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Zeitzeugen erinnern sich im Friseurmuseum an einen legendären Magdeburger Herrenfriseur Die Elvistolle von "Papa Ries" war Kult

15.01.2011, 04:24

Vielen Magdeburgern ist er lebhaft in Erinnerung geblieben: Herrenfriseur Bernhard Ries. Er galt mit seinen gewagten Schnitten in den 50er und 60er Jahren als Kult. Im Friseurmuseum trafen sich gestern ehemalige Kunden.

Stadtfeld-West. "Wenn es ¿Papa Ries‘ nicht gegeben hätte, hätte es keine Boogie-Männer in Magdeburg gegeben", sagte Heinz Fernau während der gestrigen Runde im Friseurmuseum in der Walbecker Straße. Fast 20 Magdeburger waren dem Aufruf von Barbara Psoch gefolgt und mit verblichenen Schwarz-Weiß-Fotos und jeder Menge Erinnerungen gekommen.

Um mehr über den legendären Herrenfriseur Bernhard Ries in Erfahrung zu bringen und ihm so einen Platz in dem ehrenamtlich betriebenen Museum zu geben, hatte Barbara Psoch über die Volksstimme ehemalige Kunden aufgerufen, ihre Erinnerungen mit "Papa Ries" mit ihr zu teilen.

Bombe und Entenarsch

Wolf-Dieter Siegmann, Manfred Reineke und Hans-Jürgen Anton wussten einiges über den Kultfigaro zu berichten. Viele andere brachten Fotos von sich aus der damaligen Zeit mit und zeigten wie Lutz-Uwe Schmidt ihren jugendlichen Haarschnitt. Ob Elvistolle, Bombe oder Igelschnitt – alles, was damals noch provokant war, schnitt "Papa Ries" auch.

Besonders die dick mit einem Kamm aufgetragene Pomade oder Brillantine an den Seiten der Elvistolle war Kult unter Magdeburgs Jugend und sorgte bei Tanzveranstaltungen für Dutzende beim Boogie-Woogie mitwippende frisierte Köpfe. "Entenarsch" nannte man wenig respektvoll die an einen Bürzel erinnernde Rückansicht der Frisur.

Bernhard Ries war zwischen ca. 1954 und 1967 der einzige Friseur der Stadt, der sich traute, diese Schnitte anzubieten. "Für uns junge Männer war er so was wie ein Vater, daher auch der Name", erklärt Wolfgang Riecke. Andere stimmen ihm zu. "Sein Salon war ein beliebter Treffpunkt", erinnert sich Wolf-Dieter Siegmann. "Wer nicht dort hinging, war nicht in", sind sich alle einig.

Über drei Stufen, auf denen oft die Wartenden stundenlang saßen, ging es ins Souterrain des Hauses in der Liebigstraße 5 (damals noch Tauentzienstraße).

Voll sei es immer bei ihm gewesen, was unter anderem daran lag, dass er im Radio den amerikanischen Soldatensender AFN oder Radio Luxemburg laufen ließ. In den 60er Jahren hatte er dann sogar schon einen Fernseher zur Unterhaltung aufgestellt.

"Außerdem hatte er auch Tipps zum Umgang mit Mädchen und gewisse Utensilien unter dem Ladentisch", erzählt Wolfgang Riecke mit einem wissenden Schmunzeln. Er interessierte sich für jene Dinge, die auch die jungen Männer beschäftigten. In Sachen Haarmode war er für die Jugendlichen ohnehin ein Trendsetter. Nicht selten gab es Ärger mit den Eltern, wenn der Sohn mit raspelkurzen Haaren nach Hause kam.

Denn nicht jedem haben die teilweise radikalen Haarschnitte gefallen. Ein Freund von Wilfried Bautz hatte sich kurz vor dessen Polterabend eine sogenannte "Bombe" schneiden lassen. "Er kam nicht zu meinem Polter-abend und ist zwei Wochen lang nur mit Mütze rumgelaufen", erinnert er sich. Als Dagmar und Wolfram Bornemann heirateten, gab sie die Devise aus: "Du gehst nicht mehr zu ¿Papa Ries‘!" Auch Brigitte Fernau war kein Fan der Schmalztollen: "Besonders für die Bettwäsche war das nicht so schön." "Die sind doch bekloppt", hieß es deshalb damals oft.

Ein Stück Lokalgeschichte

Dafür liebten ihn die jungen Männer umso mehr. "Wenn man mal knapp bei Kasse war, konnte man auch beim nächsten Mal zahlen", sagt Wolfgang Riecke. Immer wenn Renntag im Herrenkrug war, gab es für "Papa Ries" kein anderes Thema.

Über ihn selbst war nicht mehr viel in Erfahrung zu bringen. Er sei ein untersetzter, stämmiger Mann gewesen. Seine Frau half im Laden aus, kochte Kaffee für die Kunden. Mit dem Ende der Ära von Elvis Presley und dem Boogie-Woogie verschwand auch der Frisurentrend, Pilzköpfe kamen in Mode. Eine ehemalige Nachbarin glaubt, dass er "wohl bereits 1978" verstorben sei.

"Ein kleines Stück Magdeburger Stadtgeschichte wird dank Ihrer Mithilfe nicht in Vergessenheit geraten", zeigt sich Barbara Psoch am Ende des Treffens dankbar, dass so viele gekommen waren. "Er hat geschert, ohne sich zu scheren", fügt sie in Anspielung auf seine provokanten Haarschnitte hinzu, die insbesondere nach Errichtung der Grenze 1961 dem ein oder anderen sicher ein Dorn im Auge gewesen waren.