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Nächstes Gold: Bolt kann eigene Titel kaum noch zählen

18.08.2013, 11:15

Moskau - Nach seinem überragenden Sieg über 200 Meter bleibt Usain Bolt am Ende bei der WM in Moskau nur noch ein Gegner: der große Carl Lewis.

Im 200-Meter-Finale schaute Bolt sich bereits in der Kurve nach links und rechts um. Und weil ihm aus seiner eigenen Generation schon längst niemand mehr folgen kann, nahm der Superstar aus Jamaika ein wenig das Tempo heraus, um sich für das Staffelrennen am Sonntag zu schonen. Als Bolt mit großem Vorsprung ins Ziel kam, war klar: Ihm fehlt nur noch ein Titel, um die Legende Lewis schon mit 26 Jahren als erfolgreichsten Leichtathleten der WM-Geschichte abzulösen.

Nach seinem 200-Meter-Sieg in der Weltjahresbestzeit von 19,66 Sekunden notierten die Chronisten: das zweite Gold in Moskau, der dritte WM-Titel in Serie über seine Lieblingsstrecke, seine neunte Medaille insgesamt bei einer WM (siebenmal Gold, zweimal Silber). Einen Michael Johnson oder Sergej Bubka hat Lewis in den Rekordlisten noch abwehren können mit achtmal Gold und je einmal Silber und Bronze. Bei Bolt wird selbst diese imposante WM-Bilanz nicht reichen.

Der Superstar selbst tat so, als interessiere ihn dieser nächste Meilenstein in seiner Karriere nicht sonderlich. Er sammelt längst Titel, wie andere Leute Fußballtrikots oder Modellautos. "Mein großes Ziel war immer, eine Legende zu werden. Das habe ich schon letztes Jahr bei den Olympischen Spielen geschafft", meinte Bolt. "Jetzt versuche ich, noch so viele Goldmedaillen wie möglich zu gewinnen. Aber ich zähle die gar nicht mehr richtig mit."

Der 200-Meter-Sieg sei ihm in Moskau der wichtigste gewesen. "Ich liebe die 200. Ich bin vor diesem Rennen immer noch etwas nervöser als vor anderen, weil mir diese Strecke so viel bedeutet", erklärte er. "Für mich bedeutet es mehr, den 200-Meter-Titel verteidigt, als den 100-Meter-Titel zurückerobert zu haben."

Nach diesem Erfolg fühlte es sich für Bolt fast schon wieder so an, als habe es den großen Dopingskandal vor der WM und die wachsenden Zweifel an seiner Sauberkeit nie gegeben. Der Jamaikaner badete im Luschniki-Stadion in einem Meer aus Fotografen und Fans. Als er Freunde auf der Tribüne umarmen wollte, musste für einen Moment der Sicherheitsdienst eingreifen. Eine Frau aus dem Publikum wollte den schnellsten Mann der Welt gar nicht mehr loslassen.

Neu war in Moskau nur, dass Bolt die große Bühne in der Leichtathletik nicht mehr allein gehört. Einen Mo Farah kennt nach seinem nächsten Doppelsieg über 5000 und 10 000 Meter auch fast jeder Sportfan auf der Welt. Und Jelena Issinbajewa stahl Bolt bei ihrer Heim-WM sogar regelrecht die Show. Nach ihrem noch viel lauter als jeder Bolt-Auftritt gefeierten Sieg im Stabhochsprung sorgte die Russin jeden Tag mit einer anderen Geschichte für Schlagzeilen. Mal ging es um ihre Baby-Pläne, mal um ihre heftig kritisierte Haltung zum russischen Anti-Homosexuellen-Gesetz.

Bolt dagegen tauchte bei dieser WM regelrecht ab zwischen seinen Rennen. Keine Pressekonferenzen, keine Show-Auftritte, kein Hype wie noch 2012 bei den Olympischen Spielen in London. Der Superstar käme auch gar nicht in die Verlegenheit, sich wie Issinbajewa in einer bedeutenden Frage in die Nesseln zu setzen. Der Umgang mit Doping im Sport? Die politische Lage in Russland? Alles nicht sein Thema.

In den kommenden Wochen startet Bolt noch bei den Diamond-League- Meetings in Zürich (29. August) und Brüssel (6. September). Sein Fernziel bleibt aber ein anderes: "Ich sehe diese WM nur als ersten Schritt Richtung nächste Olympische Spiele", sagte er in Moskau. "Ich will 2016 nach Rio de Janeiro reisen und dort alle meine drei Titel verteidigen." Auch in dieser Wertung bleibt Carl Lewis sein großer Rivale. Der Amerikaner hat bei Olympischen Spielen insgesamt neun Goldmedaillen gewonnen - Bolt steht erst bei sechs.