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Schwimmen Hentke auf der Überholspur

Franziska Hentke schwimmt derzeit die schnellste letzte Bahn im Zirkus. Auch deshalb hat die 26-Jährige vom SCM den EM-Titel gewonnen.

Von Daniel Hübner 24.05.2016, 09:23

Magdeburg l Um 5.30 Uhr am Montagmorgen wurden Franziska Hentke und ihr Trainer Bernd Berkhahn vom Hotel in London abgeholt und zum Flughafen nach Heathrow gebracht. Viel Zeit zum Feiern war den beiden also nicht beschieden nach dem Titelgewinn bei den Europameisterschaften am Vorabend. Viel Zeit zum Feiern wollte die Schwimmerin vom SC Magdeburg auch gar nicht verschwenden. „Natürlich ist der EM-Titel der bisher größte Erfolg in meiner Karriere, aber es war wie für fast alle anderen nur ein Zwischenstopp auf dem Weg zu den Sommerspielen. Alle haben nur Rio im Blick“, teilte die 26-Jährige noch vor ihrem Abflug aus der britischen Hauptstadt mit.

Die Goldmedaille über die 200 Meter Schmetterling wird ihren Platz im Wohnzimmer in Magdeburg finden. In einem Medaillenrahmen an der Wand, gefertigt aus Holz, haben sich bislang die Plaketten aus Gold, Silber und Bronze, allesamt gewonnen bei einer Kurzbahn-EM, den Platz geteilt. Das Gold von London aber rückt nun ins Zentrum des Bildes, es sagt nämlich mehr aus, als die Schnellste in einem internationalen Finale gewesen zu sein. Es sagt viel über Stärke aus: „Mein Ziel war es, bei jedem Start in London die Schnellste auf den letzten 50 Metern zu sein, und das hat perfekt geklappt“, berichtete Hentke. „Das ist wichtig für Rio und natürlich auch für mein Selbstbewusstsein, dass ich ein Rennen von hinten aufrollen kann.“

Eine halbe Körperlänge und mehr als eine halbe Sekunde hatte Hentke im Finale gegen Liliana Szilagyi aufgeholt und die Ungarin letztlich auch dank des besseren Anschlags eine Hundertstelsekunde hinter sich gelassen. Mit 2:07,23 Minuten gewann Hentke den Endlauf mit emotionalem Nachbeben: Ihr ganzer Körper jubelte ob dieses Coups, den Experten von ihr erwartet hatten. Nachdem nämlich die Kurzbahn-Weltrekordlerin (1:59,61) und Olympia-Zweite von 2012, Mireia Belmonte aus Spanien, bereits im Halbfinale die Segel hatte streichen müssen, galt Hentke als Favoritin – allein aufgrund ihrer in diesem Jahr geschwommenen 2:05,77 Minuten. „Ich war keine Favoritin“, meinte dagegen Hentke – zumal sie mit Berkhahn den Wettbewerb nicht explizit vorbereitet hatte. Deshalb resümierte sie: „Die Rennen waren noch ein wenig holprig und nicht wirklich schnell, aber aus dem Training heraus war das gut.“

Und das Training geht weiter: Am Montag um 10.38 Uhr sind Hentke und Berkhahn mit dem Flieger in Hannover gelandet. Am Nachmittag hatten sich beide bereits zur nächsten Einheit verabredet, am Abend wollte das MDR-Fernsehen noch einmal Hentkes Lächeln sehen. Am Freitag starten sie ins zehntägige Trainingslager auf Mallorca. „Sonne tanken“, sagte Hentke zunächst lächelnd. „Aber faul rumliegen gibt es nicht, wir werden für das nächste Höhentrainingslager die Grundlagen legen.“ Im Juli geht es wieder nach Sierra Nevada (Spanien). Zuvor muss sie bei der Mare Nostrum Tour am 9. Juni in Canet (Frankreich) noch einmal die Olympianorm des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) über ihre Paradedistanz (2:11,10 Minuten) sowie über die 400 Meter Lagen (4:43,14) abliefern.

Im Mittelpunkt ihres weiteren Trainings steht das Tempo: „Besonderer Fokus liegt weiterhin darauf, dass ich die Geschwindigkeit bis zum Ende jeder Bahn halte, da habe ich den größten Verlust gegenüber der Konkurrenz“, haben Hentke und Berkhahn analysiert.

Ein Vergleich: Als Hentke bei den deutschen Meisterschaften am 7. Mai auf Rang zwei der Weltrangliste 2016 in 2:05,77 Minuten schwamm, schmetterte sie die schnellste letzte Bahn ihrer Karriere und derzeit im gesamten Zirkus in 32,16 Sekunden. Madeline Groves, die seit den australischen Titelkämpfen am 11. April das Ranking mit 2:05,47 Minuten anführt, kam dort lediglich auf 33,42 Sekunden, war das Rennen allerdings auf den ersten 100 Metern 1,77 Sekunden schneller angegangen. Es sind noch 73 Tage bis zu den Sommerspielen in Rio.