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Skandalträchtiger Box-Abend in Magdeburg: Weltmeister im Krankenhaus / Kühne tut sich schwer Stieglitz: "Das ist krank und macht unseren Sport kaputt"

Von Janette Beck 11.04.2011, 04:39

Dass beim Boxen Fäuste fliegen, liegt in der Natur der Sache. Wenn aber wie in der Nacht zum Sonntag beim WM-Kampf zwischen Lokalmatador Robert Stieglitz und Khoren Gevor in der Bördelandhalle der Herausforderer absichtlich ein grobes Foul begeht, ihm nach der Disqualifikation alle Sicherungen durchbrennen und er auf Trainer, Ringrichter und Betreuer eindrischt, dann hört der Spaß auf. Auch beim Champion: "Sorry, aber das ist krank und hat im Boxen absolut nichts zu suchen. Im Gegenteil, so etwas macht unseren Sport kaputt."

Magdeburg. Auch am Tag danach hatte Stieglitz noch keine Erklärung für den Ausraster seines Gegners, der ihn in der zehnten Runde nach einer Ring-Einlage am Boden liegend mit einem Kopfstoß einen stark blutenden Cut am rechten Auge zugefügt hatte. "Ich bleibe dabei, das war volle Absicht. In dieser Aktion steckte so viel Hass, so viel Zorn und Wut. Aber ich weiß gar nicht warum. Vielleicht war Khoren enttäuscht darüber, dass er keine Chance gegen mich hatte. Denn zu dem Zeitpunkt lag ich klar vorn. Noch eine Runde länger, dann wäre sowieso Ende für ihn gewesen", so Stieglitz, der auf Anraten des Ringarztes noch in der Nacht zur Uniklinik gefahren war. "Dort wurde der Cut erst einmal gesäubert und mit fünf Stichen genäht. Wir hatten viel Spaß, denn ich musste der aus dem Bett geklingelten Chirurgin erstmal erklären, warum da so viel Vasiline in der Wunde war. Na ja, es interessiert sich halt nicht jeder fürs Boxen ..."

Nachdem sich der Patient gestern mit "Brummschädel" den Kampf und das Wild-um-sich- Schlagen des disqualifizierten Herausforderers auf YouTube (wie über 50 000 andere User auch) noch einmal genau angeschaut hatte, konnte Stieglitz nur den Kopf schütteln: "Vieles hatte ich ja gar nicht mitbekommen, weil die Wunde in meiner Ecke versorgt wurde. Aber nachdem ich das gesehen habe, muss ich sagen: Gevor lebenslang sperren zu wollen, ist die richtige Entscheidung. Wir sind Sportler, und da müssen wir auch mit Niederlagen umgehen können. Khoren hat aber nur Schwäche gezeigt, er hätte sich mal lieber bei mir auspowern sollen, statt den Ringrichter oder meinen Trainer verprügeln zu wollen", so der WBO-Champion, der vergeblich auf eine Entschuldigung des Übeltäters wartete.

Das übernahm Peter Schulze, der Manager des Herausforderers. "Khoren ist über viele Jahre um solche Kämpfe wie diesen betrogen worden, das ist alles in diesem Moment aus ihm herausgebrochen. Die WBO hätte einfach das Kampfgericht austauschen sollen ... aber dennoch ist sein Verhalten unentschuldbar. Es tut mir leid für Magdeburg, für die Zuschauer und das Boxen", so Schulze, der den nach seinem vierten erfolglosen Anlauf auf den WM-Thron außer Rand und Band geratenen Boxer später in "Schutzhaft" genommen und schließlich eingeschlossen hatte.

Dennoch musste sich der Manager von SES-Promoter Ulf Steinforth den Vorwurf machen lassen, die Eskalation provoziert zu haben. Schulze hatte unter anderem Protest gegen das Kampfgericht eingelegt, weil er Betrug vermutete. Zudem riet er Gevor wegen angeblicher Vergiftungsgefahr, nicht im Hotel zu essen. Ja sogar im angebotenen Fahrdienst sah man paranoisch böse Geister. "Du hat Khoren verrückt gemacht mit deiner Nerverei. Mit der Don-King-Masche, das Kampfgericht einzuschüchtern, hattest du ja auch fast Erfolg, denn Ringrichter Küchler hat viel zu spät eingegriffen. SES ist für fairen Sport bekannt, wir reißen uns für unsere Gegner den Hintern auf und dann so etwas", zeigte sich Steinforth tief enttäuscht, aber auch rigoros: "So ein Boxer hat keine zweite Chance verdient."

Wesentlich gesitteter ging es zuvor im Frauen-Hauptkampf des Abends zu. Dabei verteidigte SES-Boxerin Ramona Kühne ihre drei WM-Gürtel im Superweltergewicht (WBO, WIBF, WBF) klar nach Punkten (98:92, 98:91, 99:91). Allerdings tat sich die Championesse gegen die kurzfristig engagierte Ersatzgegnerin aus Tschechien, Arleta Krausova, schwerer als erwartet. Warum? "Mir schwirrte nach dem Hickhack zunächst zu viel im Kopf herum", so die Berlinerin, deren ursprüngliche Gegnerin, Michelle Larissa Bonassoli aus Brasilien, sich geweigert hatte, ihre drei Kilogramm Übergewicht "abzukochen".Meinung