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Bund der Vertriebenen: Wir leiden mit den Flüchtlingen mit

Die Flüchtlinge haben es heute oft schwerer als die Heimatvertriebenen von 1945 - das sagt der Chef ihres Verbands. Wie sehen die Vertriebenen die Flüchtlingskrise?

Von Basil Wegener, dpa 07.09.2015, 07:37

Berlin (dpa) - Bei vielen Heimatvertriebenen lässt das Schicksal der Flüchtlinge heute schlimme Erinnerungen hochkommen. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), der CSU-Abgeordnete Bernd Fabritius, spricht im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur auch von der eigenen Familiengeschichte:

Frage: Welche Empfindungen herrschen bei den Mitglieder des Bundes der Vertriebenen angesichts des aktuellen Flüchtlingsdramas vor?

Antwort: Durch die Situation heute werden viele unserer Mitglieder an das erinnert, was sie selbst erlebt haben. Deshalb gibt es bei uns eine große Empathie gegenüber den Flüchtlingen, ja ein Mitleiden. Wir fordern zu offenen Herzen auf gegenüber den Opfern der heutigen Flucht und Vertreibung. Und es müssen dringend die Ursachen stärker bekämpft werden, so dass Vertreibungen und ethnische Säuberungen nicht länger ein Mittel der Politik sind.

Frage: Wie konkret werden solche Erinnerungen?

Antwort: Ein schreckliches Ereignis wie der Fund der toten Flüchtlinge in einem LKW in Österreich hat auch mich an die eigene Geschichte erinnert. So wurde mein Großvater 1945 nach Russland verschleppt. Am meisten hat er hinterher von der Fahrt in einem vernagelten Viehwaggon bei 30 Grad Kälte erzählt, aus dem unterwegs tote Menschen geworfen wurden.

Frage: Sind die Flüchtlinge heute mit den Vertriebenen von 1945 vergleichbar?

Antwort: Bei den Vertriebenen von damals und heute gibt es durchaus eine Vergleichbarkeit hinsichtlich des persönlichen Trauma-Empfindens. Es gibt Unterschiede, deren Nennung aber keine Wertung enthält. Die Heimatvertriebenen von damals hatten ja zum Teil die gleiche Staatsangehörigkeit und sind von Landsleuten, von Brüdern und Schwestern aufgenommen worden. Heute kommen Fremde mit anderer Sprache und einem anderen Werteempfinden. Das bringt mit sich, dass es für viele viel schwerer ist, sich einzufinden. Was unseren Mitgliedern allerdings wehtut, ist ein Vergleich mit den Wirtschaftsflüchtlingen etwa aus dem Balkan.

Frage: Warum?

Antwort: Es mag aus der Sicht des Einzelnen verständlich sein, eine wirtschaftliche Migrationsentscheidung zu treffen. Aber das hat nichts mit Flucht und Vertreibung zu tun. Wer hier Vergleiche anstellt, relativiert das Unrecht gegenüber denen, die aus Todesangst ihre Heimat verlassen mussten und müssen. Es ist auch nicht in Ordnung, wenn Menschen aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen und dafür Asyl beantragen. Das ist Missbrauch, belastet die Verfahren und geht zu Lasten derer, die wirklich Asyl brauchen.

Frage: Sollten dann mehr Wege zur Zuwanderung für diese Menschen etwa zur Arbeitsaufnahme geschaffen werden?

Antwort: Nein. Wir haben im Aufenthaltsgesetz 41 verschiedene Zugangsmöglichkeiten - etwa Zuwanderung zur Ausbildung oder zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Dies ist ausreichend und erschöpfend. Man kann auch nicht ganze Regionen und Staaten des Westbalkans ausbluten lassen, um hier den Bedarf an Arbeitskräften zu decken.

Frage: Wie hat sich die Arbeit in den Beratungsstellen des BdV durch die immer zahlreicheren Flüchtlinge verändert?

Antwort: Wir haben 2014 etwa 5300 Beratungsfälle gehabt, das waren etwa 7000 Menschen. Die Mehrheit sind Deutsche aus den ehemaligen GUS-Staaten. Aber 40 Prozent kommen aus aktuellen Flucht- und Vertreibungsregionen. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in unseren Beratungsstellen hat sich verdreifacht. Wir haben auch personell aufgestockt.