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Fahndungserfolg in Sachsen Vom Pegida-Redner zum mutmaßlichen Bombenleger

Sächsische Sicherheitsbehörden feiern die Festnahme des mutmaßlichen Bombenlegers von Dresden als Erfolg. Der Fall zeigt aber auch eine explosive Mischung aus Fremdenhass und Gewaltbereitschaft im Land.

Von Martin Fischer und Sebastian Kahnert, dpa 09.12.2016, 16:08

Dresden (dpa) - Zweieinhalb Monate nach den Sprengstoffanschlägen von Dresden, Pegida-Krawallen bei der Einheitsfeier und Pannen im Terrorfall Al-Bakr herrscht Aufatmen in Sachsen.

Mit der Festnahme des Mannes, der nach Überzeugung der Ermittler Ende September die Sprengsätze vor einer Moschee und am Kongresszentrum in Dresden zündete, haben die in jüngster Zeit so gescholtenen Sicherheitsbehörden einen Fahndungserfolg zu verbuchen.

"Damit ist erneut deutlich geworden, dass solche Straftaten in Sachsen nicht unbestraft bleiben", sagt Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Ein Auftritt des mutmaßlichen Bombenlegers als Redner beim islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bündnis wirft indes Fragen auf.

Die Beweise wiegen schwer: Laut Generalstaatsanwaltschaft stimmt die DNA des 30-Jährigen mit der von der Spurensicherung überein. Bei Durchsuchungen seien zudem Gegenstände sichergestellt worden, mit denen sich Brand- und Sprengsätze herstellen ließen.

In Hessen auf Montage festgenommen, sitzt der Tatverdächtige nun in Dresden in Untersuchungshaft. Verantworten soll er sich wegen des "Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen". Auch eine kurz vor den Einheitsfeiern gefundene Bombenattrappe soll er abgelegt haben. "Wir gehen davon aus, dass er allein gehandelt hat", sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein. Hinweise auf Helfer oder eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe gebe es nicht.

Ganz losgelöst von der auch in Umfragen belegten besonders fremdenfeindlichen Stimmung in Sachsen will die Extremismusexpertin der Linksfraktion, Kerstin Köditz, den Fall nicht sehen. Er zeige, "wie wenig Substanz die vom sächsischen Verfassungsschutz eigens zur Verhätschelung Pegidas eingeführte Unterscheidung von "asylkritischem" und "asylfeindlichem" Protest hat". Die Übergänge zum Rassismus seien fließend, sagt Köditz. "Die Radikalisierung von rechts führte im vorliegenden Fall - nicht zum ersten Mal in Sachsen - offenbar zum Rechtsterrorismus."

Köditz bezieht sich auf eine Rede des Beschuldigten bei Pegida im Juli vergangenen Jahres. Ein Mitschnitt davon ist im Internet zu finden. Er "gehöre laut "Spiegel" zum harten Kern der Pegida", sagt der damals 28-Jährige darin sichtlich stolz vor den rund 2500 vor ihm versammelten Menschen auf dem Dresdner Altmarkt. In einem von ihm verlesenen Brief wendet er sich direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Sie lassen kriminelle Ausländer Drogen verkaufen. Sie lassen faule Afrikaner, anstatt ihre Länder aufzubauen, unsere Sozialkassen plündern", poltert er.

Der Islam sei die "größte Massenvernichtungswaffe", fährt er fort. Und schon damals droht er mit Gewalt: "Wenn Sie wollen, dass es in Deutschland und in Europa zum Bürgerkrieg kommt, dann machen Sie nur so weiter. Aber dann Gnade Ihnen Gott, denn von uns werden Sie keine Gnade erhalten."

Pegida-Chef Lutz Bachmann geht am Freitag schnell auf Distanz zu seinem Redner von damals. "Wenn er es war, dann bitte einsperren und Schlüssel wegwerfen", schreibt er bei Facebook - aber nicht, ohne die Tat gleich noch zu relativieren: "Egal ob da nur etwas Ruß an die Wand geschmiert wurde oder ein Böller gezündet!"

In der Fatih Camii-Moschee im Stadtteil Cotta bereitet sich Imam Hamza Turan auf das Freitagsgebet vor, als die Reporter ihn umlagern und wissen wollen, was er von der Festnahme hält. Glücklich sei er, lässt er von einem per Handy zugeschalteten Dolmetscher aus dem Türkischen übersetzen.

Viel mehr will Turan aber nicht sagen, auch keine Fotos von sich machen lassen. Zu viele Anfeindungen habe er erleben müssen, als er sich öffentlich zeigte, nachdem Ende September der Sprengsatz vor der Tür explodiert war, hinter der er mit seiner Frau und den beiden Söhnen lebt. Und nicht nur gegen ihn: Auch sein Sohn werde deshalb in der Schule gemobbt.