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Tischtennis Chinas Rebellen spielen und siegen

Bei den German Open in Magdeburg beginnt die heiße Phase. Mittendrin sind die Chinesen Fan Zhendong und Xu Xin.

Von Anne Toss 11.11.2017, 00:01

Magdeburg l Der Besucherandrang in der Getec-Arena in Magdeburg wird von Tag zu Tag größer, der Parkplatz bietet im Gegenzug immer weniger freie Plätze. Der große Auflauf unter der Woche scheint doch recht unerwartet gewesen zu sein, sogar manch Anwohner fragt nach, was denn da eigentlich los ist. Die Antwort: Die German Open im Tischtennis gehen in die heiße Phase. Während das Gros der Vorrundenspiele meist vor fast leeren Rängen ausgetragen wurde, ist das Interesse in der Arena mittlerweile sicht- und hörbar.

Neben den deutschen Profis stehen auch die chinesischen Tischtennis-Asse im Fokus der Zuschauer. Insbesondere die Doppel-Weltmeister Fan Zhendong und Xu Xin, deren Teilnahme bis kurz vor Beginn noch mit einem Fragezeichen versehen war. Die beiden gehören neben Weltmeister Ma Long nämlich zu den drei „Rebellen“, die im Juni ihr eigenes Turnier, die China Open, boykottierten. Alle drei traten aus Protest gegen die Ablösung des chinesischen Cheftrainers nicht mehr zu ihren Achtelfinal-Spielen an.

Der Fall schlug hohe Wellen, der Tischtennis-Weltverband ITTF kündigte Sanktionen an. Und der chinesische Verband ließ seine drei Stars kurz darauf eine vor Pathos triefende Entschuldigung veröffentlichen. Sie würden sich „mit ideologischem Denken stärken, wieder zur harten Arbeit sowie zum unverwüstlichen Kampfgeist übergehen und für den Ruhm unseres Landes kämpfen“, hieß es darin.

Wirklich passiert ist danach aber fast nichts. Die Disziplinarkommission der ITTF verurteilte die drei Spieler zu Geldstrafen von je 20.000 Dollar. Und die Chinesen lassen Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin einfach weiterspielen, als wäre nichts geschehen. Es gab keine Sperre, keine öffentliche Rüge, nur das Bekenntnis zur Reue.

Angesichts der totalitären Verhältnisse in China ist die Frage, was an dieser Geschichte das Überraschendste ist: Dass sich drei Tischtennis-Spieler getraut haben, die Autorität ihres Verbandes öffentlich in Frage zu stellen? Oder dass die Chinesen ihnen das durchgehen ließen?

Der deutsche Star Timo Boll verbringt pro Jahr mehrere Monate in China und kennt alle Beteiligten gut. Seine Einschätzung ist: „Die Spieler sind sehr mächtig, gerade die besten zwei, drei der Weltrangliste. Von ihnen sind selbst die Chinesen abhängig.“

Weil sich die drei Top-Favoriten selbst aus dem Turnier nahmen, hieß das Finale am Ende Ovtcharov gegen Boll, Ersterer gewann schlussendlich. In Magdeburg werden die Deutschen kaum noch einmal von einem Boykott profitieren. Das bekam Patrick Franziska aus Saarbrücken am Freitag zu spüren. Er unterlag mit 2:4 gegen Fan Zhendong, der schon am Donnerstag sein Doppel mit Xu Xin gewann.