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Flüchtlinge Jetzt kommt der Alltag

Eine der größten Herausforderungen für die syrischen Flüchtlinge am hiesigen Arbeitsmarkt: Die typisch deutsche Pünktlichkeit.

Von Franziska Ellrich 24.05.2016, 21:45

Genthin l Mohamed Mabruk lebt seit 24 Jahren in Deutschland. Geboren ist er in Ägypten. Mabruk kennt die kulturellen Unterschiede zwischen den Deutschen und Menschen aus dem Nahen Osten ganz genau. Und vor allem kennt er ihre Sprachen: Deutsch, Arabisch und Englisch kann Mabruk fließend. „Kommunikation ist alles“, ist der 48-Jährige überzeugt. Als neuer Integrationslotse für die Stadt Genthin wird er nicht nur bei Behördengängen und Arztbesuchen die Flüchtlinge unterstützen, sondern auch „zwischen den Kulturkreisen vermitteln“ - sich für die Begegnung von Genthinern und Asylsuchenden stark machen.

„Jetzt gilt es, in den Alltag rein zukommen“, macht gestern der Genthiner Bürgermeister Thomas Barz deutlich. Dazu gehört für ihn auch, dass die Asylbewerber Mitglied in einem Verein werden, sich ehrenamtlich engagieren. Rund 350 Flüchtlinge leben derzeit in Genthin. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien. „Und suchen ganz dringend nach einem Job“, weiß Mohamed Mabruk aus Erfahrung. Er unterrichtet Deutsch als Fremdsprache, gibt Integrationskurse an der Volkshochschule.

Zusätzlich ist er jetzt als Lotse noch von Montag bis Mittwoch vormittags in der Genthiner Stadt- und Kreisbibliothek anzutreffen. Finanziert wird diese halbe Stelle mit Unterstützung des Awo-Kreisverbandes Jerichower Land. Deren Vorsitzender ist Oliver Lindner: „Unser Ziel muss es sein, aus den Flüchtlingen schnell Steuerzahler zu machen.“

Mohamed Mabruk ist selbst gelernter Industriekaufmann und weiß, was die Unternehmen hierzulande von ihren neuen Mitarbeitern erwarten. Neben dutzenden erfolgreich absolvierten Deutschstunden, spiele auch die Pünktlichkeit eine wichtige Rolle. „Die Uhren ticken im Nahen Osten etwas anders“, erklärt der geborene Ägypter mit einem Schmunzeln. Aus einem um acht Uhr angesetzten Arbeitsbeginn könne auch mal neun Uhr werden - und aus einer kurzen Zigarettenpause eine Stunde. Diese Unterschiede will Mohamed Mabruk den Flüchtlingen vermitteln - die Schere zwischen ihren Vorstellungen und der Realität schließen. „Die jungen Männer wollen alle nach Berlin, Hamburg oder München. Diese Städte bedeuten für sie Arbeit und stehen für Deutschland“, sagt Mabruk.

Doch das Gefühl „nur auf Zeit“ in Genthin zu leben, lasse bei vielen nach. Vor allem die Familien, deren Kinder bereits in Genthin zur Schule gehen, wollen bleiben. Fragt man Mohamed Mabruk nach einem der größten kulturellen Unterschiede zwischen Syrern und Deutschen, lautet seine Antwort: Die Rolle der Frau. Es gibt zum Beispiel syrische Männer, die nicht akzeptieren, dass ihre Frau von einem Mann unterrichtet wird. Für Mabruk zählt in Sachen Integration vor allem eines: „Man muss den Flüchtlingen ganz viel Zeit geben.“