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Nach finanziellen Problemen Koch widerspricht Regionalligisten: Liegt nicht am System

Zahlreiche (Traditions-) Vereine in der Regionalliga haben finanzielle Probleme. Die sind aber hausgemacht, sagt der zuständige DFB-Vize Rainer Koch im dpa-Interview, und liegen nicht an der Ligen-Struktur.

Von Interview: Holger Schmidt, dpa 30.03.2017, 10:45

München (dpa) - Angesichts von mehreren Insolvenzen und Überschuldungen haben Vereine die Struktur der Regionalligen kritisiert. Nun reagiert der im DFB zuständige Vize-Präsident Rainer Koch im dpa-Interview.

Herr Koch, in den Regionalligen haben einige Vereine finanzielle Probleme, Alemannia Aachen hat sogar Insolvenz angemeldet. Viele von ihnen sehen das System der 4. Liga als Grund für ihre Sorgen. Haben sie Recht?

Rainer Koch: Wenn ein Verein finanzielle Probleme hat, liegt es unabhängig von der Liga vorrangig fast immer daran, dass er planmäßig mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Wenn es am System der Regionalliga liegen würde, hätten vor allem die Vereine Probleme, die einen geringen Etat haben. In Wahrheit sind es aber fast immer die Vereine mit dem höchsten Etat. In den Regionalligen Nord, Nordost und Bayern, wo die Etats im Durchschnitt am niedrigsten sind, haben viel weniger Vereine wirtschaftliche Probleme als in der dichter besiedelten Westhälfte Deutschlands, wo die Zuschauerzahlen und damit auch die Budgets naturgemäß höher sind.

Also haben sich die betreffenden Vereine in Ihren Augen schlichtweg übernommen?

Koch: Diese Schlussfolgerung erscheint naheliegend. Alemannia Aachen hat mit den höchsten Zuschauerschnitt aller Regionalligisten. Wenn ich mit mehr als 6500 Zuschauern pro Spiel nicht auskomme, kann es nicht an der Regionalliga als solcher liegen, wenn andererseits viele Vereine mit 1000 Zuschauern im Schnitt auskommen können.

Das Problem der Regionalliga ist aber, dass viele Vereine einfach nur aus ihr rauswollen.

Koch: Richtig, bei manchen Vereinen ist es offenkundig, dass sie nichts mit der Regionalliga zu tun haben wollen. Nur: Genau deshalb können die Wünsche dieser Vereine nicht alleine maßgeblich für den Zuschnitt der Regionalligen sein. Die Regionalliga ist eben auch für viel mehr Vereine die höchste machbare Amateurspielklasse, die Champions League der Amateure. Ihre Wünsche gilt es bei der Gestaltung der Ligastruktur genauso zu respektieren.

Trifft es deshalb vor allem Traditionsvereine?

Koch: Es trifft meist Vereine, die sich als Profi-Vereine sehen, ihre Etats nicht an die Struktur der Regionalliga anpassen und sich dabei wirtschaftlich übernehmen.

Gibt es denn in Ihren Augen ein grundsätzliches Strukturproblem? Vor allem die Tatsache, dass die Regionalliga-Meister nicht automatisch aufsteigen, wird immer wieder kritisiert.

Koch: Auch ich finde das nicht optimal. Das Strukturproblem besteht allerdings darin, dass wir oberhalb der Regionalligen keinen Pyramidenaufbau mehr haben, weil es keine zweigleisige 3. Liga gibt. Hätten wir die, könnten alle Regionalliga-Meister aufsteigen. Aber es gibt sehr gute sportliche und wirtschaftliche Gründe für die eingleisige 3. Liga. Deshalb müssen wir leider bis auf weiteres mit der Relegation für die fünf Regionalliga-Meister und den Südwest-Zweiten leben. Das ist beileibe nicht ideal, aber eine bessere und vor allem mehrheitsfähige Alternative wurde bislang noch von niemandem vorgeschlagen. Eine Rückkehr zur dreigleisigen Regionalliga kommt nicht in Betracht, denn sie wurde abgeschafft, weil viele vor allem kleine und mittlere Vereine pleitegegangen oder vor wirtschaftlich unlösbare Probleme gestellt worden sind. Über das Modell, wie man aus sechs Qualifizierten bestmöglich drei Aufsteiger macht, kann und sollte man hingegen weiter diskutieren.

Also wird das Modell in absehbarer Zukunft nicht verändert?

Koch: Jedenfalls wurde die Regionalliga-Struktur in den letzten Jahren ausführlich diskutiert, ohne dass auf dem letzten DFB-Bundestag auch nur ein einziger Änderungsantrag gestellt worden wäre. Fakt ist: Bis heute ist noch niemand mit einem besseren, umsetzbaren Vorschlag gekommen, der kompromissfähig wäre und Aussicht auf die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit beim DFB-Bundestag hätte.

Es gibt auch Vereine, die daran zweifeln, ob sie den sportlichen Aufstieg von der Oberliga in die Regionalliga vollziehen sollen, weil die vierte Liga in ihren Augen nicht zu finanzieren ist.

Koch: Aber das spricht doch ebenfalls für und nicht gegen das gegenwärtige System! Ich bin froh, wenn Vereine ihre Rahmenbedingungen realistisch einschätzen und für sich entscheiden, welche Liga die richtige für sie ist. Wenn wir auf drei Staffeln zurückgehen würden, hätten noch viel mehr Vereine diese Probleme. Bestimmte Mindeststandards, zum Beispiel bei den Themen Infrastruktur und Sicherheit müssen aber auch in der Regionalliga erfüllt werden, daran können wir nicht rütteln.

Hoffen Sie darauf, dass Beispiele wie das von Aachen oder anderen prominenten Schulden-Klubs als Warnung taugen und ein Umdenken bewirken?

Koch: Ich hoffe sehr, dass alle Vereine ihre Budgets vernünftig, d.h. finanzierbar gestalten und zwar auch für den Fall des Abstiegs oder des Nicht-Aufstiegs. Zwei Insolvenzen in fünf Jahren sind völlig inakzeptabel und Negativwerbung für den Fußball! Die überwiegende Mehrzahl der Vereine kommt in der Regionalliga trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen vernünftig zurecht, das belegen alle Untersuchungen. Es gibt durchaus zahlreiche und immer mehr werdende Vereine, die nur das ausgeben, was sie zur Verfügung haben. Und die eben auch lieber mit dem Risiko leben unter Umständen mal absteigen zu müssen, als sich hoch zu verschulden und dann womöglich doch nicht aufzusteigen oder abzusteigen. So wie das zum Beispiel der SC Freiburg jahrelang in der Bundesliga gehandhabt hat. Wenn dieses Prinzip gewahrt wird, funktioniert das System, das gilt von der Bundesliga bis in die Amateurklassen und eben auch, wie zahlreiche Vereine beweisen, in der Regionalliga.

Ist das Problem vergleichbar mit dem im Doping? Wenn einige anfangen mit dem Wettbieten, glauben andere mitmachen zu müssen, um überhaupt halbwegs mithalten zu können.

Koch: Mit Doping ist nichts vergleichbar, denn Doping zerstört den Sport! Richtig aber ist, dass man nicht um jeden Preis um jeden Spieler mitbieten oder mitpokern darf und den Spielern nicht nur um des angestrebten sportlichen Erfolges willen jedes geforderte Gehalt zahlt. Die vierte Liga ist allenfalls eine Halbprofi-Liga, für nicht wenige Vereine sogar nur die oberste Amateurfußballliga. Und wer sich dort Vollprofitum leistet, kann nicht erwarten, dass ihm das andere finanzieren. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Ist es fair, wenn Vereine wie Aachen auch nach der zweiten Insolvenz immer noch in der Liga bleiben dürfen?

Koch: Es gab vor Jahren auf dem DFB-Bundestag nach ausführlicher Debatte einen Mehrheits-Beschluss, nach dem eine Insolvenz in den drei Bundesligen und der Regionalliga nicht mehr automatisch den Zwangsabstieg nach sich zieht, sondern nur noch den Abzug von neun Punkten. Dieser Beschluss ist bindend.

ZUR PERSON: Rainer Koch (58) ist Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) und als 1. Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für den Amateurfußball und damit auch die Regionalligen zuständig. Von November 2015 bis April 2016 war er zusammen mit Reinhard Rauball kommissarischer DFB-Präsident.