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Wahlprogramm beschlossen Union will Vollbeschäftigung und mehr Polizisten

Nach langem Streit zwischen Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer beschließt die Union in demonstrativer Einigkeit ihr Wahlprogramm. Es geht um mehr Arbeit, mehr Geld, mehr Sicherheit. Kaum ist die Tinte trocken, gibt es Kritik vom Koalitionspartner.

01.07.2017, 23:01
CDU und CSU einigten sich auf Versprechen für Steuerentlastungen um gut 15 Milliarden Euro. Foto: Michale Kappeler
CDU und CSU einigten sich auf Versprechen für Steuerentlastungen um gut 15 Milliarden Euro. Foto: Michale Kappeler dpa

Berlin (dpa) - Mit demonstrativer Einigkeit und vielen Versprechen zu Verbesserungen in Deutschland wollen CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer die Bundestagswahl gewinnen.

"Unser Zukunftsprojekt für Deutschland heißt: Wohlstand und Sicherheit für alle", sagte die Kanzlerin bei der Vorstellung des Unions-Wahlprogramms mit Seehofer in der CDU-Zentrale. Sie versicherten, bei der Arbeit an den gemeinsamen Zielen für die kommende Legislaturperiode habe großes Vertrauen zueinander geherrscht.

Seehofer, der Merkel wegen der Flüchtlingspolitik lange scharf kritisiert hatte, sprach sogar von "blindem Vertrauen" zur Kanzlerin. Nirgends habe es grundsätzliche Kontroversen gegeben. Auch die von Seehofer lange zur Bedingung für eine nächste Koalition gemachte Obergrenze für Flüchtlinge wurde bei dem gemeinsamen Auftritt nicht aktiv zum Thema gemacht.

Kritik am Unions-Wahlprogramm kam von SPD, Linken und dem möglichen Regierungspartner FDP. Die SPD präsentierte vor der CDU-Zentrale ein Plakat mit der Aufschrift: "CDU und CSU haben ein Programm. Aber keinen Plan."

CDU und CSU versprechen mit dem einstimmig von den Vorständen der Schwesterparteien verabschiedeten Wahlprogramm unter anderem Steuerentlastungen um gut 15 Milliarden Euro, Vollbeschäftigung bis 2025, den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags ab 2020 sowie mehr Geld für Familien und mehr Stellen für die Polizei. Eine Koalitionsaussage machten Merkel und Seehofer nicht.

Merkel sagte: "Wir wollen, dass es den Menschen am Ende der nächsten Legislaturperiode besser geht als heute." Das Thema Arbeit sei dabei "Dreh- und Angelpunkt" und der Schlüssel auch für mehr Investitionen und eine stärkere Unterstützung von Familien.

Vor dem Hintergrund der im Herbst 2018 anstehenden bayerischen Landtagswahl sagte Seehofer, er habe ein besonderes Interesse an umsetzbaren Wahlversprechen gehabt. "Was man der Bevölkerung sagt, muss auch eingehalten werden." Die Landtagswahl sei in diesem Zusammenhang ein "besonderer Glaubwürdigkeitstest". Merkel sagte, auch angesichts der unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung habe man etwa beim geplanten Auslaufen des Solidaritätszuschlags auf ein Zieldatum für dessen Ende verzichtet.

Seehofer wiederholte die CSU-Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge als Bedingung für eine nächste Koalition nicht. Diese Obergrenze werde die CSU im sogenannten Bayernplan formulieren. Zunächst einmal wolle die CSU dann mit der CDU die Bundestagswahl am 24. September gewinnen. "Dann schauen wir weiter." Monatelang hatte Seehofer betont, seine Partei werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Obergrenze nicht stehe.

Merkel, die eine solche Obergrenze aus humanitären und rechtlichen Gründen ablehnt, pflichtete ihm bei, die Union solle sich von dem Ziel leiten lassen, erst einmal die Wahl zu gewinnen. Sie unterstrich: "Das Jahr 2015 soll sich in der Tat nicht wiederholen."

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kritisierte das Wahlprogramm von CDU und CSU als oberflächliche Ideensammlung. "Es ist ein mutloses Programm, ohne Ideen für die Zukunft. Es ist ein Programm, das unseriös, ungerecht und auch unverantwortlich ist."

Linken-Chefin Katja Kipping warf der Union unbezahlbare Versprechen vor. Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sagte der dpa: "Die Union bleibt eine Partei der Niedriglöhne und der Altersarmut." Die FDP kritisierte die Union als mutlos. FDP-Chef Christian Lindner sagte, zwar bewegten sich CDU und CSU "an vielen Stellen in die richtige Richtung. Ihrem Programm fehlen aber Esprit und Mut." Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf der Union vor, mit ihren Plänen zum Arbeitsmarkt vor allem Frauen zunehmend in Altersarmut zu treiben.

Nachfolgend einzelne Punkte aus dem Programm:

STEUERENTLASTUNGEN: Das Volumen soll deutlich mehr als 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer betragen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll künftig erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 Euro greifen (bisher 54 000 Euro). Der Kinderfreibetrag (bisher 7356 Euro) soll in zwei Schritten bis zum Grundfreibetrag für Erwachsene (derzeit 8820 Euro) angehoben werden - die Union will sich aber nicht auf ein genaues Zieldatum festlegen.

KINDERGELD: Um Gutverdiener nicht zu bevorzugen, soll zugleich das Kindergeld um 25 Euro erhöht werden. Für das erste und das zweite Kind werden aktuell 192 Euro Kindergeld pro Monat gezahlt, für das dritte Kind 198 Euro, ab Kind Nummer vier gibt es jeweils 223 Euro.

SOLIDARITÄTSZUSCHLAG: Die Union verspricht den Abbau des Solidaritätszuschlags für alle ab dem Jahr 2020 - legt sich aber nicht wie ursprünglich diskutiert auf eine Abschaffung bis 2030 fest.

POLIZEI: Die Union will 15 000 neue Stellen schaffen.

FAMILIEN/EHE: Es soll ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder im Grundschulalter eingeführt werden.

BAUKINDERGELD: Wer erstmals eine Immobilie kauft, soll zehn Jahre lang pro Kind und Jahr einen Zuschuss von 1200 Euro bekommen. Beim ersten Kauf eines Eigenheims soll außerdem die Grunderwerbsteuer erlassen werden. "Die CDU verteilt ihr Baukindergeld mit der Gießkanne, erreicht damit aber nicht diejenigen, die wirklich Hilfe beim Wohnungskauf brauchen", kritisierte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) die Unionspläne in der "Passauer Neuen Presse".

FORSCHUNGSFÖRDERUNG: Mittelständische Unternehmen sollen bei Forschungs- und Entwicklungsausgaben steuerlich gefördert werden, wenn es für sie zu kompliziert ist, Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu beantragen. Für die Forschungsförderung würden Steuerausfälle von bis zu drei Milliarden Euro jährlich eingerechnet. Dennoch will die Union auch dann einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen.

ARBEITSMARKT: Bis 2025 soll die Vollbeschäftigung erreicht werden. Als Vollbeschäftigung gilt eine Arbeitslosenquote von höchstens drei Prozent. Sie liegt derzeit bei 5,5 Prozent. CDU und CSU treten zudem für die Schaffung eines "Fachkräftezuwanderungsgesetzes" ein.

DOPPELPASS: Die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern soll nach dem Willen der Union nicht mehr über Generationen hinweg weitervererbt werden können. Die Union will bei Bürgern, die nicht aus der EU stammen, einen "Generationenschnitt" einführen: "Dieser Schnitt soll nach der Generation der in Deutschland geborenen Kinder erfolgen, die durch Geburt in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben."

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