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Hörmann: "27 oder 28 Medaillen wären kein Rückschlag"

04.02.2014, 06:51

Sotschi - Der neue DOSB-Präsident Alfons Hörmann geht mit Vorfreude auf seine erste wichtige Dienstreise, aber auch mit Respekt. Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi ist der 53-jährige frühere Chef des Ski-Verbandes nicht nur als Sportfachmann gefragt.

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) muss auch den Fallstricken der Sportpolitik aus dem Weg gehen. "In dem Bereich lauert wie bei sportfachlichen Einschätzungen immer die Gefahr eines Fehlers", sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. "Nur mit dem Unterschied: Im sportpolitischen Bereich werden Fehler viel stärker wahrgenommen und kommuniziert."

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi sind durch Debatten über zahlreiche Probleme belastet. Mit welchen persönlichen Erwartungen reisen Sie zu Ihren ersten Spielen als DOSB-Präsident?

Hörmann:Ich fahre mit großer Vorfreude nach Sotschi, weil wir mit einer starken Mannschaft antreten werden. Natürlich sehe ich den Spielen auch mit einer Portion Spannung - die als Skiverbands-Präsident im Übrigen genauso da war - entgegen, weil man nicht weiß, ob die sportlichen Erwartungen und Ziele erfüllt werden können. Ergänzend kommen für mich nun neu die sportpolitischen Themen hinzu. Denen blicke ich mit einer Mischung aus Offenheit, grundsätzlich positiver Einstellung zu Sotschi und den russischen Ausrichtern, aber auch mit der notwendigen kritischen Haltung gegenüber einer Reihe von Themen entgegen.


Die Sotschi-Spiele sind ihre erste große Bewährungsprobe als DOSB-Präsident. Haben Sie Ehrfurcht, Respekt oder gar auch Angst?

Hörmann:Angst nein, Ehrfurcht trifft es auch nicht. Ich gehe da mit einer großen Portion Respekt hin. Vorsicht ist sicher bei den sportpolitischen Themen angebracht. In dem Bereich lauert wie bei sportfachlichen Einschätzungen immer die Gefahr eines Fehlers. Nur mit dem Unterschied: Im sportpolitischen Bereich werden Fehler viel stärker wahrgenommen und kommuniziert.


Sie sind viele Jahre Präsident des Deutschen Skiverbandes gewesen. Macht Ihnen das die Aufgabe in Sotschi deshalb leichter?

Hörmann:Was mir weniger Sorgen macht, ist der gesamte sportfachliche Bereich. Da habe ich als DSV-Präsident bei den Spielen in Turin 2006 und Vancouver 2010 sowie als Vorstandsmitglied im Weltverband FIS umfangreiche Erfahrungen sammeln können. An dieser Stelle kann nicht all zu viel passieren. Außerdem gab es auch zu DSV-Zeiten heikle Themen wie die Entscheidung, dass Magdalena Neuner nicht in der Staffel in Vancouver startet. Da wurde rauf und runter dekliniert, ob es eine intelligente Entscheidung war. Auch gab es 2006 in Turin die Schutzsperre für Evi Sachenbacher-Stehle. Beides bescherte mir als DSV-Präsident herausfordernde Debatten, und das war insofern ein gutes Training für die nun anstehenden Zusatzaufgaben beim DOSB.


Ihr Generaldirektor Michael Vesper hat das Medaillenziel 30 plus genannt. Sie sind zurückhaltender. Ist das präsidiale Vorsicht?

Hörmann:Da gibt es zwei Komponenten. Es entspricht meiner felsenfesten sportfachlichen Überzeugung, dass 30 Medaillen nur schwer zu erreichen sind. Die mit den Fachverbänden abgestimmte Zielstellung bleibt jedoch bestehen. Die Frage ist allerdings, wie wahrscheinlich ist es, darunter oder darüber zu liegen. Aus meiner Überzeugung wird es eine große Herausforderung, dies zu packen. Das hat also nichts mit präsidialer Vorsicht zu tun.


Ist denn Kritik berechtigt, wenn drei, vier Medaillen weniger gewonnen werden als die avisierten 30?

Hörmann:Wenn am Ende 27 oder 28 Medaillen herauskommen und dies womöglich als Rückschlag angesehen wird, hat man die Situation verkannt. Denn es gibt eine Reihe von Unwägbarkeiten im ständig härter werdenden Wettbewerb. Wir müssen beispielsweise sehen, was den Bobfahrern nach einer durchwachsenen Saison auf der Zielgeraden noch gelingt. Und um ein anderes Beispiel zu nennen: Miriam Gössner wäre im Biathlon und Langlauf für drei, vier Medaillen gut gewesen. Sie ist aber nicht mit von der Partie. Wer kann sie ersetzen?


Sind Sie ein DOSB-Präsident, der den Athleten nahe sein will?

Hörmann:So habe ich mich immer verstanden. Ich meine, einen guten Kontakt zu den Athleten zu haben. Nicht ohne Grund habe ich in der Vergangenheit die Wettbewerbe nicht mit dem Schwerpunkt VIP-Zelt, sondern Stadion besucht. Ich könnte viele Beispiele nennen, wo auch die Sportler in entscheidenden Momenten Kontakt zu mir gesucht haben. Ich habe aber als DSV-Präsident auch gelernt, dass neben der Nähe eine notwendige Distanz da sein sollte. Manchmal müssen Präsident und Athleten unter Umständen mal getrennte Wege gehen können.


Ihr Vorgänger im DOSB-Spitzenamt, Thomas Bach, hat als neuer Präsident des Internationalen Olympischen Komitees einen schweren Job in Sotschi zu meistern. Schafft er es, die Winterspiele trotz der Vielzahl kontroverser Themen gut über die Bühne zu bringen?

Hörmann:Es ist eine schwere Aufgabe, zweifellos, aber da antworte ich klar und einfach: Wer, wenn nicht er!


Es wird zwölf neue Disziplinen im olympischen Programm von Sotschi geben. Wie ist der DOSB da aufgestellt?

Hörmann:Bei uns steht die Frage sehr im Fokus, ob unsere sportliche Strategie in den neuen Disziplinen passt. Sie wird uns genauso beschäftigen wie die Frage, ob drei Medaillen mehr oder weniger kommen. Natürlich kann man immer einen Wechsel auf die Zukunft ziehen und sagen, schauen wir in vier Jahren noch einmal, aber den Spiegel müssen wir uns schon jetzt selbstkritisch vor das Gesicht halten. Egal, wie gut oder schlecht es in den neuen Disziplinen läuft. Diese Bilanz werde ich separat zum offiziellen Medaillenspiegel für mich führen - und zwar von Tag zu Tag. Denn das zeigt, ob wir mit den Fachverbänden gemeinsam strategisch gekonnt agieren oder nicht.


ZUR PERSON: Alfons Hörmann ist seit dem 7. Dezember 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DSV). Der 53-jährige Unternehmer zuvor von 2005 an Präsident des Deutschen Skiverbandes.