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Mietvertrag des Galeristen Hänel, Betreiber der Kulturwerkstatt e. V., wurde nicht verlängert / Anwohnerin: "Wenn Jürgen den Engpass verlassen muss, wäre das ein großer Verlust"

Von Birgit Ahlert 09.03.2011, 04:29

"Verrückt nach Kunst" ist die aktuelle Ausstellung in der Galerie von Jürgen Hänel in der Schönebecker Straße. Gezeigt werden Arbeiten aus den Pfeifferschen Stiftungen. Die vielleicht letzte Exposition des engagierten Künstlers an diesem Ort, denn er hat vom Hauseigentümer die Kündigung erhalten. Bewohner vom Buckauer Engpass reagieren fassungslos, prägt Hänel doch seit Jahren die Wohngegend mit seinem Engagement für die Kunst und die Menschen.

Buckau. Jürgen Hänel ist eine Institution im Buckauer Engpass. Seit 2008 betreibt er die Galerie in der Schönebecker Straße 114, ist seitdem zum "echten Buckauer" geworden, erzählen die Anwohner. Er habe wieder Leben in den Engpass gebracht, mit seinem vielfältigen Engagement für die Kunst und auch in der GWA (Gemeinwesenarbeit), hat u. a. das Projekt der SKET-Fenstergalerie wesentlich mitgestaltet und betreut, Kinder- und Stadtteilfeste (mit-)organisiert, hat die Kunstwerkstatt e. V. gegründet, das offene Atelier und die Stadtteilgalerie. Er arbeitet u. a. mit Kindern und engagiert sich künstlerisch für Behinderte. Die aktuelle Ausstellung "Verrückt nach Kunst" zeigt beispielsweise einen Einblick in Arbeiten aus den Ateliers der Pfeifferschen Stiftungen.

Buckau ohne Jürgen Hänel sei nicht mehr dasselbe, sagen Anwohner. "Er ist ein Pionier im Engpass", sagt Sabine Schultz, die mit Friedericke Bogunski die Galerie "Überfluss" einige Häuser weiter betreibt. Er hat die Entwicklung angetrieben, Buckau als Kunst- und Kulturstandort zu etablieren. "Magdeburg hat nicht so viele künstlerische Standorte, das ist unsere Chance", so Schultz. Hänels Weggang "würde uns stark zurückwerfen und insgesamt eine große Lücke reißen".

Jürgen Hänel ist kein gebürtiger Magdeburger. Als er jedoch 2007 das erste Mal aus Bremen in den Buckauer Engpass kam, hat er sich sofort verliebt. Nicht nur in die Frau, mit der er dort verabredet war. "Es ist eine einzigartige Atmosphäre in dieser Straße", schwärmt er noch heute.

Er suchte eine Bleibe und fand sie in der Schönebecker Straße 114. Ein damaliger Freund, so erzählt er, bot Hänel die Geschäftsräume an. Nach kurzer Verhandlung wurde man sich einig, Hänel übernahm die Gewerberäume auf zwei Etagen und auch deren restlichen Ausbau, denn das Haus befand sich im Sanierungsfinale. Hänel verputzte Wände, malerte und tapezierte, verlegte Parkett und Fliesen. Nebenbei, so erzählt er, habe der Hausbesitzer ihn und seine Lebenspartnerin überredet, auch einen Weinverkauf einzurichten, der untere Raum biete sich doch dafür an und sogar einige Teile der Inneneinrichtung dafür spendierte der Hauseigentümer. Mit ihm habe er sich auch immer gut verstanden, sagt Jürgen Hänel. Warum plötzlich der Kontakt abbrach, könne er sich nicht erklären. Ein Gespräch sei nicht zustande gekommen, stattdessen erhielt der Galerist ein Schreiben mit der Aufforderung, die Räume bis zum August zu räumen. "Es ist mir unbegreiflich", sagt Jürgen Hänel. Als Antwort vom Vermieter auf die Frage nach dem Kündigungsgrund habe es geheißen: "Weil es mein Recht ist." Und das ist es. Der Vertrag läuft nach drei Jahren zum Sommer aus, müsste also verlängert werden. Damit hatte Galerist Hänel fest gerechnet, denn im Herbst vorigen Jahres hatte er vom Vermieter noch die Erlaubnis erhalten, in der Etage einen Tresen zu bauen, um Ausstellungsgäste versorgen zu können. "Gerade fertiggestellt, muss ich das Ganze jetzt wieder abreißen", erzählt Hänel kopfschüttelnd. "Dazu habe ich eine andere Ansicht", erklärte Hauseigentümer Gerd vom Baur auf Volksstimme-Nachfrage. So bestehe der Vertrag nicht mit der Galerie, sondern mit dem Weinhandel, den Hänels Lebenspartnerin betreibe. Dass diese dann an den Künstler bzw. den Verein Kunstwerstatt weitervermietet habe, sei eine andere Sache. Die künstlerische Seite habe dem Engpass gut getan. Es sei "sehr bedauerlich", sagt vom Baur. "Ich habe mir die Entscheidung, den Vertrag nicht zu verlängern, nicht einfach gemacht. Aber ich habe meine Gründe."

Neben Hänel suchen auch Anwohner vom Engpass nach einer Lösung. Rosi und Eckhard Schulz beispielsweise, die seit 20 Jahren den Gemischtwarenladen in der Schönebecker Straße betreiben. Sie zeigen sich entsetzt von der Kündigung. "Der Jürgen hat so viel Schwung in unsere Wohngegend gebracht. Wenn er den Engpass verlässt, wäre das ein großer Verlust." Dann schläft die Kultur und das öffentliche Leben hier wieder ein, befürchtet die gebürtige Buckauerin.

Gern würde das Ehepaar dem engagierten Künstler ihre Räume zur Verfügung stellen, da sie sich zur Ruhe setzen. Doch das Haus hat einen neuen Eigentümer und der hat seine eigenen Pläne. Alternativ ist nun ein anderes ehemaliges Geschäft im Gespräch. Allerdings gibt es dort nur einen Raum, der ist zudem um einiges kleiner als die jetzige Galerie und soll zudem eine Wein-Ecke bieten. "Ich habe mir dieses zweite Standbein nicht über Jahre aufgebaut, um jetzt darauf zu verzichten", sagt Hänel. Weg aus dem Engpass, das kann er sich jedenfalls genauso wenig vorstellen, wie die Anwohner, die auf sein Bleiben hoffen.