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Kanu DKV-Chef lobt Magdeburg

Mit einer Festveranstaltung in Magdeburg hat der Deutsche Kanuverband (DKV) die Vereinigung aus Ost und West von 1991 gefeiert.

Von Janette Beck 29.04.2016, 01:01

25 Jahre Vereinigung der beiden deutschen Kanu-Verbände – das ist im deutschen Sport eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Warum verlief das Zusammenwachsen so viel reibungsloser als in anderen Sportarten?

Thomas Konietzko: Vielleicht, weil wir die Lebensleistung des jeweils anderen anerkannt und das Beste aus beiden Verbänden übernommen haben. Dazu gehörte Mut und Offenheit – und die waren damals auf beiden Seiten vorhanden. Dass der DKV mit Olaf Heukrodt (2005 – 2010/ d. Red.) und mir zweimal von einem Ostdeutschen als Präsidenten geführt wurde bzw. wird, das spricht auch für sich. Dennoch, auch das muss man sagen, war es keine Vereinigung auf Augenhöhe. Konnte es aber auch nicht sein – der Verband Ost hatte 10 000 Mitglieder, der West 100 000. Dennoch sind wir „Ossis“ die Sache selbstbewusst angegangen, denn im Bereich Leistungssport hatten wir einiges vorzuweisen. Der Westen hatte uns vieles im Freizeitsport voraus. Letztlich haben beide voneinander partizipiert. Die Herkunft spielt bei uns keine Rolle, wichtig ist jeder, der sich für unseren Sport engagiert.

Sie waren bei der ersten nationalen Olympia-Ausscheidung in Duisburg vor Ort und haben sich vom Leistungsstand ein eigenes Bild gemacht. Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?

Ich habe gute Signale empfangen. Vor allem in unseren Problemdisziplinen, in denen wir uns bei der WM im Vorjahr in Mailand keinen Quotenplatz erkämpfen konnten. Hier hat sich über den Winter hinweg deutlich was getan, gerade was die Einer betrifft, zeigt sich eine positive Leistungsentwicklung. Ich denke, dass sich dieser Aufwärtstrend bei der zweiten Quali am Wochenende in Duisburg, bei der ich ebenfalls vor Ort bin, fortsetzt. Ich bin überzeugt, dass wir bei der kontinentalen Olympia-Ausscheidung Mitte Mai die Chance nutzen werden, so dass Deutschland am Ende die maximal mögliche Anzahl an zwölf Booten ins olympische Rennen um die Medaillen schicken wird.

Mit Zielvereinbarungen tut sich der deutsche Sport nicht zuletzt seit der kritischen Bewertung der Ergebnisse von London schwer – lassen Sie uns dennoch einmal konkret werden: Wie sieht die Vorgabe des DKV für Rio aus – ausgehend davon, dass es im Kanurennsport und Kanu-Slalom 16  Entscheidungen gibt?

Ich persönlich halte auch nichts davon, vorher Medaillen zu zählen. Unsere Sportler gehen in Rio alle mit dem Ziel an den Start, Medaillen zu gewinnen. Dieser Anspruch, bei großen Events Medaillen gewinnen zu wollen, gehört sozusagen zur Grund-DNA unseres Verbandes. So gesehen sind die Erwartungen an uns, aber auch der Druck, den wir uns selber machen, unsere Erfolgsserie fortzuschreiben, groß. Die Messlatte ist hoch, denn der DKV hat in den letzten 25 Jahren durchschnittlich sechs bis sieben Medaillen bei Olympia gewonnen, und seit der Wiedervereinigung ein Viertel aller deutschen Olympiasieger gestellt. In London waren es acht Medaillen, davon dreimal Gold – also lassen Sie es mich so formulieren: Schlechter wollen wir in Rio nicht sein.

Mit den Canadierfahrern Yul Oeltze, Erik Leue und Michael Müller hatten sich zu Saisonbeginn drei SCM-Kanuten Hoffnungen auf ein Rio-Ticket gemacht. Mit wie viel Magdeburgern rechnen Sie im Olympia-Team 2016?

Als Präsident muss ich eigentlich neutral sein, und ich möchte mich deshalb auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber natürlich schlägt mein Herz als Sachsen-Anhalter für die Region und meine Heimatvereine und natürlich auch für den SCM, wo ich nach wie vor Mitglied bin. Bei der ersten Ranglistenregatta sind nicht alle Träume in Erfüllung gegangen, vor allem für den SCM-Zweier mit Leue/Oeltze nicht. Aber noch ist nichts verloren. Ich wäre glücklich, wenn es am Ende ein Magdeburger nach Rio schafft. Wenn es doch zwei werden, um so besser. Und wer sich einmal bei der starken Konkurrenz in Deutschland durchgesetzt hat, der hat auch die Chance auf eine Medaille. Ich bin optimistisch, dass das klappt.

Wenn es hart auf hart kommt, würden die Spiele in Rio ohne SCM-Kanuten stattfinden. Nachdem Magdeburg die letzten 25 Jahre immer eine sichere Bank war, wäre das ein Tiefpunkt. Im Kajak-Bereich klafft nach dem Karriereende von Andreas Ihle eine große Lücke. Bereitet Ihnen die Entwicklung Bauchschmerzen, zumal vor Ort die Bedingungen eigentlich optimal sind?

Nein! An Olympia-Kandidaten mangelte es ja auch in diesem Olympia-Zyklus nicht. Gerade was den Canadier-Bereich betrifft, war der SCM vor vier, fünf Jahren nicht so breit aufgestellt. Aber besser geht es immer, und auch ich habe kritisiert, dass beispielsweise im weiblichen Canadierbereich die Entwicklung verschlafen wurde, oder dass es uns noch mehr gelingen muss, Talente im Land zu halten oder aus anderen Bundesländern nach Magdeburg zu locken. Eben weil die Bedingungen so ausgezeichnet sind – angefangen vom neuen, vorzeigbaren Kanu-Bootshaus bis hin zu den vielen Trainern und Übungsleitern vor Ort. Aber es kommt ja auch was nach beim SCM, für einige kommt Rio nur etwas zu früh. Und ich sehe mit Freude, dass der SCM im Nachwuchsbereich in der Breite zu alter Stärke findet. Magdeburg ist auf dem Weg zurück nach oben, und für mich ist es nur eine Frage der Zeit, dass man auch in der Leistungsklasse wieder in breiter Front angreift.

Das olympische Programm steht regelmäßig auf dem Prüfstand, die Trend- und Fun-Sportarten sind auf dem Vormarsch. Einige Veränderungen hat es mit der Hereinnahme der Sprints 2012 oder des Frauen-Canadiers 2020 bereits gegeben. Machen Sie sich Sorgen, dass eine klassische Sportart wie Kanu noch weiter beschnitten wird oder irgendwann ganz aus dem Programm verschwindet?

Ja, das war ja auch der Grund, warum der Weltverband ICF jene Kommission, die ich leite, ins Leben gerufen hat. Sie hat zum Ziel, unsere Sportart im olympischen Programm zukunftsfähig zu gestalten. Vieles ist in Bewegung. Und wir müssen dem Rechnung tragen, dass das IOC mit der Agenda 2020 nicht mehr nur eine Sportart in der Gesamtheit evaluieren wird, sondern jeden einzelnen Wettbewerb.

Das bedeutet in der Praxis?

Wir müssen zukünftig in jeder einzelnen Disziplin die weltweite Verbreitung nachweisen und die Attraktivität der Wettkampfformate für die Zuschauer und das Fernsehen verbessern. Um dem IOC zu beweisen, dass wir eine Sportart sind, die weltweit verbreitet, und in der Lage ist, sich den neuen Anforderungen, die Fernsehen, Vermarktung und Zuschauer mit sich bringen, zu stellen, haben wir im Verband alles auf den Prüfstand gestellt. Die jungen Sparten Kanu-Polo, Stand-up-Paddling oder Kanu-Freestyle bekommen Zulauf. Und auch, was TV-Zeiten anbelangt, können wir uns nicht beschweren, da liegen wir außerhalb des Mannschaftssports auf Platz vier bis fünf. Dennoch müssen wir neue Wege gehen, das Format der Sportart verändern, um uns noch besser zu vermarkten. In der Diskussion ist sogar, das olympische Programm für 2024 komplett zu verändern, um die Sportart als Marke schärfen.

Treffen Sie mit Ihren Neurer-Vorschlägen immer und überall auf offene Ohren?

Sagen wir mal so: Ich habe mir in den letzten eineinhalb Jahren mit meinen Ideen mehr Feinde als Freunde gemacht, und das hat mich schon bewegt. Wir sind eine recht konservative Sportart und niemand liebt Veränderungen in den mehr als 160 Ländern, die weltweit Kanusport betreiben, aber ich denke, inzwischen haben alle Nationen akzeptiert, dass, wenn wir mit 16 Disziplinen weiter im olympischen Programm drinbleiben wollen, wir uns als Sport in der Präsentation verbessern müssen.

Was schwebt Ihnen vor, um den Kanusport publikumswirksamer zu gestalten?

Um uns für die Zukunft zu rüsten, darf es keine Denkverbote geben. Wir müssen flexibler sein, uns Gedanken machen, wie wir den Nerv der Zuschauer, die nicht täglich unseren Sport schauen, besser treffen können. Warum also nicht auch mal darüber diskutieren, sich im Kanurennsport nur noch auf eine einzige Streckenlänge zu konzentrieren. Gleichzeitig müssen wir uns bei Wettkämpfen aber auch den Gegebenheiten anpassen, flexibler sein. Und wenn mitten in der Stadt nur Rennen über 300 Meter machbar sind, dann eben diese Strecke paddeln. Oder Kopf-an-Kopf-Rennen in den Fokus stellen. Und wenn die Leute nicht zum Sport kommen, muss der Sport zu den Leuten kommen – also rein in die City!!

Soll heißen, Sie wünschen sich mehr solche Events wie den Magdeburger Sprintcup, der seit Jahren einen festen Platz im Wettkampfkalender der Kanuten hat?

Ja, auch hier hat Magdeburg Vorbild-Charakter. Dieser Wettkampf feierte im Vorjahr seine 20. Auflage, ein vergleichbares Format mit so viel Klasse, Tradition und familiärer Atmosphäre sucht in Deutschland seinesgleichen.