kann dazu nur sagen, dass Bernhard Bauer innerhalb des Präsidiums ein so klares Verfahren initiiert hat, wie es nicht jeder Spitzenverband in diesem Fall praktiziert hat. Wir haben alle die Unterlagen beider Bewerberstädte bekommen, er hat rechtzeitig mit uns besprochen, dass die drei Vertreter aus Berlin und Hamburg nicht stimmberechtigt sind. Es hat dann, nachdem alle Argumente angehört und das Für und Wider abgewogen wurden, innerhalb des Präsidiums eine geheime Abstimmung gegeben. Dabei hat es keinerlei Beeinflussung durch Bernhard Bauer gegeben. Anschließend hat er die Mehrheitsentscheidung des DHB beim Treffen der Spitzenverbände vertreten. Der Präsident hat sich in allem völlig korrekt verhalten.

Der Sportinformationsdienst (SID) hat geschrieben, dass das Tischtuch zwischen Ihnen und Bernhard Bauer zum Zeitpunkt seines Rücktrittes zerschnitten gewesen sein soll. War das der Fall? Und wenn ja, warum?
Über diese Behauptung war ich sehr erstaunt. Bernhard Bauer hat mich nach seinem Rücktritt - in Bezugnahme auf diesen Beitrag - noch einmal persönlich angerufen und unser vertrauensvolles Verhältnis bekräftigt. Die Aussage stamme nicht von ihm, und er habe, nachdem er uns über seinen Rücktritt informiert hatte, nicht mehr mit der Presse gesprochen.

Es gab also keine Differenzen zwischen Ihnen beiden?
Es gibt immer mal zu verschiedenen Punkten unterschiedliche Meinungen. Aber es gab keine Spannungen, um das ganz deutlich zu sagen. Vielmehr habe ich meine Aufgabe darin gesehen, mit dafür zu sorgen, dass beide, Hanning und Bauer, an Bord bleiben.

Gab es noch einmal ein Gespräch, in dem Sie mehr über die genauen Gründe des Rücktritts erfahren haben?
Nein.

Haben Sie eine Chance gesehen, Bernhard Bauer noch irgendwie umzustimmen?
Nein, zum Zeitpunkt seines Anrufes bei mir nicht mehr, sein Entschluss stand felsenfest.

Augenscheinlich sind es vor allem zwischenmenschliche Dinge zwischen den Protagonisten Hanning und Bauer gewesen, die ausschlaggebend für den Rücktritt waren. Ließ sich das der Sache wegen nicht wie unter Männern klären?
Ich hatte den Eindruck, dass da zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinanderprallten. Da war auf der einen Seite Bernhard Bauer, der ein hochintelligenter, effizient arbeitender Amtschef im Ministerium war und der eine ganz klare Linie gefahren hat. Und auf der anderen Seite war Bob Hanning, der aus dem Sportmanagement kommt, wo viel stärkeres, eigenes Agieren stattfindet - ohne große Rücksprachen zu nehmen. Aber beide, das möchte ich an dieser Stelle nochmals betonen, haben dem deutschen Handball gutgetan.

Vielleicht hatte der Präsident das Gefühl, dass da zwar zwei an einem Strang ziehen, aber nicht in die gleiche Richtung. Vielleicht war ihm das Kompetenzgerangel und die ständigen Alleingänge von Hanning irgendwann zu viel, und er hat eingesehen: Zwei Leitwölfe, das funktioniert nicht?
Ich habe die Situation bis zum betreffenden Sonntag anders gesehen. Deswegen haben wir ja den Versuch gestartet, eine Kommunikationsplattform für beide zu finden.

Sie sind als Streitschlichter also gescheitert.
Ja, das kann man so sagen, Rolf Reincke, Uwe Schwenker und ich waren die Streitschlichter. Und unser Ziel war wirklich, beide - so unterschiedlich sie auch sind - im Präsidium zu halten. Beide waren uns gleich wichtig, aber wir haben es leider nicht mehr geschafft, sie noch einmal an einen Tisch zu bekommen.

Jetzt geht es darum, einen neuen Präsidenten zu finden. Sie hatten vor eineinhalb Jahren schon einmal Ihren Hut in den Ring geworfen, als es darum ging, bei der anstehenden Wahl einen Gegenkandidaten für den damaligen Präsidenten Ulrich Strombach zu stellen? Wagen Sie einen zweiten Versuch?
Heute haben wir eine ganz andere Situation. Letztlich habe ich damals Bernhard Bauer selbst als Präsident vorgeschlagen, weil ich ihn für den geeigneteren Kandidaten gehalten habe. Und davon habe ich nichts zurückzunehmen. Aktuell haben wir mit Mark Schober einen hauptamtlichen Generalsekretär, so dass wir als Verband weiter handlungsfähig sind. Wir werden uns Anfang April zusammensetzen, um festzulegen, wie wir möglichst zügig, aber auch in der entsprechenden Qualität zu einem neuen Präsidenten kommen.

Damit ist nicht die Frage beantwortet, ob Sie erneut ihren Hut in den Ring werfen wollen?
Ich bin gerade bei der Oberbürgermeisterwahl von Aschersleben mit 76 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden und möchte dieses verantwortungsvolle Amt auch die nächsten sieben Jahre mit voller Kraft ausüben.

Wie sieht Ihr Anforderungsprofil an den zukünftigen Präsidenten aus?
Er sollte jemand sein, der mit dem Handball verbunden ist, der sowohl den Kontakt zu den Landes- als auch zu den Ligaverbänden der Männer und Frauen hat. Der künftige Präsident muss in der Lage sein, das Präsidium zu führen und den Verband nach außen hin würdig zu vertreten. Und er muss natürlich ausreichend Zeit für das Ehrenamt haben.

Offensichtlich reißt sich aber niemand darum, DHB-Präsident zu werden. Momentan ist nur bekannt, dass Heiner Brand und Andreas Thiel keine Ambitionen hegen. Liegen denn schon die ersten offiziellen "Bewerbungen" vor?
Mir ist kein Name bekannt. Selbst die beiden, die genannt wurden, hatten sich ja nicht selbst vorgeschlagen, sondern wurden von der Presse ins Gespräch gebracht.

Was, wenn sich gar keiner meldet, weil es sich um ein Ehrenamt handelt, das viel Arbeit und lediglich Undank als Lohn einbringt? Oder anders gefragt: Droht Ihnen jetzt auf die Füße zu fallen, vor 18 Monaten die Entscheidung getroffen zu haben, nicht den Präsidenten, sondern den Generalsekretär des DHB hauptamtlich zu bezahlen?
Einen 800 000 Mitglieder starken Verband ehrenamtlich zu führen, ist eine Herausforderung.

Ist es vorstellbar, dass der künftige Präsident hauptamtlich beim DHB beschäftigt ist?
Zumindest wird es immer schwieriger, für eine so große Aufgabe einen geeigneten, ehrenamtlich arbeitenden Kandidaten zu finden. Ohne zu klagen, möchte ich einmal feststellen, dass das jetzige Präsidium bis heute für seine komplett ehrenamtliche Arbeit keinen einzigen Cent gesehen hat.

Im Nachhinein kann man also nur sagen: Hut ab vor der Leistung von Herrn Bauer!
Ja, absolut. Das war Arbeit bis zur Selbstaufopferung. Angesichts seiner doch sehr erfolgreichen Arbeit bedaure ich umso mehr, dass Bernhard Bauer keine andere Lösung für sich gesehen hat, als sein Amt niederzulegen.