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Arbeitsmarkt Corona-Krise kostet 578 000 Jobs

Erwerbslosigkeit steigt / Sechs Millionen Kurzarbeiter / Bundesagentur steuert auf Defizit zu

Von Michael Donhauser 03.06.2020, 23:01

Nürnberg (dpa) l Die Corona-Krise nimmt dem deutschen Arbeitsmarkt weiter die Luft zum Atmen: Völlig untypisch für einen Mai ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum April noch einmal um 169 000 Menschen auf 2,813 Millionen gestiegen. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, geht davon aus, dass inzwischen 578 000 Menschen wegen der Folgen der Corona-Pandemie in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind.

„Jeder fünfte Arbeitslose von den 2,8 Millionen ist gegenwärtig auf den Corona-Effekt zurückzuführen“, sagte Scheele. „Das ist eine beträchtliche Zahl, die man da konstatieren muss.“ Die Allianz-Volkswirtin Katharina Utermöhl hatte vor der Präsentation der Nürnberger Zahlen angemerkt, dass die Errungenschaften auf dem Arbeitsmarkt der vergangenen fünf Jahre durch die Corona-Krise in nur zwei Monaten ausradiert worden seien. Die von einigen Volkswirten prognostizierte Zahl von drei Millionen Arbeitslosen in Deutschland rückt in greifbare Nähe.

In Sachsen-Anhalt zeigt sich ein ähnliches Bild: Rund 91 600 Menschen waren im Mai arbeitslos gemeldet – 3700 Erwerbslose mehr als im April und 11 900 mehr als im Vorjahresmonat, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Halle am Mittwoch mitteilte. Die Arbeitslosenquote stieg im Mai auf 8,2 Prozent. Das waren 0,4 Punkte mehr als im April und 1,1 mehr als im Vorjahr (7,1 Prozent).

Bundesweit ging die Arbeitslosigkeit im Mai weniger stark nach oben als im April. Damals waren mehr als 300 000 Menschen wegen der Corona-Krise in die Arbeitslosigkeit gegangen. Normalerweise erlebt der Arbeitsmarkt sowohl im April als auch im Mai einen Frühjahrsaufschwung, die Zahl der Arbeitslosen geht nach unten.

Die Bundesagentur geht aufgrund einer Schätzung davon aus, dass bis zum 30. April rund sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit gewesen sind – in der Spitze könnten es sogar 7,5 Millionen werden. Bis Ende März waren es Hochrechnungen zufolge 2,02 Millionen Menschen. Das alleine wäre schon ein neuer Rekord. „Das ist natürlich weit, weit oberhalb von den Zahlen, die wir in der Finanzmarktkrise gesehen haben“, sagte Scheele. Der bisherige Höchststand war im Mai 2009 mit 1,44 Millionen Menschen erreicht worden.

„Aber es sind auch sechs Millionen Menschen, die nicht arbeitslos sind. Das ist auch ein Zeichen, dass dieses Instrument wirkt“, sagte Scheele. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) pries die Wirkung der Kurzarbeit. „Sie ist unsere starke Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal“, sagte er. Die Arbeitslosigkeit wachse in der Krise in Deutschland viel weniger schnell als in anderen europäischen Ländern.

Im Mai wurde von den Unternehmen für weitere 1,06 Millionen Menschen Kurzarbeit angezeigt, sagte Scheele. Diese kommen zu den bereits zuvor getätigten Anzeigen für 10,66 Millionen Menschen hinzu. Die Zahl der tatsächlichen Kurzarbeiter liegt erfahrungsgemäß deutlich darunter, weil Unternehmen die Anzeigen zum Teil vorsorglich vornehmen. Die Mehrheit der Kurzarbeit stamme aus den klassischen Branchen der Industrie, es seien aber auch eher untypische Berufe aus der Gastronomie oder dem Handel dabei.

Die Bundesagentur steuert wegen der immensen zu erwartenden Ausgaben für Kurzarbeitergeld und auch für mehr Arbeitslosengeld auf ein sattes Defizit zu. Für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen geht Scheele von einem Minus von 30,5 Milliarden Euro aus. Dies könnte durch die Rücklagen in Höhe von rund 26 Milliarden Euro nicht mehr gedeckt werden. Die Finanzierung der Kurzarbeit sei jedoch sichergestellt, es handele sich um einen Rechtsanspruch.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Sabine Zimmermann, mahnte zu noch mehr staatlichem Handeln. „Die Bundesregierung muss verhindern, dass Erwerbstätige zum Sozialfall werden. Wenn sie jetzt nicht energisch Gegenmaßnahmen ergreift, droht eine arbeitsmarkt- und sozialpolitische Katastrophe“, betonte Zimmermann. Viele Kurzarbeiter würden zu Hartz-IV-Aufstockern, weil das Kurzarbeitergeld nicht für den Lebensunterhalt reiche. Es müsse erhöht werden. Die Grünen verlangten, die Bereitschaft zur Weiterbildung finanziell mit einem Bonus zu fördern. Meinung