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Lichtblick und Debakel Was der Wahlsonntag für die EU bedeutet

Präsidentschaftswahl in Österreich und Verfassungsreferendum in Italien: Europa blickte gespannt auf die Ergebnisse aus Wien und Rom. Und was bedeutet das nun? Wichtige Fragen und Antworten.

Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa 05.12.2016, 13:05

Brüssel (dpa) - Die Erleichterung über den Wahlsieg des EU-Freunds Alexander Van der Bellen in Österreich währte kurz. Schon am Montag war ob des politischen Bebens in Italien die Stimmung in Brüssel wieder trübe.

Mit dem Rückzug von Ministerpräsident Matteo Renzi verliert die EU einen vertrauten Partner - und seine Schlappe beim Verfassungsreferendum zeigt die Stärke der EU-kritischen Opposition. Nun droht vor allem Ungewissheit. Und 2017 muss die EU weitere Nackenschläge fürchten.

Was bedeuten die Ergebnisse in Österreich und Italien für die EU?

Der Wahlsieg Van der Bellens über den Rechtspopulisten Norbert Hofer in Österreich ist für EU-Politiker ein Hoffnungsschimmer. Nach dem Brexit-Votum vom Juni und der Wahl des US-Milliardärs Donald Trump im November ist nun zumindest klar, dass Populismus und Nationalismus nicht überall Selbstläufer sind. Daran klammert man sich in Brüssel. Die Österreicher "haben gezeigt, dass die extreme Rechte nicht unwiderstehlich ist", sagte zum Beispiel EU-Kommissar Pierre Moscovoci. Das gelte auch für andere Länder. Die Bedeutung des Italien-Votums redete die EU-Kommission hingegen klein. "Das Referendum in Italien drehte sich um eine Änderung der italienischen Verfassung, nicht um Europa", kommentierte Kommissionssprecher Margaritis Schinas.

Also alles halb so schlimm?

Das muss sich erst erweisen. Italien ist schwerer zu deuten, denn Renzis Gegner bei der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega Nord sind nicht über einen Kamm zu scheren. Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei vor allem um Innenpolitik gegangen. "Ich sehe keine Niederlage für Europa." Doch mobilisierte eben auch die Skepsis gegen Brüssel und gegen den Euro die Italiener, die zu den Urnen strömten. Und die abwiegelnden Erklärungen aus Brüssel klangen eher nach Pfeifen im Walde.

Warum herrscht Sorge?

Italien ist sehr hoch verschuldet und seine Banken sitzen auf Bergen fauler Kredite - beides sind Risiken für die Eurozone, auch wenn große Turbulenzen an den Finanzmärkten am Montag ausblieben. Politisch könnte eine Neuwahl die Europaskeptiker in Entscheidungspositionen bringen. Ernst würde es, wenn der Populist Beppe Grillo wie angekündigt den Austritt aus dem Euro vorantriebe. Italien hat als EU-Gründerstaat besondere Bedeutung - als "Architekt, Inspirator, als Handwerker Europas", wie es EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kürzlich formulierte. Und 2017 könnten neue Turbulenzen in zwei weiteren Gründerstaaten auftreten: In Frankreich will die EU-Gegnerin Marine Le Pen Präsidentin werden, in den Niederlanden will der EU-Gegner Geert Wilders an die Macht. Le Pen bejubelte denn auch das italienische Ergebnis mit einem getwitterten "Bravo".

Warum können EU-Kritiker punkten?

Die EU ist ein leichtes Opfer, denn sie wirkt angeschlagen. In der Migrationskrise zeigt sie sich zerstritten über Aufnahme und Verteilung der Asylsuchenden - übrigens zu Lasten von Italien, wo Zehntausende anlanden. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik findet sie kein Wohlstandsrezept für alle und keine Antwort auf die Frage: Wie viel sparen ist vernünftig? In Deutschland liegt die Arbeitslosigkeit laut Eurostat bei 4,1 Prozent - in Italien sind es 11,6 Prozent, in Spanien 19,2, in Griechenland 23,4. Das Gefälle könnte auf Dauer das europäische Haus ins Rutschen bringen. Der SPD-Europapolitiker Udo Bullmann wertete das Nein in Italien denn auch als "letzten Weckruf", Europas soziale Probleme zu lösen.

Wie kann die EU das Problem angehen?

Es ist schwierig. Nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt hat das große Nachdenken begonnen. Die EU-Spitzen predigen nun lautstark Bürgernähe, positive Botschaften, Transparenz - und dringen doch kaum durch. Die sogenannte Bratislava Roadmap soll bis März eine Antwort liefern, wie es mit der EU weiter geht. Dann steht das 60. Jubiläum der Römischen Verträge an. Und eine Feier in Rom.

Juncker in "La Stampa" (italienisch)

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