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Ein Monat als Präsident Wie die Mauer des Widerstands gegen Donald Trump wächst

Einen Monat ist Donald Trump im Amt. Die Wut über den Präsidenten gibt der Linken neuen Auftrieb. Eine breite Protestbewegung wächst heran.

Von Maren Hennemuth und Michael Donhauser, dpa 20.02.2017, 08:13

Washington (dpa) - Es sollte eine Routineveranstaltung werden, eine Fragerunde in der Heimat in Utah, weit weg vom Trubel in Washington. Aber als der Abgeordnete Jason Chaffetz die Bühne betrat, buhte das Publikum.

Die Menge "grillte" den Republikaner, er musste über 75 Minuten lang Rede und Antwort stehen. Wie er zu Flüchtlingen stehe, zu Donald Trumps Interessenkonflikten, wollten die Menschen von ihm wissen. Wenn ihnen nicht gefiel, was Chaffetz sagte, protestierten sie lautstark.

Es sind Szenen, die sich in dieser Woche im ganzen Land wiederholen könnten. Der Kongress hat Pause. Die Abgeordneten nutzen diese Zeit oft für einen Abstecher in ihre Wahlbezirke, wo sie sich dem Dialog mit den Bürgern widmen. Aktivisten wollen die Gunst der Stunde nutzen: Sie fordern die Menschen dazu auf, zu den Veranstaltungen zu gehen und ihren Unmut über Donald Trumps Politik kundzutun.

Einen Monat ist der Präsident an diesem Montag im Amt. Seine chaotische Regierungsführung, sein aggressiver Stil sind ohne Beispiel in der amerikanische Geschichte. Die kollektive Wut, die er entfacht hat, ist es ebenso.

Eine neue Widerstandsbewegung wächst heran. Sie wird befeuert von der emsigen Härte, die Trump und sein innerster Zirkel an den Tag legen; dem Gefühl, das Land stünde vor einer ernsthaften Bedrohung. Plötzlich geht es wieder um etwas.

"Die Menschen sind über viele Dinge wütend", sagt Michael Heaney, der an der Universität Michigan Politikwissenschaft lehrt. "Trump versucht, Dinge sehr schnell zu ändern. Und er ist komplett unqualifiziert für das Amt. Wir sehen im Moment, wie sich die Wut darüber langsam organisiert."

In Washington, New York, Boston und vielen anderen Städten vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo demonstriert wird. Am Wochenende waren es Wissenschaftler und Umweltaktivisten. Es sind nicht mehr so große Menschenmassen wie am Samstag nach Trumps Amtseinführung. Aber der Protest ist stetig - und seine Anhänger können sich erste Erfolge auf die Fahnen schreiben.

Als Trump sein Einreiseverbot erließ und die Grenzbeamten an den Flughäfen Menschen festhielten, traten die Taxifahrer am New Yorker John-F.-Kennedy-Airport in einen Streik. Anwälte gingen in die Terminals, um den Menschen in den Transitbereichen zu helfen. Tausende Demonstranten folgten. Im ganzen Land gab es ähnliche Bilder. Wenige Stunden später entschied ein Gericht, dass die Festgehaltenen einreisen dürfen. "Das war ganz eindeutig eine erfolgreiche Art des Widerstands", meint Heaney.

Das Interesse an der Politik scheint so groß wie schon lange nicht mehr. Mehr als Hunderttausend Menschen hörten per Livestream zu, als ein Berufungsgericht Vertreter der Regierung zu dem Einreiseverbot befragte. Mitarbeiter von Kongressabgeordneten erzählen, wie die Telefone in ihren Büros über Tage nicht still standen. Weil die Menschen Druck machen wollen auf ihre Senatoren.

All das tut gut und beruhigt das Gewissen aufrechter Demokraten. Doch es fehlt eine funktionierende parlamentarische Opposition. Im Senat scheint sich das Arsenal von Oppositionsführer Chuck Schumer in einer Verzögerungstaktik zu erschöpfen. Trumps Kabinett ist dank der Blockade der Demokraten noch immer nicht komplett. 

Doch in ein paar Wochen ist das vorbei. Im Repräsentantenhaus hat die fast 77 Jahre alte Nancy Pelosi die Chance verpasst, jemand Jüngerem den Vortritt zu lassen. Sie steht für die Ära Clinton - und die ist beendet. Die Demokraten haben mit Hillary Clinton nicht nur die Präsidentschaft verloren, sondern auch eine große Zahl von Abgeordneten in den 50 Staaten und auf regionaler Ebene. Dass sich bei den Parlamentswahlen 2018 etwas zugunsten der Demokraten verschiebt, ist unwahrscheinlich - die Landkarte der Wahlen sieht nicht gut aus für die Opposition. 

Ex-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders und seine Senatoren-Kollegin Elizabeth Warren gehören zu den Ikonen. Doch die Meinungsforscher warnen. Trump würde derzeit zwar gegen jeden beliebigen Demokraten verlieren, wäre morgen Präsidentschaftswahl. Nicht aber gegen Warren. 

Unterlegene Demokraten bleiben nicht tatenlos. Jason Kander, einst Staatssekretär von Missouri, rief eine Initiative ins Leben, um gegen die Unterdrückung von Wählern zu kämpfen. Jon Favreau und Jon Lovett, beide einst Redenschreiber von Barack Obama, gründeten ein Medienunternehmen mit dem Namen "Crooked Media". Ihr Podcast "Pod-Save-America" hat schon jetzt etliche Hörer.

Schon ist davon die Rede, dass mit der neuen Protestbewegung ein linkes Pendant zur Tea Party entsteht. Diese ultrakonservative Bewegung hatte ihre Geburtsstunde unter Barack Obama.  

Die Parallelen liegen auf der Hand. Eine "Graswurzelbewegung", die ganz maßgeblich von Angst angetrieben wird. Menschen, die aktiv werden, weil sie ihre Art zu leben bedroht sehen. Damals hatten die Konservativen Angst, dass Obama zu stark in die Bürgerrechte eingreift. Heute haben Liberale die Furcht, Trump könnte die Verfassung aushebeln und antidemokratische Szenarien einführen.

Aber der Vergleich mit der Tea Party hinke auch, sagt Laurel Weldon, Politikwissenschaftlerin an der Purdue Universität in Indiana. "Diese Proteste sind viel größer als die der Tea Party, sie gehen viel weiter. Trump mobilisiert Menschen aus ganz verschiedenen Kreisen."