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Boxen Ein Stallduell der besonderen Art

Es ist kein Geheimnis, dass Stallduelle bei Boxern und Trainern verhasst sind. Der Grund ist klar: Für den Verlierer heißt es gerade in Zeiten knapper Finanzen oft, hopp oder top. Aber nicht nur deshalb hat die SES-interne Schwergewichts-EM zwischen Steffen Kretschmann und Michael Wallisch am 11. Juli besondere Brisanz.

Von Janette Beck 12.06.2015, 01:19

Magdeburg l Clever eingefädelt hat er das, Ulf Steinforth, Promoter von SES. Denn wenn am 11. Juli in der Getec-Arena die bei ihm unter Vertrag stehenden Schwergewichtsboxer Steffen Kretschmann und Michael Wallisch um die Europameisterschaft nach Version der WBO boxen, dann ist er so oder so der große Gewinner. Denn der EM-Gürtel, den übrigens WM-Herausforderer Franceso Pianeta (trifft im Hauptkampf auf WBO-Weltmeister Ruslan Chagaev) niedergelegt hat, bleibt in jedem Fall im Magdeburger Boxstall. Und damit rollt auch der Rubel weiter, denn es winken noch viele andere spannende Duelle in der lukrativen Königsklasse.

Und dennoch kann der SES-Chef nicht aus seiner Haut. Trotz des harten Geschäfts ist er immer mehr Mensch als kühler Rechner: " Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache. Natürlich ist man als Promoter immer bemüht, den Leuten etwas Besonderes zu bieten. Und Stallduelle haben, da machen wir uns mal nichts vor, immer ihren besonderen Reiz", betont Steinforth. "Dennoch weiß ich noch nicht so recht, wie ich diesen Abend überstehen soll." Also wünsche er sich - ganz diplomatisch - "dass der Bessere gewinnen möge".

Boxkampf auf Augenhöhe

Hört man sich in beiden Lagern um, dann herrscht sowohl bei Kretschmann (35), seines Zeichens Internationaler Deutscher Meister, als auch beim Deutschen Meister Wallisch (29) nicht die Meinung vor, dass es sich um eine bewusst gesteuerte "natürliche Auslese" handelt. SES-Chefcoach Dirk Dzemski, der Wallisch in Magdeburg auf den Kampf vorbereitet, erklärt dazu: "Ich denke, dieses Stallduell ist aus der Konstellation heraus einfach nur logisch. Es hat sich angeboten, die Sache intern zu regeln, zumal wir ja den Gürtel durch Francesco hatten."

Auch Trainer Stephan Kühne, der einen kleinen Teil der SES-Boxer in Berlin um sich schart und Kretschmann seit gut einem Jahr betreut, wittert keinen Verrat: "Der EM-Gürtel in der Königsklasse - das hat schon Gewicht. Es ist ein Kampf auf Augenhöhe und für beide Boxer eine Riesenchance, ins Geschäft zu kommen."

Und es höre sich zwar abgedroschen an, sei aber so: Wer nach oben will, muss sowieso jeden schlagen, der im Wege steht, so Kühne. "Klar ist aber auch, der Verlierer muss sich hintenanstellen." Und das sei für Kretschmann mit 35 sicher schwieriger als für einen Wallisch, der 29 Jahre alt ist.

Michael Wallisch vorsichtig favorisiert

Was sicher nicht funktionieren würde, sind sich beide Trainer einig, wäre, wenn sich alle an einem Ort auf das Stallduell vorbereiten würden. Schon beim Mediatag am Mittwoch begannen die "Psycho-Spielchen", und es knisterte die Luft, obwohl es keine Berührungspunkte gab. Kühne: "Die Konstellation mit zwei Trainern, der eine in Magdeburg, der andere in Berlin, das ist okay. Ansonsten gehen alle professionell miteinander um."

Und wie sehen die Trainer die Chancen verteilt? Dzemski: "Im Schwergewicht ist alles möglich. Für mich ist Michael leicht favorisiert. Er ist unbesiegt und unverbraucht." Kühne sieht seinen Boxer aus einem anderen Grund im Vorteil: "Kretsche ist allein schon durch seine Amateurzeit sehr erfahren. Und Erfahrung kann man sich nicht kaufen. Seine Achillesferse ist, das weiß jeder, die Psyche. Wenn sein Kopf funktioniert, gewinnt er."