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Toppel Großes Konzert in kleiner Kirche

Im Havelberger Ortsteil Toppel hat am Wochenende ein bemerkenswertes Konzert stattgefunden.

Von Brigitte Strugalla-Voltz 19.08.2015, 14:05

Toppel l Havelberg bietet, wie viele Besucher der Bundesgartenschau Havelregion immer wieder feststellen, einige Überraschungen. Eine ganz große Überraschung gab es am Wochenende in der kleinen Dorfkirche des ebenso kleinen Ortsteils Toppel. Da traf eine erstaunliche Menge von Zufällen zusammen, gelenkt durch Kindheitserinnerungen und Liebe zur Heimat der Vorfahren. Und so gab es Wiener Klassik in Toppel. Und auf welch hohem Niveau!

Es spielte, nett moderiert und unterstützt durch Klaus Harrer vom Kulturforum östliches Europa: das Hoffmeister-Quartett. Die Musiker, die man sich merken sollte, kommen aus Hannover und Berlin: an der ersten Geige die Fast-Toppelerin Ulla Bundies im Wechsel mit Christoph Heidemann, Aino Hildebrand an der Viola und Martin Seemann am Cello. Alle Vier spielen alte Originalinstrumente oder hervorragende Kopien, arbeiten in wirklich renommierten Orchestern und haben sich 2002 zum Hoffmeister-Quartett zusammengefunden.

Hier ist der Name auch Programm. Franz Anton Hoffmeister war Freund und Kollege von Mozart und Haydn. Sein Name vertritt die vielen Komponisten aus der Zeit von Klassik und Frühromantik, die allzu ungerechtfertigt im Schatten der großen Vier Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert stehen. Das Quartett hat sich vorgenommen, gerade diese Musik wiederzuentdecken und zum Klingen zu bringen. Das Toppeler Konzert bewies beeindruckend, wie sehr sich dieses Engagement lohnt. Die bis zum Ende konzentrierten Zuhörer erlebten hautnah ein hochkarätiges, spannendes und anspruchsvolles Konzert. Zwei der drei Teile waren völlig unbekannten, aber nicht unwichtigen Komponisten gewidmet, zwischen beiden gab es ein wunderschönes Quartett Haydns.

Als erstes also das Streichquartett e-Moll von Joseph Elsner. Gleichaltrig mit Beethoven, wurde der Schlesier als Pädagoge und Verleger zur Schlüsselfigur des polnischen Musiklebens. Sein berühmtester Schüler wurde Chopin. Elsner wurde in Breslau und Wien ausgebildet, entdeckte in Lemberg/Lwiw seine Liebe zur polnischen Kultur und hinterließ ein riesiges kompositorisches und theoretisches Werk, das aber heute fast vergessen ist. Das Streichquartett e-Moll stammt aus den frühen Lemberger Jahren und verbindet polnische Volksmusik mit Wiener Charme. Der reizende zweite Satz, ein Andantino, weist mit seinem liedhaften Thema und der märchenhaft-erzählenden Ausführung zur Romantik hin, das Rondo ist ganz klassisch mit virtuosen Zwischenteilen, den Couplets, und erinnert an Beethoven. Den Abschluss bildet ein furioses Allegro.

Haydn vorzustellen erübrigt sich. Das G-Dur Streichquartett op. 77,1 aus dem selben Jahr 1799 wie das von Elsner trägt auch den Namen „Komplimentier-Quartett“ und macht dem alle Ehre. Die typischen Haydn-Themen wechseln spielerisch-leicht durch die Stimmen, immer wieder tauchen neue Ideen und überraschende Wendungen auf, die Töne fliegen nur so wie die Bälle eines Jongleurs. Assoziationen wie „Nachtigallengesang“, „Kuckuck“ oder „Spinnrad“ oder dramatische Passagen wie „dunkle Nacht“ mögen vielleicht wirklich so angelegt sein. Jedenfalls erinnerte die Musik immer wieder an die großen, fast gleichzeitig entstandenen Oratorien Haydns, „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“, die ja beide in diesem Sommer im Havelberger Dom zu hören waren. Die Musik des „Vaters des Streichquartetts“ war eine schöne Ergänzung dazu.

Den Abschluss bildete ein Streichquartett D-Dur von Franz Xaver Gebel (1787-1843). Bei Breslau geboren und in Wien ausgebildet, kam er als 30-Jähriger über Lemberg nach Moskau, wo er als Pianist, Musiklehrer (er schrieb die erste Kompositionslehre in russischer Sprache) und Komponist großen Einfluss gewann. Sein Streichquartett von 1817 wurde im renommierten Verlag Peters in Leipzig veröffentlicht und hat sicher zu seinem Ruf beigetragen. Einem Allegro vivace in perfekter Sonatenform folgt ein dramatisch-rasantes Menuetto. Dann wird ein virtuoses Presto von einem sanft-elegischen Andante mit verwobenen Melodiebögen, wechselnd mit prägnanten rhythmischen Figuren abgelöst. Das Finale schließlich endet furios ganz ála Beethoven.

Zum Abschluss des Konzerts konnte die Kirchengemeinde zu einem kleinen Umtrunk auf die hübsche, buschumsäumte Wiese vor der Kirche einladen. Der milde Sommerabend ließ die Gäste recht lange dort verweilen. Kein Wunder, dass sich alle auf ein weiteres Konzert im Frühling freuen. Wenn in Toppel der Flieder blüht …