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SCM-Abteilungsleiter Lutz Bengsch "Diese Erfolgsserie macht uns kein Kanuverein nach"

Die Kanuten sind die fleißigsten Medaillensammler des SCM. Seit der Gründung vor 60 Jahren wurden allein 15 Olympische Medaillen errungen - davon acht aus Gold. Über 60-mal gab es Edelmetall bei Welt- und Europameisterschaften. Janette Beck sprach mit Lutz Bengsch, dem langjährigen Abteilungsleiter Kanu beim SC Magdeburg.

23.05.2015, 01:24

Seit der Wende sind Sie Abteilingsleiter, haben im vergangenen Jahr quasi Silberhochzeit mit dem Club gefeiert. Was hat Sie so lange durchhalten lassen?
Ich bin in diesem Verein groß geworden, er ist meine Heimat. Das ist schon vergleichbar mit einer Ehe, wo man zusammensteht in guten wie in schlechten Zeiten. Die SCM-Kanuten sind eine große Familie. Jeder kennt jeden, jeder achtet sich - einer für alle und alle für einen. Das habe ich auch selbst zu schätzen gelernt, als ich hier auf dem Hof, wie wir immer so schön sagen, in einer persönlichen Krise Halt gefunden habe. Meine Anfänge reichen ins Jahr 1965 zurück, da habe ich als Schüler im Zollhafen meinen ersten Wettkampf bestritten. Es war die DDR-Pionierspartakiade - der damalige Vorläufer der Kinder- und Jugendspartakiade, und ich saß im Mannschafts-Canadier - den gibt es heute gar nicht mehr.

Die Serie von Titeln und Medaillen zieht sich wie ein roter Faden durch die 60 Jahre. Die Kanuten sind die Medaillensammler des Clubs. Verraten Sie uns das Erfolgsgeheimnis?
Wir sind ein Verein, der die Traditionen lebt und pflegt. Dass der SCM seit 1976 bei allen Olympischen Spielen mindestens eine Medaille gewonnen hat, darauf können wir stolz sein. Das macht uns kein Kanuverein nach - weder im Osten noch im Westen. Aber bekanntlich hat der Erfolg viele Väter. Ausschlaggebend ist, dass wir in allen kritischen Situationen, sei es die Wende, der Geburtenknick, der demografische Wandel oder immer knapper werdende Kassen, immer verstanden haben, die Probleme als Team zu lösen. Und viele Unternehmen, die uns bereits zu DDR-Zeiten zur Seite standen, sind als Unterstützer bei der Stange geblieben. Wir verfügen über eine gute Vernetzung und arbeiten über die Jahre hinweg eng mit den Zentren der näheren Umgebung zusammen. Aus Barby oder Calbe kommen immer wieder Talente zu uns. Das Gleiche trifft auf die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen zu. Viele Athleten aus anderen Sportarten haben den Weg zu uns gefunden, vor allem vom Schwimmen.

Auffällig ist auch, dass viele ehemals erfolgreiche Athleten im Trainerstab zu finden sind. Eckhardt Leue, Guido Behling, Björn Bach, Mark Zabel - um nur einige zu nennen.
Ja, auch das gehört zu unserem Erfolgsrezept. Es ist wichtig, dass du, ob im ehren- oder im hauptamtlichen Bereich, Trainer oder Übungsleiter im Verein hast, die ihr Handwerk verstehen. Und unser Betreuungsumfeld ist top-organisiert. Eines der ganz großen Vorbilder in dieser Hinsicht war das 2010 leider verstorbene Vereins-Urgestein Jürgen Harp-ke. Seit Mitte der 50er Jahre selbst aktiv und u. a. Teilnehmer an den Olympischen Spielen 1968 und 1972, legte er als Trainer den Grundstein für eine ganze Generation international erfolgreicher Canadierfahrer. Dass bis heute erfolgreiche Athleten ihre Erfahrungen, ihr Können und Wissen an den Nachwuchs weitergeben, ist im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. Der direkte Weg ist der beste.

Gab es in all den Jahren nie auch mal Streit wie in jeder Familie auch?
Es gab Zeiten, da lief es nicht ganz so rund, und ich habe mir Sorgen um die Zukunft gemacht. Beispielsweise, als im Nachwuchsbereich einiges im Argen lag und die Erfolgsserie mittelfristig zu reißen drohte.

Was war der Grund?
Wir haben es eine Zeit lang augenscheinlich versäumt, uns um den Nachwuchs im Land zu kümmern oder auch Junioren, die auf dem Sprung waren in die Erwachsenenbereich, bei der Stange zu halten. Da sind uns zwischenzeitlich einige Talente, vor allem aus dem südlichen Bereich, durch die Lappen gegangen - auch, weil es persönliche Befindlichkeiten oder Vorbehalte gab, die Leute zum SCM zu geben. Inzwischen sind die Probleme aus dem Weg geräumt und wir haben wieder zu unserer Linie zurückgefunden, obwohl noch immer einige Vereine dazu neigen, ihr eigenes Süppchen zu kochen und die Sportler zu lange "klammern".

Das kann sich eine Randsportart wie Kanu nicht leisten, oder?
Richtig, es wird immer schwieriger, Talente zu finden. Erst recht in einer Randsportart. Aber durch das neue Projekt "Erlebniswelt Wasser" ist frischer Wind in die Sache gekommen. Das stimmt uns optimistisch, dass auch noch in ein paar Jahren die Kanuten des SCM für Furore sorgen werden. Sorgen mache ich mir auch um den Zeitpunkt, da Jürgen Laabs als gute Seele des Vereins von Bord geht. Unser Mädchen für alles hält mit seinen mittlerweile 67 Jahren die Kanu-Familie fest zusammen, und ich weiß nicht, wie es ohne den "Großen" weitergehen soll.