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Hintergrund Die schwierigen deutsch-türkischen Beziehungen

28.02.2017, 13:23

Istanbul/Berlin (dpa) - Offiziell sind Deutschland und die Türkei Partner, doch an Problemen zwischen Berlin und Ankara mangelt es nicht. Neuester Tiefpunkt in den Beziehungen: Die Verhaftung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel. Weitere Konfliktpunkte: 

ARMENIEN-RESOLUTION: Im Juni 2016 beschließt der Bundestag eine Resolution, die die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als "Völkermord" einstuft. Ankara zieht den Botschafter aus Berlin ab. Mit der Erklärung, die Resolution sei für sie nicht rechtsverbindlich, entschärft die Bundesregierung den Streit.

LUFTWAFFENBASIS: Nach dem Bundestagsbeschluss untersagen die türkischen Behörden einem Parlamentarischen Staatssekretär und mehreren Bundestagsabgeordneten den Besuch der Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik. Dann gibt die Türkei doch noch grünes Licht.

MILITÄRPUTSCH: Die Türkei ist lange verärgert darüber, dass sich nach dem gescheiterten Putsch von Teilen des Militärs Mitte 2016 zunächst keine Mitglieder der Bundesregierung blicken lassen. Als erster reist im Oktober 2016 Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nach Ankara, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im November.

BÖHMERMANN-AFFÄRE: Ende März 2016 trägt der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann auf ZDFneo eine umstrittene "Schmähkritik" an Präsident Recep Tayyip Erdogan vor. Der klagt, um das Gedicht komplett verbieten zu lassen und erzielt einen Teilerfolg vor dem Hamburger Landgericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

FLÜCHTLINGSPAKT: Ankara droht immer wieder damit, die Kooperation mit der EU in der Flüchtlingskrise aufzukündigen. Grund ist unter anderem die Forderung, die Türkei müsse Anti-Terror-Gesetze reformieren, um politischen Missbrauch zu verhindern. Im November 2016 fordert das EU-Parlament, die Beitrittsgespräche mit Ankara einzufrieren. Die EU erklärt bald darauf, die Gespräche würden vorerst nicht ausgeweitet.

IMMUNITÄT: Auf Betreiben Erdogans beschließt das türkische Parlament im Mai 2016, vielen Abgeordneten die Immunität zu entziehen. Betroffen ist vor allem die pro-kurdische HDP, der Erdogan Terrorvorwürfe macht. Die Festnahme wichtiger Oppositionspolitiker stößt in Berlin und Brüssel auf heftige Kritik.

VERFASSUNGSREFORM: Die Regierungspartei AKP treibt die Einführung eines Präsidialsystems gegen den Widerstand der Opposition voran. Es würde Erdogan mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Am 16. April 2017 ist eine Volksabstimmung geplant. Käme eine Mehrheit zustande, würde das parlamentarische System durch ein Präsidialsystem abgelöst. Kritiker befürchten ein Ende der Demokratie in der Türkei.

WAHLKAMPFAUFTRITTE: Bei einem umstrittenen Auftritt in Oberhausen wirbt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim im Februar 2017 vor in Deutschland lebenden Landsleuten für die Reform. Deutsche Politiker kritisieren den Auftritt. Zugleich wächst der Widerstand gegen einen möglichen Wahlkampfauftritt Erdogans in Deutschland.

PRESSEFREIHEIT: Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 151 von 180 Staaten - denn kritische Medien werden eingeschüchtert und auf Regierungskurs gezwungen. Dutzende türkische Journalisten sitzen in Haft, die Schließung von Medien machte Tausende arbeitslos. Auch der Druck auf ausländische Journalisten nimmt zu.