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Grabung Palisaden an einem besonderen Ort

Das archäologische Grabungsgelände der Hünenburg erzeugt großes Interesse. Das zeigte ein Vortrag in Wolfenbüttel.

Von Uwe Meyer 16.02.2016, 02:00

Wolfenbüttel l „Ähren, Sterne, Palisaden – der älteste Monumentalbau Niedersachsens bei Watenstedt“ lautete der Titel des Vortrags, den der Göttinger Archäologe Dr. Immo Heske im Museum „Alte Kanzlei“ in Wolfenbüttel hielt. Dazu hatten die Freunde der Archäologie im Braunschweiger Land (FABL) eingeladen. Gastgeber Wolf-Dieter Steinmetz machte die mindestens 100 Gäste, darunter aus dem Harzkreis, neugierig: „Es geht heute um eine Entdeckung, die viel Aufsehen erregt hat.“

Bereits 1998 forschten ehrenamtliche FABL-Mitglieder am Ringwall der bronzezeitlichen Hünenburg (1200 bis 750 vor Christus), danach im Jahr 2005 unterhalb der Wehranlage, erinnerte Immo Heske. Durch Förderungen sei ab 2006 die Aufgabenstellung klar formuliert gewesen: Nachweis der ersten Außensiedlung an einer bronzezeitlichen Befestigung in Mitteleuropa.

Heske ging auf die Erforschung eines in Vergessenheit geratenen Wasserlaufs am Rande des Großen Bruchs und die Entdeckung zahlreicher steinerner Gargruben ein. Etwa 700 Meter von der Burg entfernt entdeckten die Archäologen im Jahre 2010 ein Areal, welches das Kultgeschehen um 900 vor Christus schlaglichtartig verdeutlicht. Es gibt konkrete Hinweise auf Schlachtungen bei den Gargruben. Nicht nur Rinder, sondern ebenso Schafe und Ziegen wurden hier vor langer Zeit gehalten. „Menschen, die ihre Kulthandlungen praktizierten, wanderten vor etwa 3000 Jahren aus dem Ostseeraum ein“, verdeutlichte der Referent.

Nahe der jungbronzezeitlichen Hünenburg forschten die Archäologen und Studenten im Sommer 2015 auf einer Kuppe („Bohnenstieg“) und entdeckten dabei Keramik, die der wesentlich älteren, jungsteinzeitlichen Kulturgruppe der „Stichbandkeramiker“ zugeordnet wird.

„In den vergangenen Wochen erfolgte aktuell eine abgesicherte zeitliche Datierung 4800/4700 Jahre vor Christi“, informierte der Hünenburg–Grabungsleiter.

Auf diesem neuen Grabungsgelände der „Stichbandkeramiker“ bargen die Archäologen größere Keramikbruchstücke und entdeckten auf einer etwa 6000 Jahre alten Kreisgrabenanlage Standspuren von Palisaden.

Die Auswertungen der letzten Wochen lassen klar erkennen, dass diese Anlage keine Befestigung gewesen ist, erklärte Heske. Der abgegrenzte Platz könnte nach seinen Worten ein heiliger Ort für kultische Handlungen oder Versammlungsort für bestimmte Gruppen gewesen sein.

„Öffnungen und Durchlässe orientieren sich in verschiedene Himmelsrichtungen“, verdeutlichte der Referent. Diese Anlage mit Palisaden könne nicht mit runden Steinanlagen verglichen werden. „Die zweireihigen Palisaden sind ein Sichtschutz gewesen“, wies Immo Heske auf einen „verborgenen Ort“ hin.

Die neuesten Forschungen belegen eine große Übereinstimmung in der Bauweise mit der Kreisgrabenanlage in Goseck (Burgenlandkreis), die als ältestes Sonnenobservatorium der Welt gilt.

Die jüngsten Forschungsergebnisse brachten zusätzlich ans Tageslicht, dass die Datierungen aus der Anlage am Rande des Großen Bruchs und Goseck exakt übereinstimmen. „Wir können jetzt ebenfalls eine Übereinstimmung in den Abmessungen mit der Kreisgrabenanlage von Dresden-Nickern belegen“, stellte Heske fest. Dazu legte der Referent Abbildungen (Folien) von beiden Anlagen übereinander und zeigte diese an der Leinwand.

Der Grabungsleiter wies auf kommunikative Verbindungen und eine hohe Mobilität während der Zeit vor rund 6000 Jahren hin. Zur Hypothese gehört, dass „Priester“ mit Steintäfelchen ihr Wissen verbreiteten. „Die Zeitdauer ist eine ganz andere als heute gewesen“, ergänzte der Redner.

Die Kreisgrabenanlagen wurden noch während des Bestehens der „Stichbandkeramiker“ aufgegeben. Das ist für die Wissenschaft bisher rätselhaft.

Mit den Forschungen auf der Kreisgrabenanlage kurz hinter der Landesgrenze in Niedersachsen geht es in diesem Sommer weiter. Dann sollen bestimmte Flächen im Bereich der Eingänge wieder freigelegt werden. „Die Zugangssituation wird untersucht, die fehlt noch“, erklärte Immo Heske.