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Kommt die Feuerwehr bald mit dem Rollator zum Einsatz?

Von Bianca Schwingenheuer und Franziska Ellrich 03.05.2013, 19:07

Wespen/Gerwisch. Das jüngste Opfer des demografischen Wandels im Salzlandkreis ist die Ortsfeuerwehr in Wespen. Die zur Einheitsgemeinde Barby gehörende Ortschaft hat 238 Einwohner und acht aktive Feuerwehrmänner. "Ich habe mich richtig erschrocken, als ich neulich dort war. Die verbliebenen Kameraden sind alle in meinem Alter", sagt Barbys Stadtwehrleiter Detlef August. Er ist jetzt 57 Jahre alt. "In Wespen fühlt sich eigentlich keiner der Kameraden mehr in der Lage, einen Einsatz zu fahren." Die bittere Konsequenz: Der Antrag zur Auflösung der Ortsfeuerwehr ist gestellt.

Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Detlef August ist vor allem eines aufgefallen: "Die Akzeptanz und Bereitschaft zum Ehrenamt bei den jungen Menschen fehlt total." Das zeigen auch aktuelle Zahlen aus dem Bericht "Feuerwehr 2020" des Landesinnenministeriums. Demnach verlieren die freiwilligen Wehren in Sachsen-Anhalt rund ein Prozent an Mitgliedern pro Jahr.

"Früher hat mir der Dienst richtig Spaß gemacht", sagt Thomas Enderling. Der 58-Jährige ist der wohl letzte Gruppenführer von Wespen. Direkt nach der Wende gab es im Ort sogar eine Jugendfeuerwehr, aber das Projekt ist nach und nach eingeschlafen. Das derzeit jüngste aktive Mitglied ist 40 Jahre alt. Er ist auch der einzige Feuerwehrmann, der sich nach der Auflösung weiter in Barby betätigen will.

"Ein Sicherheitsproblem entsteht dadurch nicht, aber ein Verein ist immer ein Mitträger von Gemeinschaftsideen", sagt die Ortsbürgermeisterin von Wespen, Gudrun Tulinski. Sie befürchtet, dass Jahreshöhepunkte im Gemeindeleben wie das Osterfeuer oder ein Fackelzug ohne die Feuerwehr aussterben. In Zukunft wird der Brandschutz in Wespen durch die 26 Mann starke Ortsfeuerwehr im Nachbarort Pömmelte mit abgedeckt. Die beiden Wehren sind schon in der Vergangenheit gemeinsam zu Einsätzen ausgerückt.

Das ist kein Einzelfall. Allein im Salzlandkreis ist ein Drittel der 103 Ortsfeuerwehren nicht rund um die Uhr einsatzbereit. Das liegt vor allem an der Entfernung zwischen dem Arbeitsplatz der Kameraden und dem Wohnort. "Das wird durch eine Doppelalarmierung kompensiert", sagt Gereon Schelhas, Sachgebietsleiter Brandschutz vom Salzlandkreis. Die Leitstelle alarmiert also gleich mehrere nahe gelegene Ortsfeuerwehren, damit die Brandschützer nach zwölf Minuten vor Ort sind. So will es das Brandschutzgesetz. Das funktioniert (noch) gut. Sollte der flächendeckende Brandschutz durch freiwillige Feuerwehren eines Tages nicht mehr sichergestellt sein, gibt es einen letzten Ausweg. "Dann werden gesundheitlich geeignete Bürger zwischen 18 und 55 Jahren zu einer Pflichtfeuerwehr herangezogen", erklärt Schelhas. Diese Regelung ist im Brandschutzgesetz festgeschrieben.

Freiwillige Feuerwehr Gerwisch zeigt positives Beispiel

Dass es anders geht, zeigt ein Beispiel aus Gerwisch im Jerichower Land. "Die kontinuierliche Jugendarbeit zahlt sich aus", sagt Wolfgang Beckmann, Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Gerwisch. Seit 22 Jahren gibt es hier eine Jugendfeuerwehr. Derzeit zählt sie 25 junge Menschen. Alle aktiven Kameraden waren Mitglied der Jugendfeuerwehr. Entscheidend für Wolfgang Beckmann: "Man muss sich auf seine Mitstreiter verlassen können."

Heute kümmert sich Martin Reichhardt um den Nachwuchs. Er lässt sich "immer wieder interessante Dinge einfallen, um die Jugend bei der Stange zu halten", lobt Beckmann den Jugendwehrleiter. Dazu gehört zum Beispiel der Austausch mit der Partnerfeuerwehr im Landkreis Wesermarsch bei Bremen. Doch nicht nur um die Jugendlichen kümmert man sich bei der Feuerwehr in Gerwisch, sondern auch um die Kinder. Für alle unter zehn Jahren gibt es eine Kinderfeuerwehr mit derzeit rund 15 Mitgliedern.

Nachwuchsarbeit, wie in Gerwisch, ist ein möglicher Lösungsansatz, um den Folgen des demografischen Wandels entgegenzuwirken. Auch Risikoanalysen der Ortschaften oder verstärkte Öffentlichkeitsarbeit gehören zu den Ideen, die das Innenministerium im Bericht "Feuerwehr 2020" erarbeitete. Die individuellen Bedingungen müssen berücksichtigt werden, so das Fazit. Der Bericht liefere daher nur Anhaltspunkte. Gereon Schelhas fügt hinzu: "Der demografische Wandel ist ein ernsthaftes Problem, für das wir im Moment noch keine Patentlösung haben." Dennoch besteht für Schelhas Hoffnung: "Ein paar Feuerwehr-Verrückte gibt es immer."