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"Staatsfeind Nummer 1" Grigori Rodschenkow will zu Doping auspacken

Lange Jahre war er Dopingfahnder. Dann organisierte er erst den Betrug in Moskau, später enthüllte er den Skandal im russischen Sportsystem mit. Grigori Rodschenkow, Russlands verhasster Staatsfeind, weiß aber offenbar noch viel mehr.

Von Ralf Jarkowski, dpa 15.01.2017, 11:49

London (dpa) - Wenn Grigori Rodschenkow auspackt, dürfte es bei der Weltpremiere im Kino "The Marc" an der Little Kate Road in Park City im US-Bundesstaat Utah ganz still werden.

Ein Jahr nach seiner Flucht in die USA wird der frühere Moskauer Dopinglaborchef in einem Dokumentarfilm erstmals selbst zu sehen sein. Erwartet werden spektakuläre Enthüllungen zu Hintergründen und zu seiner Rolle im russischen Dopingsystem. "Figuren im Kreml wird der Atem stocken", schreibt die englische "Mail on Sunday".

Vor allem in Moskau dürfte man gespannt, nervös und besorgt sein, wenn der 58-Jährige in der Dokumentation "Icarus", die am 20. Januar beim Sundance-Filmfestival erstmals gezeigt wird, sein Intimwissen zum größten Skandal der Sportgeschichte preisgibt. Drei Jahre lang hat US-Filmemacher Bryan Fogel an der 110-minütigen Doku über den russischen Skandal gedreht. Und er wählte einen symbolischen Titel: In der griechischen Sagenwelt wagt sich Ikarus viel zu hoch hinauf - und stürzt ab.

Damit dürfte Rodschenkow - für manche ist er ein mutiger Aufklärer, für andere ein Verräter - zum "Staatsfeind Nummer 1 in seinem Heimatland" werden, schreibt die "Mail on Sunday", die sich in ihrem Bericht auf Quellen und Dokumente im Zusammenhang mit dem Skandal beruft. "Er fürchtet bereits um sein Leben." Rodschenkow sei dabei, "einer der berühmtesten Flüchtlinge auf der Welt zu werden".

Der promovierte Chemiker hatte sich im Januar 2016 nach Los Angeles abgesetzt, weil er sich in Russland nicht mehr sicher fühlte. Neun Jahre, von 2006 bis 2015, leitete Rodschenkow Moskaus Anti-Doping-Labor. Als die Welt-Doping-Agentur WADA im November 2015 Russland vorwarf, mehr als 1400 Proben vernichtet zu haben, musste er seinen Posten als Laborleiter räumen.

Zugleich steuerte er nach eigenem Bekenntnis ein verdecktes Programm zur verbotenen Leistungssteigerung bei russischen Sportlern. Er hatte Vertuschungspraktiken in seinem Labor zusammen mit der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA enthüllt.

Seit 2014 kennen sich Fogel und Rodschenkow, seither stehen sie in Kontakt und haben für "Icarus" zusammengearbeitet. Die Doku habe "das Potenzial, Putin zu erschüttern und neue Schockwellen rund um die Sportwelt zu schicken".

In seiner Jugend war der am 24. Oktober 1958 in Moskau geborene Rodschenkow Leichtathlet. Nach dem Chemiestudium begann er 1985 im Moskauer Anti-Doping-Zentrum zu arbeiten. Er wechselte später zu privaten Computer- und Energiefirmen, kehrte aber 2006 zurück.

Bericht Mail on Sunday

Film "Icarus" auf Sundance Festival