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Schwimm-WM Hentkes traurige Augen

0,27 Sekunden haben Franziska Hentke vom SC Magdeburg zu einer WM-Medaille in Kasan gefehlt.

Von Daniel Hübner 07.08.2015, 01:01

Kasan/Magdeburg l Am Donnerstag um 17.29 Uhr mitteleuropäischer Zeit ließ Franziska Hentke den müden Körper durchs Wasser gleiten. Sie schüttelte kurz den Kopf, schob die Brille von der Nase. Dann sah die Welt für einen Moment die traurigsten Augen der Weltmeisterschaft in Kasan (Russland). Bernd Berkhahn, ihr Heimtrainer, stand zu diesem Zeitpunkt noch auf der Tribüne, er hatte sich seine roten Haare kurz gerauft und einen Blick des Mitleids aus zirka 30 Metern Höhe und 75 Metern Entfernung in der Kasan-Arena auf seine Athletin vom SC Magdeburg geworfen. Kein Gold ist es geworden, kein Silber und auch kein Bronze. Es wurde der vierte Platz für Hentke im Finale über die 200 Meter Schmetterling. Was sie als Erstes dachte? Sie dachte: „Scheiße.“

2:06,78 Minuten reichten nicht für Edelmetall. Es gewann Natsumi Hoshi (Japan) in 2:05,56 Minuten vor Cammile Adams (USA). Bronze sicherte sich die Chinesin Yufei Zhang in 2:06,51  Minuten. „Mein Ziel war es, ins Finale zu kommen, das habe ich erreicht. Wenn man dann eine Medaille um drei Zehntelsekunden verpasst, muss das Schicksal sein. Und ich muss mich damit zufriedengeben“, sagte Hentke.

Es gibt wirklich niemanden, der ihr nicht einen Podestplatz gegönnt hätte. Ein langer, steiniger Weg lag hinter Hentke bis zu diesem Finale, ihr erstes überhaupt bei einer Langbahn-WM. Mühselig hatte sie sich in den vergangenen Jahren von Hundertstel zu Hundertstel gesteigert – bis zum 3. Juli in Essen, bis zum deutschen Rekord in 2:05,26 Minuten, bis zum Sprung auf Platz eins der Weltjahresbestenliste, auf dem sie auch nach dem Endlauf von Kasan weiterhin steht.

Helmut Kurrat, Chef des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt, hatte deshalb gehofft, „dass sie mit dem Erwartungsdruck umgehen kann, wie sie es auch im Halbfinale getan hat.“ Dirk Roswandowicz hatte ihr aus seinem Amerika-Urlaub eine Nachricht aufs Handy geschickt: „Du kannst es packen“, schrieb der SCM-Präsident. Und Vizepräsident André Willms war überrascht, „wie locker sie nach dem Vorlauf geblieben ist, als kritische Stimmen lauter wurden. Das zeigt, wie toll sie sich entwickelt hat und wie abgeklärt und reif sie geworden ist“, erklärte er.

Die 26-Jährige selbst vermutete in einer ersten Analyse zu ihrem Rennen: Vielleicht habe sie zu viel Aufwand in die Technik investiert. Vielleicht war sie die ersten Bahnen zu schnell angegangen, vielleicht war auf den letzten 50 Metern deshalb nicht mehr drin. Enttäuscht hat sie vor allem, dass sie eigentlich schneller als im Halbfinale schwimmen wollte – mit ihrer Endlaufzeit aber 14 Hundertstelsekunden langsamer war.

Trainer Berkhahn, 44, meinte: „,Franzi‘ ist auf Gold geschwommen. Nach 150 Metern hatte sie die gleiche Zeit wie bei ihrem deutschen Rekord erzielt, aber mit höherem Aufwand. Nach der letzten Wende sind Beine und Arme zugegangen.“ Der Coach und sein Schützling werden das Rennen auswerten. Und Hentke ist trotzdem überzeugt: „Ich habe in den letzten zwei Jahren einen großen Sprung gemacht.“ Der soll weitergehen bis zu den Olympischen Spielen in Rio 2016. Und auch Berkhahn blickte voraus: „Die WM sollte der Ansporn für das nächste Jahr sein.“

Hentke hat noch ein Rennen vor sich in Kasan über 400 Meter Lagen. Vorlauf ist am Sonntagmorgen. Sie hat eigentlich keine Chance auf das Finale am Abend als 44. der Weltjahresbestenliste mit 4:42,73 Minuten. Sie sagte deshalb: „Da kann ich völlig befreit starten.“ Meinung