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Asyl Geschichten von der Flucht

Viele Wernigeröder wollen mehr über Flüchtlinge wissen, die in Deutschland Schutz suchen. In der Johannisgemeinde berichteten Asylbewerber von ihren Erfahrungen.

Von Katrin Schröder 30.10.2015, 00:01

Wernigerode l Suraia Djab hält inne. Die Erinnerung an die Flucht aus Guinea-Bissau, ihrem Heimatland im Westen Afrikas, lässt die junge Frau verstummen, sie ringt um Fassung. Knapp 100 Zuhörer im Martin-Luther-Saal der Wernigeröder Johannisgemeinde warten, bis sie weiter spricht. Auf Portugiesisch berichtet die 29-Jährige von ihrem Weg, der sie eher zufällig nach Deutschland geführt hat – in die Zentrale Anlaufstelle (Zast) in Halberstadt.

Mit ihrer Mutter Aminata und Tochter Adriana ist Suraia Djab auf Einladung der Johannisgemeinde nach Wernigerode gekommen. Beim Abend der Begegnung sollten Einheimische und Flüchtlinge sich kennen lernen können. „Wir, die wir in Wernigerode zu Hause sind, sind neugierig auf die Menschen, die von weit weg gekommen sind, weil sie fliehen mussten vor Gewalt oder ungünstigen Lebensumständen“, erklärte Pfarrerin Heide Liebold. Weil feststeht, dass Wernigerode im kommenden Jahr Flüchtlinge aufnehmen wird, will sich die Gemeinde darauf vorbereiten.

Darum kümmert sich derzeit vor allem Mitarbeiterin Martina Zwick. Die 49-Jährige ist für die Flüchtlingshilfe freigestellt. In der Zast hilft sie als Übersetzerin für Englisch, Französisch und Portugiesisch.

Dort lernte sie Suraia Djab kennen. „Martina ist mein rettender Engel“, sagte die Afrikanerin – ihre Muttersprache ist Portugiesisch, unterwegs hatte sie häufig Probleme mit der Verständigung. Geflohen ist Suraia Djab, weil ein Leben als alleinerziehende Mutter in ihrer Heimat unmöglich war. Ihr Vater zwang sie zur Heirat mit einem 60-Jährigen, der bereits zwei Ehefrauen hatte und ihre dreijährige Tochter nicht akzeptierte.

Zusammen mit ihrer Mutter Aminata gelang ihr schließlich die Flucht in den Senegal, wo sie sich zwei Monate aufhielt. „Es war eine harte Zeit“, sagt Suraia Djab rückblickend. Per Schiff gelangten die Frauen nach Marokko und weiter nach Spanien. „Doch dort waren wir nicht willkommen“, berichtet die 29-Jährige. Ein deutsch-türkisches Ehepaar nahm sie in die Bundesrepublik mit und setzte sie irgendwo ab. „Ich weiß nicht einmal, in welcher Stadt“, so Suraia Djab. Seit vier Monaten ist sie in Halberstadt. „Es ist nicht einfach, aber wir haben ein Zimmer für uns drei. Das ist ein großes Glück.“

Zwei Jahre hat auch Isa Begari in der Zast verbracht. Der 22-Jährige stamnt aus Syrien. Als er drei Jahre alt war, entschlossen sich seine Eltern zur Flucht. Das war 1997. „Ich fühle mich als Deutscher, habe aber jesidisch-kurdische Wurzeln“, sagte er. Schwieriger sei es für seine Eltern gewesen, Fuß zu fassen. „Uns ging es sehr gut, bis wir fliehen mussten.“ In Deutschland fingen sie bei Null an. Der Vater war ständig bei der Ausländerbehörde, habe sich ehrenamtlich engagiert. „Er wollte einfach etwas tun.“

Dass das Nichtstun an den Nerven zerrt, erlebt Isa Begari auch bei Flüchtlingen, für die er ehrenamtlich übersetzt. Als „Brückenbauer“ unterstützt er das gleichnamige Projekt des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Angalt (Lamsa). Projektreferentin Mary Lange berichtete von ihrer Arbeit in Halle. Ihre Erfahrung ist: „Viele, die helfen wollen, glauben, dass sie wissen, was die Menschen brauchen.“ Das treffe aber nicht immer zu. „Wichtig ist die Begegnung.“

Damit die Johannisgemeinde künftig Treffpunkt für Einheimische und Neuankömmlinge wird, plant Martina Zwick die Einrichtung eines Sprachcafés. „Der Unterricht ist das eine, doch wie wendet man die Sprache dann an?“, fragt die Gemeindemitarbeiterin. Lernen können nicht nur Migranten, sondern auch die Wernigeröder. „Wer sein Englisch aufpolieren möchte, ist ebenfalls gern gesehen.“