1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. 1. FC Magdeburg
  6. >
  7. SCM-Trainer Wiegert wird wieder mehr gehört

Handball SCM-Trainer Wiegert wird wieder mehr gehört

Bevor sich Bennet Wiegert, Trainer des SC Magdeburg, in die Analyse der Saison 2017/18 vertieft, hat er im Interview Bilanz gezogen.

Von Anne Toss 08.06.2018, 01:01

Volksstimme: Herr Wiegert, Sie sind im August 2017 mit Ihrer Mannschaft in die Saison gestartet, gesprochen wird mittlerweile aber nur noch über den Mai 2018. Ärgert Sie das?

Bennet Wiegert: Nein. Der Monat Mai ist natürlich sehr präsent mit zwei Final-Four-Teilnahmen, jeder hat sich in Magdeburg einen Titel gewünscht. Und dazu ist es jetzt nicht gekommen. Da überwiegt natürlich auch in der Öffentlichkeit eine gewisse Art von Enttäuschung. Ich glaube aber, dass sich das mit der Zeit und mit etwas Abstand zu der Saison relativieren wird. Und das sollte es auch.

Das i-Tüpfelchen wäre dennoch ein Titel gewesen. Sprechen wir also über eine verkorkste Saison?

Also um Gottes Willen, da bin ich so weit davon entfernt, das zu sagen. Natürlich nicht. Klar hätten wir alle gerne einen Titel gehabt, trotzdem bleibt es für mich eine gute Saison. Wie gesagt, mit zwei Final-Four-Teilnahmen, zwei Spieltage vor Saisonende hatten wir noch die Chance, rein rechnerisch, deutscher Meister zu werden, haben lange am Champions-League-Platz geschnuppert. Das ist einfach gut. Und wer mich kennt, weiß, dass ich wahrlich kein Schönredner bin oder irgendetwas besser verkaufe, als es ist.

Zuletzt hat der Gewinn vom DHB-Pokal über eine mittelmäßige Saison von uns hinweggetäuscht. Ich glaube, dass es im Sport schwieriger ist, Konstanz zu erreichen, als mal an einem Wochenende zu überraschen. Und in dieser Saison haben wir eine hohe Konstanz gezeigt, das hat mir imponiert. Wir haben, da nehme ich Erlangen jetzt mal raus, eigentlich alles auswärts besiegt, was hinter uns in der Tabelle war. Spiele gegen die Rhein-Neckar Löwen oder Kiel waren Bonuspunkte, unser Job war es, auch in Hüttenberg und Minden zu bestehen. Und damit war ich die Saison über ziemlich zufrieden.

Nun steht nach dem Sieg gegen Melsungen Platz vier in der Bundesliga. Sind Sie auch damit zufrieden?

Ich empfinde es schon so, dass der vierte Platz ein ordentlicher Abschluss der Saison ist. Aber vielleicht täuscht und blendet das auch. Nach den letzten Ereignissen, dem verpassten Finaleinzug, dem verlorenen Spiel in Erlangen, habe ich das Gefühl, dass ich von den Spielern wieder viel mehr gehört werde. Denn wenn’s läuft, sagen sie gerne mal, was will er denn, mehr als gewinnen können wir ja nicht. Für die neue Saison ist das schon ein gutes Gefühl für mich, sagen zu können, es geht nicht alles von allein, ihr müsst nicht denken, dass wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Und das glauben sie mir jetzt auch wieder. Aus Trainersicht hatte es also sogar etwas Positives.

Die Konstanz, die Sie angesprochen haben, verteilte sich auch sehr konstant auf dieselben Schultern in Ihrem Kader. Denken Sie, dass aufgrund der Belastung am Ende – wie z. B. gegen Erlangen – einfach die Luft raus war?

Ich habe es nicht so empfunden, dass die Luft raus war. Das wird uns jetzt ein bisschen eingeredet. Im Gegenteil: Die Luft war eher drin. Vielleicht war, ganz ehrlich mal, sogar zu viel Luft drin in diesem Monat Mai. Das werden wir auch in Ruhe analysieren.

Wir würden jetzt auch nicht über diese Wechselei oder Nicht-Wechselei diskutieren, wenn wir einen Pokal gewonnen hätten. Das hab ich die ganze Saison über ja so durchgezogen. Was die Kader-breite angeht, wäre ich sowieso vorsichtig damit, uns mit den Löwen, Kiel oder Flensburg zu vergleichen. Und es ist auch keine Selbstverständlichkeit, dass wir vor Melsungen und Hannover landen. Wir haben manchmal wirklich über unseren Möglichkeiten gespielt.

Vor Saisonbeginn haben Sie dementsprechend auch betont, dass die Mannschaft sich durch die Abgänge einiger Spieler „verschlechtert“ hat. Konnten denn die Neuzugänge, gerade in der Abwehr, überzeugen?

Ich finde, sie haben das sensationell gelöst. Es bleibt dabei, und das ist ja nicht böse den Spielern gegenüber gemeint, dass wir damals einfach eine eingespielte Mannschaft mit bundesliga-erfahrenen Spielern hatten. Jakob Bagerstedt und Finn Lemke kannten die Liga, Finn ist zudem Europameister geworden. Und dann haben wir mit Carlos Molina und Gleb Kalarash zwei Spieler bekommen, die wenig internationale Erfahrung hatten und die Bundesliga überhaupt nicht kannten.

Sie hatten auch dolle Sprachprobleme, Carlos hat sie meiner Meinung nach immer noch. Das war die größte Barriere. Und beide waren das erste Mal aus der heimischen Liga raus, das erste Mal in einem fremden Land. Ich bin über ihre Leistung nicht enttäuscht, sie brauchen einfach Zeit. Die Jungs haben ihren Job gemacht, haben für Entlastung gesorgt – und müssen jetzt peu à peu einfach mehr bringen. Bei Piotr Chrapkowski war das etwas anders. Er ist Champions-League-Sieger, kam hier an und hat gleich etwas präsentiert. Da hatte ich wenig Sorgen, dass er diesen Job nicht ausfüllen kann.

Dass hört sich danach an, als ob Sie mit Molina und Kala-rash weiterplanen?

Klar, sie haben ja Verträge. Also, was ich klipp und klar sagen kann, ist, dass wir nicht sagen, wir wollen nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten.

Denn mit Bekanntgabe der Verpflichtung von Moritz Preuss ab Juli 2019 kam insbesondere die Frage auf, mit wie vielen Kreisläufern Sie in Zukunft planen, ob nicht doch einer gehen muss …

Zu Recht. Aber ich sage auch ganz ehrlich, dass sich diese Frage ein bisschen nach der Ebene richtet, auf der wir spielen. Die Champions-League-Mannschaften haben fast alle drei Kreisspieler im Kader und da fragt kein Mensch nach. Wenn ich aber nur DHB-Pokal und Bundesliga spiele, hat das keinen Sinn. Ich kann ja heute kaum schon zwei Kreisläufern richtig gerecht werden, wieso brauche ich dann drei? Vielleicht ist das aber der Fall, wenn wir international spielen. Das kann ich momentan noch nicht sagen.

Klar ist aber auch, dass wir transparent waren, dass beide von der Verpflichtung eher wussten als die Medien. Natürlich konnte Zeljko Musa besser damit umgehen, weil wir damals schon seinen Vertrag verlängert hatten. Und Gleb Kalarash konnte sich wiederum ausrechnen, dass er auf dem Prüfstand ist. Da will ich einfach die Entwicklung sehen, wie er sich der Liga anpasst. Das ist halt Leistungssport.

Bleiben wir noch kurz bei den Neuverpflichtungen. Was erwarten Sie von Albin Lagergren?

Eine Weiterentwicklung. Ich hatte die Möglichkeit, mit dem gleichen Kader in die Saison zu gehen, oder auf einer Position zu tauschen. Ich habe mich dafür entschieden, eine kleine Veränderung vorzunehmen – da ging es einfach um etwas Neues. Wir sind davon überzeugt, dass Albin Lagergren uns helfen kann, weil er jung ist und ihm eine große Zukunft vorausgesagt wird.

Lagergren ist ein kompletter Spieler, der schon über internationale Erfahrungen verfügt und etwas Besonderes hat. Allein aufgrund seiner Größe. Er passt zu der Philosophie, die ich beim SCM sehe, wie die Faust aufs Auge: Schneller Handball, nicht unbedingt außerhalb von neun Metern Tore machen, mit Übersicht und ausdauernd spielen, Athletik und Tempospiel reinbringen. Das passt zu ihm und deswegen glaube ich, dass er auch zu uns passen wird.

Ist mit dem Kader dann das nächste Ziel die Qualifikation für die Champions League?

Nein, ich kann ja nicht mal sagen, wie die Champions League aussehen wird, ich bin ja nicht die EHF. Ist es so, dass nur eine Mannschaft Champions League spielen wird – und das wird der deutsche Meister sein – brauchen wir nicht darüber nachzudenken. Wir sollen Träume haben und daran arbeiten – aber ich bin auch Fan davon, realistisch zu bleiben. Der nächste Schritt heißt für mich immer Weiterentwicklung. Deshalb war ich auch traurig darüber, dass wir in Erlangen nicht gepunktet haben, weil ich gern die maximale Punktzahl aus den letzten beiden Spielen mitgenommen hätte, um schlussendlich einen Punkt mehr zu haben als letzte Saison.

Weiterentwicklung auch mit Blick auf die mentale Stärke? Wie können die Spieler lernen, mit Drucksituationen noch besser umzugehen?

Wir haben seit zwei Jahren einen Sportpsychologen aus Aachen, der mit uns arbeitet. In der letzten Saison habe ich ja auch eine Stresszeit simuliert, durch andere Lichtverhältnisse in der Halle und durch Training unter Druck. Eben, um die Spieler etwas stress-resistenter zu machen. Wir haben da also ganz viel gemacht, aber ich sehe immer noch den Kopf als unsere vielleicht größte Ressource, weil ich uns taktisch, technisch und athletisch gut vorbereitet sehe. Das ist sicher noch mal ein Ansatz für die neue Saison. Denn ich habe schon das Gefühl, dass wir in den Finalspielen Druck verspürt haben, vielleicht hat uns das verkrampft. Vielleicht war das ganze Paket – Final Four zu Hause in Magdeburg, wir sind Favorit – für den ein oder anderen mehr Rucksack als Flügel.

Einige Ihrer Spieler reisen und trainieren zurzeit mit ihren Nationalmannschaften. Wie sehen Sie das, dass Entspannung da ausbleibt?

Ich will mich an der Diskussion eigentlich nicht beteiligen, weil ich das sowieso nicht beeinflussen kann. Natürlich vertrete ich die Interessen vom SC Magdeburg und die beißen sich manchmal mit denen der Nationaltrainer. Klar würde ich mir also wünschen, dass die Spieler die Pause besser nutzen können – nicht bloß körperlich. Das ist ja auch enorm anstrengend für den Kopf, das unterschätzt man gern. Dass sich der Kopf auch regenerieren kann und nicht immer unter Vollspannung ist – das würde ich den Spielern wünschen.