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Behindertensport Pascal Rentsch im Medaillenfieber

Nicht nur bei den Magdeburger Top-Athleten stehen die Saisonhöhepunkte an. Auch die Behindertensportler küren ihre Meister.

Von Janette Beck 16.07.2017, 11:00

Magdeburg l In der Volksstimme-Serie „Sieger mit Handicap“ stellen wir einige von ihnen vor. Heute: Pascal Rentsch, Paralympic-Hoffnung im Schwimmen.

Wenn Pascal Rentsch vom Startblock ins Becken springt, dann ist er in seinem Element. „Ich mag Wasser. Und Schwimmen. Und Schiffe“, erklärt er mit einem breiten Lächeln. Der 13-Jährige ist geistig behindert. Er leidet an einem Fetalen Alkoholsyndrom – einer vorgeburtlich entstandenen Schädigung des Gehirns durch den von der schwangeren Mutter aufgenommenen Alkohol. Doch wenn der Junge seine Bahnen zieht, ist er vor allem eines: Ein Schwimmer. Ein richtig guter noch dazu. Sonst würden nicht zwei Medaillen um seinen Hals hängen. Die hat der Teenager gerade bei den 31. Internationalen Deutschen Meisterschaften der Behinderten aus dem Becken gefischt.

Dort war die Konkurrenz mit 610 Athleten aus 52 Nationen groß. Sein bestes Ergebnis schaffte der Magdeburger, der mit zwölf Rennen zu den Vielstartern zählte, über 200 Meter Freistil. Hier gelang ihm der Sprung ins internationale Finale. In 2:26,19 Minuten musste sich der derzeit leistungsstärkste Schwimmer vom VSB Magdeburg in der nationalen Jugendwertung nur einem drei Jahre älteren Berliner geschlagen geben.

Das ist auch für SCM-Spitzentrainer Bernd Berkhahn, den Pascal Rentsch vom Training in der Elbeschwimmhalle kennt, ein guter Grund, mit einem kräftigen Schulterklopfen zu gratulieren: „Mensch, Pascal, zwei Medaillen. Stark! Gut gemacht!“

Schüchtern nimmt der 13-Jährige die Glückwünsche entgegen. Doch die schmale Brust wird gleich ein bisschen breiter. Und das Strahlen in den Augen verrät Stolz. Was der Junge, der einen IQ von 53 hat und einer ständigen Begleitung bedarf, nicht artikulieren kann, spricht sein Pflegevater aus: „Pascal fühlt sich angenommen. In der Schwimmhalle hat er ein zweites Zuhause gefunden.“ Durch den Sport sei er selbstbewusster geworden und stabiler. Er verzweifele nicht mehr so schnell, wenn er etwas nicht versteht, berichtet Günter Danker: „Pascal fühlt sich am wohlsten unter Gleichgesinnten. Hier wird er nicht ausgegrenzt oder als ,bekloppt‘ abgestempelt. Er gehört einfach dazu und ist ein Schwimmer wie die anderen auch.“

Für VSB-Coach Florian Giese besteht indes die Herausforderung darin, seinem Schützling die Trainingsinhalte „so begreiflich zu machen, dass er sie umsetzen kann“. In der täglichen Zusammenarbeit – sieben Trainingseinheiten in einer Woche kommen inzwischen zusammen – haben Trainer und Athlet zu einem super Team zusammengefunden. „Für dich gilt ,Learning bei Looking‘, stimmt‘s Pascal!“, sagt der Coach augenzwinkernd, und sein Schützling weiß genau, was er meint, grinst und nickt zustimmend. „Pascal lernt visuell am besten. Er schaut sich bei anderen vieles ab und probiert es dann nachzumachen.“

Und hier ist das Motto buchstäblich: Von „Franzi“ & Co. lernen, heißt siegen lernen. Wie SCM-Star Franziska Hentke will Pascal Rentsch es auch in drei Jahren nach Tokio schaffen. Giese weiß: „Pascal schaut zu den Großen auf. Und ich sage oft: Schau‘ mal rüber auf die andere Bahn, wie die ,Franzi‘ das macht. Das motiviert ihn dann besonders.“

Auch um gleichaltrige Konkurrenz braucht sich der „junge Wilde“ keine Sorgen mehr machen: Seit einiger Zeit darf er montags beim SCM bei der Gruppe von Olympiasiegerin und Nachwuchs-Trainerin Dagmar Hase mitmachen. An diesem Tag, plaudert Günter Danker aus dem Nähkästchen, brauche er Pascal um 6 Uhr früh nur einmal zu rufen: „Dann kann er gar nicht schnell genug aus dem Bett und in die Schwimmhalle kommen.“

In der Serie „Sieger mit Handicap“ sind bereits erschienen: „Beim Leben (m)einer Niere“ (26. Juni) und „Ein Magdeburger lässt es krachen“ (28. Juni).