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Kleines Land, große Wirkung? Superwahljahr-Signale von der Saar

Die Premiere von Martin Schulz als SPD-Zugpferd geht daneben. Eine jüngere Kopie der Kanzlerin macht der Union Mut. Zwar bleibt im Saarland alles beim Alten, doch die Spannung im Superwahljahr steigt.

Von Werner Herpell, dpa 27.03.2017, 14:42
Die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel (r) und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: Kay Nietfeld
Die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel (r) und Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: Kay Nietfeld dpa

Berlin (dpa) - Das hatte sich die SPD ganz anders vorgestellt. Neue Machtoptionen an der Saar sollten ihren Umfragekönig Martin Schulz weiter beflügeln. Doch schon beim ersten Schritt gerät der Kandidat ins Stolpern.

Kanzlerin Angela Merkel dagegen erlebt nach bitteren CDU-Schlappen einen "ermutigenden Tag". Ihr Credo - "ordentliche Regierungsarbeit leisten und dann zu dieser Regierungsarbeit auch stehen" - hat sich für Merkels Vertraute im Saarland ausgezahlt. Welche Signale sendet die Wahl im kleinsten deutschen Flächenland?

Amtsbonus wirkt wie Pattex

Davon profitierte im Saarland Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Auch Merkel wird für den 24. September darauf hoffen, Schulz muss das Phänomen fürchten. Wer den Wählern als Regierungschef entgegentritt und nicht allzu viel falsch gemacht hat, kann auf eine Bestätigung im Amt setzen. Das war zuletzt so bei den Sozialdemokraten Michael Müller (Berlin), Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern), Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz), Olaf Scholz (Hamburg), Jens Böhrnsen (Bremen) und Dietmar Woidke (Brandenburg). Aber auch bei Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Stanislaw Tillich (Sachsen) von der CDU, sogar bei Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) von den Grünen.

Die SPD kann noch verlieren - auch mit neuem Hoffnungsträger

Alles andere war womöglich nur Autosuggestion nach zwei Monaten Schulz-Hype. Die SPD hat seit 2014 zwar in den Ländern manche Ministerpräsidentenposten gehalten - aber oft mit hohen Verlusten. In Berlin (minus 6,7 Punkte), Mecklenburg-Vorpommern (- 5), Hamburg (- 2,7), Bremen (- 5,8) und Brandenburg (- 1,1) ging's abwärts. In Rheinland-Pfalz gewannen die Sozialdemokraten gegen den Trend leicht hinzu. In Baden-Württemberg (minus 10,4 Punkte), Sachsen-Anhalt (- 10,8) und Thüringen (- 6,1) waren die jüngsten Ergebnisse als Juniorpartner in Landesregierungen sogar katastrophal. Jetzt, beim Schulz-Debüt, büßte die Saar-SPD einen Prozentpunkt ein.

Die CDU kann noch gewinnen - trotz vermeintlichem "Merkel-Malus"

Und sie kann nicht nur mit Ach und Krach eine Landesregierung halten wie voriges Jahr in Sachsen-Anhalt, sondern so richtig siegen, mit sattem Plus. An der Saar legte die unaufgeregte Merkel-Kopie Kramp-Karrenbauer um 5,5 Punkte zu. Bei allen Wahlen 2016 hatte die CDU noch Riesenprobleme - auch wegen Merkels Flüchtlingspolitik: In Berlin (minus 5,7 Punkte), Mecklenburg-Vorpommern (- 4), Sachsen-Anhalt (- 2,7), Rheinland-Pfalz (- 3,4) und Baden-Württemberg (- 12) zeigte sich ein "Rutschbahneffekt nach unten", wie CSU-Chef und Merkel-Widersacher Horst Seehofer anmerkte.

Unions-Aufsteigerin " AKK " - eine Frau für größere Aufgaben?

Den langen Namen muss man sich merken. Kramp-Karrenbauer rückt als populäre CDU-Politikerin ins Blickfeld - als eine, die Wahlen gewinnen kann. Nicht zum ersten Mal taucht "AKK" in Gedankenspielen zur Nachfolge der Langzeitkanzlerin auf. Merkel hat ein Motto ausgegeben, das für Kramp-Karrenbauer gilt, aber auch für sie selbst: "Am Berg wechselt man die Pferde nicht." Dass sich beide mit ihrem Mitte-Kurs gut verstehen, ist schon länger bekannt. Am Montag lobte Merkel die "tolle Ministerpräsidentin" - um schnell hinzuzufügen: "Und ich bin jetzt die Kandidatin für diesen Wahlkampf."

Nächste Ausfahrt: Kiel

In Schleswig-Holstein wollen SPD, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) ihre Koalition fortsetzen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Nach der jüngsten Umfrage von Infratest dimap käme das Bündnis zurzeit auf 50 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zum Dezember legte die SPD seit der Schulz-Nominierung um sieben Punkte zu, während die CDU ebenso viel verlor. SPD-Regierungschef Torsten Albig hat auch eine Koalition mit der Linken nach dem 7. Mai nicht ausgeschlossen. Im Saarland ging das bekanntlich daneben.

Generalprobe für den Bund an Rhein und Ruhr

Höchstspannung vor der Bundestagswahl verspricht Nordrhein-Westfalen am 14. Mai. Im bevölkerungsreichsten Bundesland steht für die SPD eine Schicksalswahl an. 2005 war die Niederlage der Sozialdemokraten in ihrem Stammland Auslöser für das Vorziehen der Bundestagswahl. In Umfragen haben derzeit weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb Mehrheiten - eine schwierige Ausgangslage für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und auch für ihren Herausforderer Armin Laschet (CDU). Hier, in einem echten Heimspiel, muss der Rheinländer Schulz unbedingt liefern, um den SPD-Wahlkampfmotor nicht schon im Mai abzuwürgen.

Meinungsforscher - ziemlich daneben

Bei der Demoskopie ist noch Luft nach oben. Den klaren CDU-Sieg im Saarland hatte keiner auf dem Schirm, auch das mäßige Abschneiden der SPD nicht. Zwischen 35 und 37 Prozent trauten die Institute der Union zu (vorläufiges amtliches Endergebnis: 40,7). Anke Rehlingers SPD wurde kurz vor der Wahl bei 32 bis 34 Prozent gesehen (29,6). Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann-Stiftung: "Umfragen tun sich immer relativ schwer, Nichtwähler zu erfassen. Menschen, die sich nicht mehr an Wahlen beteiligt haben, beteiligen sich in der Regel auch nicht an Umfragen."

Höhere Wahlbeteiligung hilft diesmal nicht den Rechten

Im Saarland wurden viele Nichtwähler mobilisiert, die Wahlbeteiligung stieg um rund zehn Prozentpunkte auf fast 70 Prozent. Zugute kam das vor allem der CDU, weniger stark der SPD. "Das ist jetzt eine neue Entwicklung", sagt Experte Vehrkamp. "In den Landtagswahlen des letzten Jahres ist die Nichtwähler-Mobilisierung meistens zugunsten der Rechtspopulisten der AfD ausgefallen." Viele Mitte-Wähler seien derzeit "beunruhigt durch die guten Ergebnisse der populistischen Parteien an den Rändern".