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Zweite Amtszeit Polnische Blockade gegen EU-Beschlüsse nach Tusks Wiederwahl

Eigentlich braucht die Europäische Union nichts weniger als Streit. Aber die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Tusk gerät zum Showdown mit Warschau. Am Ende eines langen Gipfeltags herrscht Bitterkeit.

09.03.2017, 20:44

Brüssel (dpa) - Eklat beim EU-Gipfel: Gegen den erbitterten Widerstand Polens haben die übrigen Mitgliedstaaten EU-Ratspräsident Donald Tusk im Amt bestätigt und damit ein Veto der Regierung in Warschau gegen geplante Beschlüsse geerntet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte das Verhalten Polens. "Konsenssuche darf nicht zur Blockade genutzt werden", sagte sie am Abend in Brüssel.

Polens nationalkonservative Regierungspartei PiS hatte sich strikt gegen die Wiederwahl von Donald Tusk gewandt, der selbst einmal polnischer Ministerpräsident war, aber aus dem gegnerischen politischen Lager stammt. Trotzdem bestätigten die übrigen 27 Länder den seit 2014 amtierenden Tusk. Einzig Polen stimmte gegen ihn. An der Wiederwahl änderte dies nichts.

Aus Empörung kündigte Ministerpräsidentin Beata Szydlo abends an, die Abschlusserklärung des Gipfels nicht mitzutragen. Szydlo sprach von einem sehr traurigen Tag und einem äußerst gefährlichen Präzedenzfall. Vieles in der EU entwickele sich in die falsche Richtung und müsse sich ändern. Die Flüchtlingskrise, wirtschaftliche Probleme oder der Brexit seien nicht von ungefähr gekommen. Brüsseler Politiker hörten nicht mehr auf EU-Staaten und ihre Bürger. Trotz allem will Szydlo auch am Freitag am Gipfel teilnehmen.

Auch von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kam scharfe Kritik: "Es ist sehr schlecht, dass ein Politiker gewählt wurde, der gegen jegliche Regeln verstoßen hat, die bisher in der Europäischen Union galten - vor allem das Prinzip der Neutralität", sagte er in Warschau.

Merkel und andere EU-Staats- und Regierungschefs mühten sich um ein Entschärfen des Streits. Maltas Regierungschef Joseph Muscat sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Polen: "Wir müssen sie zurückholen, auch politisch." Tusk selbst versicherte, er werde sich für alle 28 Mitgliedstaaten einsetzen, also auch für Polen. Und er werde alles tun, damit sein Heimatland nicht weiter in die politische Isolation gerate.

Merkel betonte, die EU-Verträge sähen ausdrücklich die Möglichkeit einer qualifizierten Mehrheit vor. Konsenssuche sei zwar wichtig, Einstimmigkeit aber nicht zwingend erforderlich.

Nach dem angekündigten Veto Polens gegen die Gipfelerklärung blieb noch die Option einer informellen Erklärung der Ratspräsidentschaft. Auf die Wiederwahl Tusks hatte die polnische Blockade keine Auswirkungen. Politisch ist sie jedoch heikel. Denn die EU wollte angesichts ihrer vielen Krisen gerade jetzt Geschlossenheit demonstrieren.

In der Schlusserklärung wollten sich eigentlich alle Mitgliedstaaten gemeinsam zu weiteren Strukturreformen, Investitionen und zum Freihandel bekennen. Denn das eigentliche Topthema des Frühjahrsgipfels ist traditionell die Konjunktur - diesmal unter positiven Vorzeichen eines leichten Aufschwungs und sinkender Arbeitslosenzahlen.

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, war zum Gipfel geladen, um die Staats- und Regierungschefs zu unterrichten. Zuvor hatte die EZB entschieden, ihre Politik des extrem billigen Geldes beizubehalten.

Auch Merkel hob als wichtiges Thema den Ausbau des Freihandels hervor. Ein entsprechendes Abkommen mit Japan sei weit vorangekommen, auch mit China gebe es in Handelsfragen Fortschritte, sagte sie. Wichtige Themen seien auch die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sowie eine gemeinsame Analyse der Lage auf dem Westbalkan. Zuvor hatte Merkel in einer Regierungserklärung bereits mehr Anstrengungen angemahnt, um Fluchtbewegungen nach Europa einzudämmen.

Der Brüsseler Gipfel endet an diesem Freitag mit einer Debatte über die Zukunft der EU ohne Großbritannien. Die 27 verbleibenden Länder wollen sich auf Eckpunkte einer Erklärung zur Feier des 60. Jahrestags der Römischen Verträge am 25. März einigen.

Themen des EU-Gipfels: Konjunktur, Verteidigung, Migration

Donald Tusk: ein Pole für Europa