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Boxen Die Macht der Strategie

„Alles oder Nichts“: Unter dieses Motto hat Boxer Robert Stieglitz seinen EM-Kampf am kommenden Sonnabend in der Getec-Arena gestellt.

Von Daniel Hübner 08.11.2016, 00:01

Magdeburg l Boxer dichten fast ausnahmslos im Geiste des alten Roms, als Augustus in der Arena den Daumen nach unten oder oben drehte, um über Tod und Leben eines Gladiators zu verfügen. Entsprechend hat sich auch Mehdi Amar das Kampfmotto „Sieg oder Tod“ ganz zu eigen gemacht. Dabei wird am kommenden Sonnabend in der Getec-Arena (ab 22.30 Uhr/MDR) sicherlich kein römischer Kaiser mit Entscheidungsdaumen am Ring sitzen, sondern es werden dort drei Punktrichter zu finden sein, die allenfalls Treffer der Protagonisten zählen. Aber gerade diese Herren fürchtet Amar aus Marseille nicht weniger.

„Deutschland ist perfekt“, sagte der 34-Jährige am Montag bei der Pressekonferenz im Magdeburger „Ratskeller“ zur Kampfstätte zwar. Aber er ergänzte sogleich: „Bis auf die Punktrichter.“ Die hätten ihn nämlich schon mal verschaukelt, was im Mai 2014 in Krefeld gewesen sein muss, als er sich vom Kölner Konni Konrad letztlich unentschieden trennte.

Amar ist der Europameister im Halbschwergewicht, er müsste als Titelverteidiger nicht in Magdeburg antreten, die Auslandsreise wird in der Regel vom Herausforderer verlangt, und der heißt in diesem Falle Robert Stieglitz. „Das ist schon sehr mutig, dass er es sich zutraut, seinen Titel in Magdeburg zu verteidigen“, erklärte Stieglitz, dem nach seiner 15-jährigen Karriere im SES-Boxstall tatsächlich nur noch der EM-Gürtel fehlt. Sollte er diesen am Sonnabend gewinnen, muss er sich allerdings zunächst mit einem Trophäen-Ersatz begnügen. Denn Amar, der Marketing-Student, der 33 (16 durch K.o.) seiner bislang 39 Kämpfe gewonnen hat, hat sicherheitshalber das gute Original zu Hause in Marseille gelassen. Was natürlich die flottesten Sprüche unter Gegnern provozierte.

Da sagte der Besitzer nämlich selbst: „Warum soll ich den Gürtel mitschleppen, wenn ich ihn doch wieder mitnehmen werde.“ SES-Promoter Ulf Steinforth meinte: „Er hat den Gürtel zu Hause gelassen als Erinnerung daran, dass er mal Europameister war.“

Von Amar ist gegen Stieglitz, der nach seinem Wechsel aus dem Supermittelgewicht seinen dritten Fight bei den Halbschweren bestreitet, kein Sturm zu erwarten, jedenfalls nicht gleich nach dem ersten Gongschlag. Genauso zurückhaltend und philosophisch, wie sich der gebräunte Mann mit der hochgezogenen rechten Augenbraue am Montag gab, genauso verhalten, distanziert, aber immer lauernd nimmt er Anlauf zum Sieg. Zumindest hatte er diese Taktik zuletzt im Mai beim einstimmigen Punktsieg gegen Serhiy Demchenko (Ukraine) gewählt. Aber der Normalausleger hat auch ein sehr aufmerksames Auge und schont weder sich noch Gegner, wenn er die Chance zum Knockout wittert.

„Er ist ein starker Gegner, weil er alles kann“, erklärte Stieglitz, der zweimalige Supermittelgewichts-Weltmeister, der vor heimischer Kulisse seinen 56. Profikampf (49 Siege, 29 durch K.o.) bestreitet. Aber Stieglitz und sein Trainer Dirk Dzemski sind sich auch einig: Alles, was Amar kann, ist im Niveau höchstens „oberes Mittelmaß“. Eine echte Stärke habe der Franzose nicht.

Das Selbstbewusstsein des 35-jährigen Herausforderers wird jedenfalls genährt durch eine perfekte Vorbereitung. „Robert hat sehr gut trainiert und ist gesund geblieben, er hatte sehr gute Sparringpartner“, berichtete Dzemski. Stieglitz stellte den Kampf übrigens unter das Motto: „Alles oder Nichts“, was nahelegt, dass er im Falle einer Niederlage seine Karriere beenden wird.

Das alles dürfte auch den sowieso schon vorhandenen Respekt der gegnerischen Seite noch ein bisschen erhöht haben. „Robert ist ein guter Boxer, der nach vorne geht mit einem guten Rhythmus“, betonte Amars Coach Mourad Haddu. Und wer wird nun den Kampf der Gladiatoren für sich entscheiden? Haddu: „Das ist wie Schachspielen, der Intelligentere gewinnt.“ Möge die Macht der Strategie mit ihnen sein.