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Hintergrund Parteiverbot zwischen Karlsruhe und Straßburg

17.01.2017, 06:55

Straßburg/Karlsruhe (dpa) - Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Parteiverboten ist sehr viel jünger als die des Bundesverfassungsgerichts.

Das letzte Urteil aus Karlsruhe ist von 1956. Straßburg überprüfte dagegen Ende der 1990er Jahre einige türkische Verbote und konnte so eine gefestigte Rechtsprechung entwickeln.

Für das Verbot einer Partei muss es danach einen zwingenden Grund sowie ein dringendes Bedürfnis geben. Die Straßburger Richter fordern Hinweise dafür, dass durch die Partei ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf die Demokratie droht. Eine abstrakte Gefahr unabhängig vom tatsächlichen Einfluss der Partei reicht nicht aus.

"Ein Verbot ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn eine Partei versucht, gewaltsam die Freiheit zu zerstören, auf die sie sich selbst beruft", erklärt Menschenrechts-Expertin Katharina Pabel. "Wenn eine Partei grundlegende Änderungen anstrebt, diese aber mit demokratischen Mitteln durchsetzen will, dann ist das ein Grenzfall."

Pabel erwartet, dass das Karlsruhe die Straßburger Linie beim NPD-Urteil berücksichtigen wird. "Wenn die innerstaatlichen Instanzen das Verbot sorgfältig prüfen, wird Straßburg nichts dagegen sagen."

In einem Punkt steht die deutsche Rechtslage allerdings klar im Widerspruch zu Straßburg: beim automatischen Mandatsverlust, der Abgeordneten und Gemeinderäten nach einem Verbot droht. Der Menschenrechtsgerichtshof verlangt nämlich eine individuelle Prüfung.

Relevant würde das für den EU-Abgeordneten Udo Voigt und einige Hundert Gemeinderäte. Theoretisch könnten sie dann in Straßburg beantragen, dass sie ihre Mandate vorläufig nicht verlieren bis über eine Beschwerde gegen ein Verbot der NPD entschieden ist. "Solche einstweiligen Maßnahmen gewährt der Menschenrechtsgerichtshof aber eher nur, wenn es um Leben und Gesundheit geht", sagt Pabel.