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Berliner Philharmoniker Rauschender Beifall für Dirigent Kirill Petrenko

Die Erwartungen sind hoch: Erstmals seit seiner Ernennung zum Chef dirigiert Kirill Petrenko die Berliner Philharmoniker - und das Publikum erhebt sich begeistert von den Sitzen.

Von Esteban Engel, dpa 23.03.2017, 10:03

Berlin (dpa) – Noch sind es zwei Jahre, bis Kirill Petrenko offiziell an die Spitze der Berliner Philharmoniker rückt. Doch schon am Mittwochabend ließ der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Philharmonie hören, was das Orchester und sein Publikum in der Zeit nach Simon Rattle erwarten können.

Mit einem Spaziergang durch die Musikepochen brachte der designierte Chefdirigent so etwas wie sein Gesellenstück mit, das ahnen lässt, wohin die Reise ab 2019 geht.

Dabei war Petrenko nicht die erste Wahl für diesen Spitzenposten im europäischen Musikbetrieb. Erst im zweiten Durchgang hatte sich das selbstverwaltete Orchester vor knapp zwei Jahren auf den in Österreich aufgewachsenen Mann aus dem sibirischen Omsk geeinigt. Damals hatten die Philharmoniker nur drei Mal mit ihm gespielt. Jetzt wird allmählich klar, was die 128 Musiker an Petrenko so sehr schätzen und warum sie ihm gegenüber etwa Christian Thielemann oder Andris Nelsons den Vorzug gaben.

Denn schon mit den ersten Akkorden von Mozarts Haffner-Sinfonie reißt Petrenko das Ruder an sich. Wo sich andere Dirigenten Mozarts Musik eher spielerisch nähern, packt der 45-Jährige gleich zu. Ein Energiebündel steht da am Pult – Petrenko holt weit aus, bückt sich zu den Streichern, lässt auch mal demonstrativ die Arme hängen. Dem freien Spiel der Kräfte ist hier aber nichts überlassen – wer Petrenko bucht, das wird jetzt schon deutlich, wird Petrenko bekommen. "Endlich können wir wieder richtig Musik machen", hieß es nach dem Konzert aus dem Orchester.

Auch in John Adams‘ "The Wound Dresser" nach einem Gedicht von Walt Whitman für Bariton (Georg Nigl) und Orchester bleibt sich Petrenko treu. Das Stück liegt ihm nicht unbedingt, doch auch bei diesem 20 Minuten langen Sprechgesang über die Verheerungen des Krieges verlangt Petrenko alles. Wie bei Mozart und später dann in Peter Tschaikowskys Sinfonie "Pathétique" kann er auch hier den Operndirigenten nicht verstecken, der meint, alle Fäden in der Hand halten zu müssen. Ob das dem von starken Solisten mitgeprägten Orchester stets passen wird, könnte zu den spannenden Fragen der Ära Petrenko werden.

Nach dem verklärten Claudio Abbado und dem aufgeklärten Sir Simon kündigt sich ein akribischer Notenarbeiter an, ein Besessener, der seine Musiker immer wieder auf die Probe stellt. Noch beschnuppern sich Musiker und Maestro. Nicht nur Petrenko musste am Mittwoch liefern. Auch den Philharmonikern, die sich auch immer wieder bestätigen müssen, die Nummer eins zu sein, war die Anspannung anzusehen.

So bläst es zum Höhepunkt des Abends mit Tschaikowskys "Pathétique" den Zuhörern ordentlich um die Ohren. Das anschwellende Fagott-Spiel im ersten Satz kündigt den Sturm an – manch einer Dame in den ersten Reihen dürfte das – bildlich gesprochen - die Frisur durcheinander gewirbelt haben.

Petrenko entfesselt einen Orkan, er schwebt dabei manchmal selbst über dem Boden. Nach einem unpassenden Bravo-Ruf am Ende des dritten Satzes, sackt Petrenko förmlich in sich zusammen, hält inne für den Endspurt. Fast schüchtern nimmt er schließlich den brausenden Applaus und die Ovationen an. Und verschwindet bald wieder hinter der Bühne.

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