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Cortina zu Draisaitl: "Vielleicht besser als Gretzky"

08.05.2014, 10:30

Mannheim - Am Samstag startet Deutschland gegen Kasachstan in die Eishockey-Weltmeisterschaft. Für Pat Cortina ist es die zweite WM als Bundestrainer und Sportdirektor.

Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht Cortina über die Ziele, die vielen Ausfälle und Talent Leon Draisaitl, aber nicht über das totalitäre Weißrussland.

Wie zufrieden sind Sie mit der WM-Vorbereitung?

Pat
Cortina
: Wir haben sehr intensiv gearbeitet in den letzten Wochen. Jetzt muss alles zusammenpassen, jetzt geht es ans Eingemachte.


Dieses Jahr ist kein NHL-Spieler dabei, ist das ein Problem?

Cortina: Das ist schon schwierig, gerade wenn ich an Christian Ehrhoffs Leistung im letzten Jahr denke, oder auch an die von Marcel Goc. Aber so ist es nun mal, das müssen wir akzeptieren. Das ist auch die Möglichkeit für andere Spieler, den nächsten Schritt zu machen. Man kann sehr oft beobachten, dass Teams noch näher zusammenrücken, wenn Schlüsselspieler verletzt sind.


Fehlt ihnen nicht etwas Routine im Kader?

Cortina: Ja klar, man muss sich doch nur mal anschauen, wer von der letzten WM diesmal nicht dabei ist: Christian Ehrhoff, Michael Wolf, André Rankel, Christoph Ullmann und Dennis Endras, alles Spielführer. Also fehlt uns etwas an Führungskraft. Das ist jetzt die Gelegenheit für Leute wie Marcus Kink, Kai Hospelt, Alex Barta und auch Frank Hördler in die Bresche zu springen und diese Rolle zu übernehmen.


Dass kein NHL-Spieler dabei ist, liegt auch daran, dass Sie auf NHL-Keeper Thomas Greiss verzichten. Warum?

Cortina: Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir auf dieser Position haben. Und ich bin sicher, dass die drei Keeper, die wir jetzt haben, ihren Job machen werden.


Wird es in Rob Zepp eine klare Nummer eins geben?

Cortina: Eine 1a, eine 1b und eine 1c. Wir werden sieben Spiele in elf Tagen spielen und in diesen Spielen wird der Puck sehr oft in unserem Drittel sein. Unsere Torhüter werden also viel zu tun bekommen. Wir brauchen zwei, drei Jungs, die dafür bereit sind.


Mit welchem Ziel starten sie in das Turnier?

Cortina: Es ist immer schwierig, über Ergebnisse zu sprechen. Mit dem Team reden wir für Entwicklung, Leistung und den Versuch, zu gut zu sein, wie möglich. Das ist unser Hauptziel. Wir wollen eine WM gespielt haben in dem Bewusstsein, alles gegeben zu haben.


Dieses Jahr folgt die WM wieder auf Olympia, so wie 2010. Damals wurde Deutschland Vierter. Ist das überhaupt wiederholbar?

Cortina: Sind die Umstände von damals dieses Jahr wirklich die selben? Nur weil es ein Olympia-Jahr ist, heißt das nicht, dass die Teams alle so auftreten wie damals. Es gab damals ja auch noch einen anderen Modus. Als Deutschland das Halbfinale erreichte, hat es wirklich richtig gutes Eishockey gespielt. Lass uns doch erstmal damit anfangen, dann sehen wir, wohin das führt.


Die großen Nationen haben aber oft Probleme, sich nach Olympia noch für eine WM zu motivieren...

Cortina: Sie kommen mit einem anderen Team. Die Amerikaner etwa kommen mit einem jungen, hungrigen Team. Die Spieler wollen sich für einen Job in Europa empfehlen oder meinetwegen bestätigen, dass sie auf NHL-Niveau spielen können. Ich glaube auch nicht, dass die Russen ein Motivationsproblem haben werden, nach der Enttäuschung bei Olympia. Und es ist immer noch eine Weltmeisterschaft. Manchmal sind die Teams ohne Superstars motivierter als Teams mit Superstars.


Ist ein Abstieg für Deutschland überhaupt noch möglich?

Cortina: Abstieg? Dieses deutsche Wort will ich niemals lernen. Aber ja, sicher. Genauso wie das Viertel- oder Halbfinale möglich ist. Manchmal hängt alles nur an einem Spiel und so ein Turnier ist ja auch kurz. Schauen sie sich den deutschen Meister Ingolstadt an: Wie die im Januar gespielt haben und wie die in den Playoffs gespielt haben. Wie ist so etwas möglich? Es ist möglich! Das ist eben Sport.


Trainer reden bei einer WM-Vorrunde oft von einem Schlüsselspiel. Welches ist das aus ihrer Sicht?

Cortina: Immer das nächste Spiel. Wir wollen das Turnier beginnen und von Beginn an auf dem richtigen Weg sein.


Der erst 18-jährige Leon Draisaitl ist erstmals dabei. Wird er die große NHL-Karriere machen, die ihm viele vorhersagen? Es wird ja schon vom "deutschen Gretzky" gesprochen.

Cortina: Wenn er auf seinem Weg weiter macht, sollte er eine große Zukunft in der NHL haben. Ob die Erwartungen zu groß sind, weiß ich nicht. Vielleicht wird er auch besser als Gretzky. Er ist gut genug, sich als Leon Draisaitl einen Namen in der Eishockey-Welt zu machen. Von Sidney Crosby hat auch jeder gesagt, er wird der neue Gretzky. Jetzt vergleicht ihn niemand mehr mit ihm, er ist jetzt "Sid the kid". Und ich glaube, Leon wird auch er selbst sein.


Die WM-Vergabe nach Weißrussland stand und steht sehr in der Kritik. Wie stehen Sie auch als DEB-Sportdirektor dazu, in einem totalitären Regime zu spielen?

Cortina: Ich will mich dazu nicht äußern, weil ich mich auf den Sport konzentrieren will.


ZUR PERSON: Der 49 Jahre alte Italo-Kanadier Pasqualino "Pat" Cortina ist seit 2012 Bundestrainer und zugleich Sportdirektor beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Sein Vertrag ist bis 2015 gültig. 2012/2012 war Cortina zeitgleich auch noch Trainer des EHC München aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Am Samstag startet Cortina mit Deutschland in seine zweite WM als Nationalcoach. Im vergangenen Jahr verpasste er mit Platz neun nur knapp das Viertelfinale. In seiner Verantwortung liegt auch eine der bislang größten Enttäuschungen im deutschen Eishockey überhaupt: Im Februar 2013 scheiterte Cortinas Nationalteam erstmals überhaupt in einer Qualifikation für Olympia.