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Stellenabbau befürchtet Dax-Konzern Linde und US-Rivale Praxair wollen fusionieren

Mit einer gescheiterten Fusion und dem Rauswurf des Finanzchefs hat Linde im Herbst Schlagzeilen gemacht. Jetzt unternimmt das Unternehmen einen neuen Anlauf, um weltweit Nummer eins zu werden. Als neu gekürter Übergangschef soll das ein 66-Jähriger erreichen.

07.12.2016, 18:20

München (dpa) - Zwei Monate nach dem Abbruch ihrer Fusionsverhandlungen nehmen der Industriegase-Konzern Linde und sein US-Konkurrent Praxair einen neuen Anlauf für einen Zusammenschluss. Zusammen würden sie den französischen Konkurrenten Air Liquide als Weltmarktführer für Industriegase ablösen.

Um die Verhandlungen zu erleichtern, räumte der eigentlich noch bis April amtierende Linde-Chef Wolfgang Büchele am Mittwoch mit sofortiger Wirkung seinen Posten. Als Nachfolger soll der 66-jährige frühere Linde-Europa-Chef Aldo Belloni den Zusammenschluss unter Dach und Fach bringen.

Belloni gilt als Vertrauter von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle. Der erste Anlauf zu einem Zusammenschluss von Linde und Praxair war im September gescheitert, weil man sich bei der Wahl des Firmensitzes und der Struktur des fusionierten Unternehmens nicht einig geworden war. In der Folge hatte Linde-Finanzchef Georg Denoke gehen müssen und Büchele angekündigt, seinen Ende April auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern.

Wie das "Handelsblatt" berichtete, könnte der Firmensitz des neuen Konzerns nun im europäischen Ausland liegen. Favorit sei London, schrieb das Blatt unter Berufung auf US-Industriekreise. Im Gespräch seien aber auch die Niederlande und Irland. Die Rolle der deutschen Standorte solle aber im Vergleich zu früheren Plänen gestärkt werden. Wichtige Funktionen und auch Vorstandsposten sollten in München bleiben. Der neue Konzern solle den Namen Linde tragen.

Am Mittwoch beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat, die Gespräche über die wesentlichen Konditionen eines potenziellen Zusammenschlusses unter Gleichen wieder aufzunehmen. Basis sei ein neuer Vorschlag von Praxair. Die Amerikaner wollen Linde entgegenkommen und unter anderem über die Linde-Zentrale in München und die Forschung und Entwicklung im nahen Pullach neu verhandeln.

Alle Mitglieder des Aufsichtsrats unterstützten die Wiederaufnahme der Gespräche. Die Gewerkschaften hatten sich zuvor kritisch geäußert, weil sie um den Erhalt von Stellen in Deutschland bangen. Büchele hat wegen schwacher Geschäfte im Anlagenbau soeben ein Sparprogramm mit massivem Stellenabbau verkündet. Allein in Dresden und Pullach könnten mehr als 1000 Arbeitsplätze wegfallen.

Bis zu einer Fusion könnte es ein oder zwei Jahre dauern. Um die Zustimmung der Kartellbehörden zu erhalten, müssten die beiden Unternehmen wohl auch Firmenteile abgeben.

Überschneidungen gebe es vor allem in Nord- und Südamerika, sagte ein Analyst. Praxair ist der dort größte Industriegase-Hersteller. Linde ist im Industriegase-Geschäft in Europa und Asien stark und darüber hinaus im Anlagenbau und bei Medizingasen engagiert. Linde erwirtschaftete 2015 mit fast 18 Milliarden Euro zwar fast doppelt so viel Umsatz, aber nur knapp so viel Gewinn wie Praxair. Beim Börsenwert haben die Amerikaner mit 32 Milliarden Euro die Nase etwas vor den Münchnern mit 29 Milliarden Euro.

Bellonis Berufung zum Chef sei ein deutliches Zeichen, dass Linde nicht eigenständig bleiben werde, sagte ein Branchenexperte. Reitzle wolle die Fusion. Analysten rechnen bei einem Zusammenschluss mit Synergien in Höhe von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro.

Büchele sagte: "Mit der Wiederaufnahme der Fusionsgespräche rückt ein erfolgreicher Zusammenschluss näher." Mit seinem sofortigen Rücktritt sei "die erforderliche Kontinuität für die anspruchsvollen Aufgaben der kommenden Monate ohne Unterbrechung gewährleistet".