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Handball Lindner hinterlässt große Lücke

Hubert Lindner stand am Sonnabend das letzte Mal seit 40 Jahren als Trainer an der Seitenlinie.

Von Willi Olfert 26.02.2016, 23:01

Magdeburg l „Von Stehen oder Sitzen kann allerdings bei dem als Temperamentbündel bekannten Coach keine Rede sein, wenn es sehr emotional und fachlich kompetent während des Spieles und in den Pausen verbal aktiv wird“, erinnert sich die ehemalige Nationalspielerin Anne Ulbricht-Schöne, die „Hubi“ wegen besserer Entwicklungsmöglichkeiten nach Leipzig delegiert hatte.

Das kommt nicht von ungefähr: Vor 50 Jahren ist er selbst als Geraer Bezirksmeister der Schüler A von Probstzella den Weg zur Kinder-und Jugendsportschule und zum SCM gegangen. Sein damaliger Trainer und spätere Vorsitzender des 1. FCM Herbert König und Trainer Horst Kleine (SCM) ebneten ihm den Weg in die Elbestadt, wo er neben Jugendmeistertiteln auch die Zugehörigkeit zum Miesnerschen Oberligakollektiv erkämpfte.

Als eine bei der Jugend-Nationalmannschaft erlittene komplizierte Bänderverletzung die aktive Laufbahn stoppte, kam ihm die bereits 1967 als 15-Jähriger erworbene Übungsleiterlizenz zugute. Schon vor dem DHfK-Abschluss als Diplomsportlehrer übernahm er 1976 die Ausbildung der A-Schüler des Clubs und führte sie auf Anhieb zur DDR-Meisterkrone, u.a. mit den späteren Weltklasse-Schiedsrichtern Ulrich und Lemme.

Meistertitel und Spartakiadeerfolge bei Mädchen wie Jungen bestätigten sein Talent als Trainer und brachten ihm die Berufung zum Oberligatrainer der Frauen ein. Gemeinsam mit Heinz Krüger führte er die SCM-Damen 1980 zur DDR-Meisterschaft und 1983 ins Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger, das durch ein mehr kassiertes Auswärtstor gegen RK Osijek verloren ging.

Dass es auch zum zweiten europäischen Triumph nicht reichte, war das Resultat eines wohl einmaligen Kuriosums. „Wir traten 1984 nach einem souveränen 13-Tore-Vorsprung optimistisch und bestens vorbereitet im jugoslawischen Titograd an. Allerdings hatten wir nicht mit der Tücke und List der Gastgeberinnen gerechnet. Diese müssen das Parkett und ihre Schuhe präpariert haben. So schlugen die Schiedsrichter rutschend unfreiwillige Purzelbäume und unseren Spielerinnen erging es ähnlich. Mit 19 Toren Unterschied wurde die „Schlitterschlacht“ verloren und trotz Protestes gewertet“, empört sich „Hubi“ noch heute.

In den ca. 50 Europacup- und zahlreichen Oberligaspielen in der oft ausverkauften Gieselerhalle zeigten mehr als zehn DDR-Nationalspielerinnen die Handschrift ihrer beiden Clubtrainer.

Aber auch die raue Luft der 1. Bundesliga spürte er fast zwei Jahre und avancierte danach 1992 zum verantwortlichen Nachwuchstrainer mit mehreren zu betreuenden Mannschaften. Drei Deutsche B-Jugendmeistertitel waren der Lohn.

Die Ausmusterung der weiblichen Handballabteilung aus dem SC Magdeburg machte ihn sehr traurig. Mit der Gründung des HSC 2000 gab es eine neue sportliche Heimat, allerdings mit großen materiellen Einschränkungen für alle. Als Chef der weiblichen B- und C-Jugend errang er mit dem älteren Jahrgang sofort die Deutsche Meisterschaft.

Die Krönung der oft langfristigen Ausbildung waren die Berufungen von Franziska Heinz (Weltmeisterin), Anja Althaus, Anne Ulbricht und Anne Hubinger in die Nationalmannschaft. Nach dem bedauerlichen Aus des HSC 2000 übernahm der HSV Magdeburg 2015 alle weiblichen Mannschaften, Trainer und Betreuer.

Markenzeichen des erfolgreichsten Magdeburger Frauen- und Mädchen-Trainers sind seine konsequente, zielstrebige, hartnäckige und qualitativ hochwertige Trainingsarbeit sowie sein väterliches und vertrauensvolles Miteinander.

Humorvoll, stets bescheiden, selbstbewusst und geradlinig verschaffte sich der ambitionierte Angler deutschlandweit Sympathie und Anerkennung. Ehefrau Marlis sowie die Kinder Pierre und Nadine waren der Rückhalt, dass er sein Hobby zum Beruf machen konnte.

Bevor der Erfolgstrainer nun seine geliebte „Platte“ (Hallen-Handball-Spielfeld) in Richtung alte Heimat Probstzella verlässt, wünscht er sich: „Aus den vielen talentierten Handballerinnen der Magdeburger Vereine müsste es doch gelingen, eine sehr gute Mannschaft zu bilden!“

„Vielleicht sehen wir ihn hier als Thüringer Trainer eines Tages wieder“, hofft sein Mitstreiter und Freund Manfred Jahn, der mit ihm seit 1976 manche „Schlacht“ gemeinsam geschlagen hat.