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Rot-Schwarz in Berlin abgewählt

Die Hauptstadt kann nur noch von einem Bündnis aus drei Parteien regiert werden. Rot-Schwarz ist am Ende, das schlechte Abschneiden beider Parteien alarmiert viele. Die Sozialdemokraten bleiben dennoch im Roten Rathaus.

Von Jutta Schütz und Stefan Kruse, dpa 18.09.2016, 21:02

Berlin (dpa) - Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin haben die bisherigen Regierungspartner SPD und CDU historisch schlecht abgeschnitten und können ihre Koalition nicht fortsetzen. Beide früheren Volksparteien kamen auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis und verloren zusammen knapp zwölf Prozentpunkte. Die SPD kann aber weiter regieren. Dafür muss sie sich zwei Partner suchen - Zweierbündnisse haben in der Hauptstadt keine Mehrheit mehr.

Linke und Grüne lagen nach den Hochrechnungen zuletzt fast gleichauf: Die Linken legten kräftig zu, die Grünen blieben unter ihrem Rekordergebnis von 2011. Beide Parteien stehen für ein Bündnis mit der SPD bereit. Ein Jahr vor der Bundestagswahl setzte die AfD ihren Höhenflug fort und kam auf ein zweistelliges Ergebnis. Die FDP kehrt nach dem Aus 2011 ins Parlament zurück. Erwartungsgemäß flogen die Piraten raus.

Für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik auch in der Union selbst umstritten ist, markiert der Sonntag die Fortsetzung einer Negativ-Serie: Bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr verlor die Partei Stimmen. Die SPD, die im Bund mit CDU/CSU regiert, sackte in Berlin allerdings noch stärker ab als die Union. Noch nie in Deutschland hatte ein Sieger bei Landtagswahlen ein so mageres Ergebnis. Die AfD ist nun in 10 von 16 Landesparlamenten vertreten.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF (Stand 20.30 Uhr) erreichte die SPD 22,0 bis 22,2 Prozent - dies wäre das schlechteste Ergebnis eines Siegers bei Landtagswahlen. Die CDU kam auf 17,9 Prozent. Die Linken lagen bei 15,6 Prozent, die Grünen bei 15,4 bis 15,5 Prozent. Die AFD verbuchte 13,6 bis 13,7 Prozent. Die FDP, die fünf Jahre nicht im Abgeordnetenhaus vertreten war, lag bei 6,5 Prozent bis 6,6 Prozent und schaffte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Piraten stürzten ab.

Die Sitzverteilung im neuen Parlament sähe so aus: SPD 36 Sitze, CDU 29, Linke 26, Grüne 25, AfD 22, FDP 11 Sitze. Es zeichnete sich eine höhere Wahlbeteiligung als 2011 (60,2 Prozent) ab, nach ZDF-Hochrechnung gingen am Sonntag 67,3 Prozent der Berechtigten wählen.

Müller, dessen Partei seit 15 Jahren den Regierungschef im Roten Rathaus stellt, kündigte am Abend Sondierungsgespräche mit allen Parteien außer der AfD an. Er ließ am Abend aber offen, welche Koalition er bevorzugt - betonte allerdings Gemeinsamkeiten mit den Grünen. Vor der Wahl hatte er ein Bündnis mit Grünen und Linken in den Blick genommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: Berlin bleibt sozial und menschlich anständig.

CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel lehnte einen Rücktritt am Abend ab und sprach von einem Denkzettel. Seine Partei stehe für Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung bereit.

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen Regierungsauftrag für seine Partei. Die Leute wollen eine seriöse Regierung, wir können das. Die Grünen könnten erstmals seit 2002 wieder in die Regierung kommen. Linken-Vorsitzende Katja Kipping wertete das Abschneiden ihrer Partei als großartiges Signal. Das macht Mut für linke Mehrheiten. In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert. Für FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat eine Regierungsbeteiligung der Liberalen in Berlin im Moment keine Priorität.

Die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch sagte, ihre Partei sei in der Hauptstadt angekommen und auch auf direktem Weg in den Bundestag. Mit der AFD will keine der anderen Parteien im neuen Abgeordnetenhaus zusammenarbeiten.

Die Berliner SPD verdankt ihren Wahlsieg nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen dem Regierungschef Müller und der Schwäche der CDU. Müller erreiche nach knapp zwei Jahren im Amt zwar nicht ganz die Beliebtheitswerte seines Vorgängers Klaus Wowereit, besitze aber die höchste Reputation aller Kandidaten. Weitere Faktoren für den Vorsprung der SPD seien deren lokales Parteiansehen, Kompetenzen gerade in sozialen Bereichen und eine indisponierte Berlin-CDU, die neben personellen und qualitativen Defiziten ein Imageproblem habe.

Bis zur Bundestagswahl im September 2017 gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) drei weitere politische Stimmungstests.

Parallel wurden die Kommunalparlamente in den zwölf Bezirken gewählt, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Es wird damit gerechnet, dass die AfD Stadtratsposten - und damit Verwaltungsmacht - bekommt.

Bei der Wahl 2011 in Berlin war die SPD mit 28,3 Prozent stärkste Partei geworden. Dahinter folgten CDU (23,3 Prozent), Grüne (17,6 Prozent), Linke (11,7 Prozent) und die Piraten (8,9 Prozent), die damals erstmals in ein Landesparlament einzogen. Die Sitzverteilung sah so aus: SPD 47, CDU 39, Grüne 29, Linke 19, Piraten 15.

Landeswahlleiterin

dpa-Twitterliste zur Berliner Abgeordnetenhauswahl

Ergebnisse bisheriger Berliner Abgeordnetenhauswahlen

Wahlprogramm SPD

Wahlprogramm CDU (als Film via youtube)

Wahlprogramm Grüne

Wahlprogramm Linke

Wahlprogramm FDP

Wahlprogramm AfD

Mitteilung Wahlbeteiligung

Zahlen zur Berlin-Wahl

Berlins SPD-Regierungschef Müller

SPD-Sieg kann Rot-Grün-Rot bringen

Kann voraussichtlich im Amt bleiben: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller bei der Stimmabgabe. Foto: Rainer Jensen
Kann voraussichtlich im Amt bleiben: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller bei der Stimmabgabe. Foto: Rainer Jensen
dpa
In Berlin wird über die Zusammensetzung des neuen Abgeordnetenhauses abgestimmt. Foto: Britta Pedersen
In Berlin wird über die Zusammensetzung des neuen Abgeordnetenhauses abgestimmt. Foto: Britta Pedersen
dpa-Zentralbild
Hier wollen sie alle rein: Das Berliner Abgeordnetenhaus. Foto: Britta Pedersen
Hier wollen sie alle rein: Das Berliner Abgeordnetenhaus. Foto: Britta Pedersen
dpa-Zentralbild
Eine Wählerin steckt ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Foto: Britta Pedersen
Eine Wählerin steckt ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Foto: Britta Pedersen
dpa-Zentralbild